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Alt 28.01.2010, 14:27   #17  
Servalan
Moderatorin Internationale Comics
 
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Standard Charley's War Vol. 1

Pat Mills ist hierzulande eher durch knalligen und frechen Werke wie Marshal Law, Sláine und Judge Dredd bekannt, die in der 2000AD-Euphorie ja seinerzeit zahlreich übersetzt wurden. Das ist aber nur die halbe Wahrheit: Für das von ihm mitgegründete, wöchentliche Magazin Battle schuf er 1979 die Serie Charley's War, das als Meilenstein der britischen Comicgeschichte gilt. Umgesetzt hat sein Szenario Pete Colquhoun, der im deutschsprachigen zu Unrecht völlig unbekannt ist. Als der 1987 starb, hatte er eine 30-jährige Karriere als Comiczeichner hinter sich; den Ruhm seiner Fangemeinde hat er leider nicht mehr erleben dürfen.

Der erste Band schildert die ersten zwei Monate, vom 1. Juni bis zum 1. August, an der Westfront. Der 16-jährige Charley Bourne aus dem Eastend wird im Busdepot, wo er die Karossen schrubben darf, von seinem Kollegen verspottet. Deshalb meldet er sich mit gefälschtem Alter zur Front und wird an die Somme versetzt. Kernstück des ersten Band ist die ausführlich geschilderte Schlacht an der Somme. Dort begegnet er einem deutschen Sniper in mittelalterlicher Rüstung, Pferden mit Gasmasken ...

Colquhoun hätte auch im Ausland (jenseits der USA und UK) eine Entdeckung verdient. Ohne jegliche Grautöne, pinselt er sperrige Panels auf die Seite, durch die sich das Publikum kämpfen muß wie die Soldaten durch Schlamm, Dreck und Geschosse. Vom Zeichnerischen ähnelt er den Großmeistern aus Italien und Argentinien.
Der erste Band besteht aus 29 Kapiteln, drei oder vier Seiten lang, und das ist gut so: Mills hat akribisch recherchiert und schreibt extrem dicht. Die Schlacht an der Somme selbst geht fast über dreißig Seiten und belastet auch beim Lesen. Das Zusatzmaterial der lieferbaren Titan UK-Ausgabe liefert eine Menge Hintergründe zur Serie, zum Zeitgeschichtlichen und einen Kommentar von Mills zu jeder Episode.

Der erste Band hat weniger etwas von Remarques Im Westen nichts Neues; der naive, zu junge Held erinnert mich an den Protagonisten aus Stephen Cranes Bürgerkriegsroman The Red Badge of Glory (Die rote Tapferkeitsmedaille): Weder ein Feigling noch ein Held sondern ein Junge mit Illusionen, der an der Front rasch altert. Die Geschichten in ihrer gruseligen Unwirklichkeit haben mich an Ambrose Bierce's Erzählungen aus dem Bürgerkrieg erinnert.
Auf die weiteren Bände bin ich gespannt ...

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