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Alt 24.04.2024, 14:51   #204  
Servalan
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Otto e mezzo | | Achteinhalb (Italien / Frankreich 1963, Cineriz und Francinex), Drehbuch: Federico Fellini und Ennio Flaiano, Regie: Federico Fellini, 138 min, FSK: 16

Fellini gilt als einer der wichtigsten Autorenfilmer des 20. Jahrhunderts. Seine Wurzeln liegen im Neorealismus, aber schon bald hat er seinen eigenen, sehr persönlichen Stil gefunden, in dem sich autobiographische Erinnerungen mit satirisch-surrealen Elementen mischen, so dass Traum und Realität verschwimmen. In zahlreichen Filmen erscheint Marcello Mastroianni als Alter Ego des Regisseurs.
Vier seiner Filme erhielten einen Oscar als bester fremdsprachiger Film, 1993 erhielt er den Ehrenoscar für sein Lebenswerk. Von Fellini stammen insgesamt acht Filme der Liste 100 film italiani da salvare, die das italienische Kultusministerium mit der Cinecittà Holding 2008 auf dem Internationalen Filmfestival von Venedig aufstellte.

ist gewissermaßen sein eigenes Making of, denn der Film thematisiert, wie er zustandegekommen ist. Guido Anselmi ist ein berühmter Regisseur, der aber in einer Schaffenskrise steckt, weil er nicht weiß, wie er seinen aktuellen Film beenden soll. Deswegen zieht er sich in einen Kurort zurück, um mit sich selbst ins Reine zu kommen; er will deswegen alleine sein und flieht vor seinem Produzenten und seinem Drehbuchautor, vor seiner Frau und seiner Geliebten. Doch seine Gedanken gehen eigene Wege, und in seinen aggressiven Tagträumen begegnet denjenigen, vor denen er geflohen ist. Indessen läuft die Produktion seines Filmes weiter, indem die Kulisse einer Abschußrampe für ein Raumschiff gebaut wird. Und im Finale muß sich Anselmi einer Riege Journalisten stellen, die von ihm Auskunft fordern. Der Film endet mit einem Tanz aller Menschen, die dem Regisseur etwas bedeuten.
Inspiriert von Carl Gustav Jungs Vorstellungen über das metaphorische Unterbewußte kombiniert der Film autobiographische Elemente mit einer Metalepse und Träumen. Fellinis Meisterwerk schuf schon bald nach seinem Erscheinen eine Reihe internationaler Epigonen, in denen Stoffe und Motive ähnlich arrangiert waren: Mickey One (USA 1965, Regie: Arthur Penn), Alex in Wonderland (USA 1970, Regie: Paul Mazursky), Warnung vor einer heiligen Nutte (Bundesrepublik Deutschland 1971, Regie: Rainer Werner Fassbinder), La Nuit américaine | Die amerikanische Nacht (Frankreich 1974, Regie: François Truffaut), All That Jazz (USA 1979, Regie: Bob Fosse), Stardust Memories (USA 1980, Regie: Woody Allen), Sogni d'oro | Goldene Träume (Italien 1981, Regie: Nanni Moretti), Парад планет | Planet Parade (Sowjetunion 1984, Regie: Vadim Abdrashitov), La película del rey | Der Film des Königs (Argentinien 1986, Regie: Carlos Sorín), Living in Oblivion (USA 1995, Regie: Tom DiCillo, 1995), 8½ Women | 8½ Frauen (Großbritannien / Niederlande / Luxemburg / Deutschland 1999, Regie: Peter Greenaway) und Восемь с половиной долларов | 8½ $ (Russland 1999, Regie: Grigori Konstantinopolsky). Außerdem bin ich mir sicher, dass sich Dennis Potter davon zu seiner Fernsehserie The Singing Detective (Großbritannien 1986) hat anregen lassen.
Filmhistorisch betrachtet hat Fellinis Autorenfilm ein eigenes Subgenre erschaffen, das heute vom Publikum als Standard wahrgenommen wird.

Geändert von Servalan (24.04.2024 um 15:09 Uhr)
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