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Alt 10.10.2018, 10:02   #351  
Peter L. Opmann
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Ort: Hessen
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Spinne (Williams) 70

Erscheinungstermin: 11/1976

Originalausgabe:
1) Amazing Spider-Man # 69
2) Journey into Mystery # 117

Story-Titel:
1) Den Kingpin vernichten!
2) Schlachtgetümmel – Kampfestoll

Original-Storytitel:
1) Mission: Crush the Kingpin!
2) Into the Blaze of Battle!

Zeichnungen:
1) John Romita / Jim Mooney
2) Jack Kirby / Vince Colletta

Text:
1) Stan Lee
2) Stan Lee



Der Kingpin hat die geheimnisvolle antike Tafel. Die Spinne versucht, sie wiederzubeschaffen – was allerdings den Vorwurf der Justiz, die demonstrierenden Studenten hätten dem Gangsterboß bei seinem Überfall geholfen, keineswegs entkräften würde. Aber die Sache läuft auf einen erneuten Fight von Kingpin und der Spinne hinaus, und darum geht es natürlich. Trotzdem gibt es in dieser Story ein paar interessante Aspekte. Aufgefallen ist mir auch, daß laut Credits John Romita diesmal nur die Storyboards angefertigt und Jim Mooney das Ganze im Wesentlichen allein gezeichnet und geinkt hat. Vielleicht hat Romita Urlaub genommen. Ich habe ein paar von Mooney gezeichnete Horrorstorys gelesen, wo er mich nicht so überzeugt hat. Ich dachte: Als Inker ist er eindeutig besser. Hier bemerke ich kaum, daß Romita an den Zeichnungen wenig beteiligt war. Mir fällt lediglich auf, daß die Spinne in einigen Panels muskulöser wirkt als üblich. Ein Brustkorb wie bei Superman paßt zu dieser Figur nicht.

Die Spinne stöbert Kingpin und seine Leute nach kurzer Suche auf. Der hat die Tafel erstmal in seinem Tresor versorgt – ein Safe, der nicht abgeschlossen ist; vielmehr ist die Stahltür so schwer, daß niemand außer Kingpin sie öffnen kann. Eine Frage, die mich sonst relativ kalt läßt, hat mich diesmal schon ein bißchen beschäftigt: Wie stark ist der Kingpin eigentlich? Kann er sich mit einem Superhelden (Peter Parker besitzt definitionsgemäß die proportionalen Kräfte einer Spinne) tatsächlich messen? Daß die Proportionen nicht mehr ganz stimmen, wird wenige Ausgaben später bei „Menschenberg Marco“ deutlich, der ein lediglich großgewachsener und gut trainierter Gangster ist und trotzdem angeblich der Spinne schwer zusetzen kann. Aber was soll’s? Rein optisch wirkt die Spinne hier dem jedenfalls übermenschlich feisten Kingpin unterlegen und verlegt sich darauf, ihn mit gewitzter Akrobatik zu bekämpfen. Das sieht schon ganz ansprechend aus.

Auffällig: Anders als in der Ditko-Zeit ziehen die Gangster hier ihre Pistolen, um die Spinne zu erschießen. Marvel trägt wohl der zunehmenden Brutalisierung in Kinofilmen Rechnung. Freilich wird niemand verletzt. Kingpin bekommt im Zweikampf irgendwann die rechte Hand der Spinne zu fassen und drückt so kräftig zu, daß sie beinahe ohnmächtig wird. Das ist auch das durchaus eindrucksvolle Titelmotiv. Trotz tauber Hand ist die Spinne aber nicht besiegt, und Kingpin muß Zuflucht zu seinem Spazierstock nehmen. Den verklebt die Spinne aber blitzschnell mit Netzflüssigkeit, so daß der Schuß nach hinten losgeht. Nun ist der Kingpin k.o. und wird von der Polizei festgenommen. Trotz all seiner Kraft ist er offenbar von Handschellen zu halten. Die Spinne nimmt derweil den Inschriften-Spezialisten Wilson hops und öffnet Kingpins Tresor, um die Tafel an sich zu bringen. Beim Verlassen von Kingpins Hauptquartier wird er von der Polizei entdeckt, die sofort messerscharf schließt, daß die Spinne mit Kingpin unter einer Decke steckt. Sie wird wütend und kündigt an, sie wolle nun wirklich eine Gefahr für New York werden, wie ihr das immer wieder unterstellt wurde. Da sind wir doch mal gespannt.

Zu Beginn der Story bekommen wir noch ein paar andere Dinge mit: Joe Robertson diskutiert mit seinem Sohn Randy über den Sinn von Demonstrationen. Dabei wird deutlich, daß sich Randy als Schwarzer diskriminiert fühlt. Ihm geht es also gar nicht um falsche Entscheidungen an seiner Uni, es geht um die Rassenfrage. Gleichzeitig setzt sich Gwen Stacy mit anderen (weißen) Demonstranten auseinander. Sie beschuldigen Peter Parker, sich gedrückt zu haben. Aber Gwen verteidigt ihn wie eine Löwin. Als sie kurz darauf ihren Vater trifft, erkundigt er sich besorgt, ob sie sexuell belästigt worden ist. Aber sowas ist zu dieser Zeit glücklicherweise – zumindest in US-Comics – noch kein Thema.

Es ist wieder mal eine sehr actionbetonte Ausgabe, die die Story um die Tontafel genau betrachtet nur ein kleines Stück voranbringt. Und doch wirkt sie dicht und mitreißend. Es zeigt sich wieder mal, daß in einer Comicstory auf Logik nicht unbedingt großer Wert gelegt werden muß. Über die Grafik habe ich mich ja schon geäußert. Was nach wie vor in erster Linie überzeugt, sind Mooneys gekonnte Schwarz-Weiß-Kontraste. Seit er an der Serie mitwirkt, sind etliche Szenen in relative Dunkelheit getaucht. Die Schatten machen die Szenerien realistischer.

In dieser Ausgabe gibt es – neben Checkliste und Programmvorschau – wieder mal eine Leserbriefseite, die mit netten Karikaturen von Thor, Namor und Dämon aufgemacht ist. Es gibt ein paar Kleinanzeigen; unter anderem sucht ein gewisser Hajo F. Breuer nach einem Zeichner, um mit ihm einen „druckreifen Comicstrip“ zu produzieren. Daraus scheint nichts geworden zu sein. Die Briefe stammen immer noch aus der Zeit vor der Einstellung etlicher Serien. Ein Leser bemängelt, der Hulk sei zu brutal. Weiter geht es um die Frage, ob die Zweitserien mehr Raum bekommen sollen oder weiter öfters redaktionelle Seiten erscheinen. Insgesamt wird Williams viel Lob gespendet.
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