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Alt 19.07.2018, 20:37   #241  
Peter L. Opmann
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Spinne (Williams) 40

Erscheinungstermin: 8/1975

Originalausgabe:
1) Amazing Spider-Man # 39
2) Tales to Astonish # 101

Story-Titel:
1) Mein Kobold war so grün!
2) ohne Titel (…und Unheil wird winken!)

Original-Storytitel:
1) How green was my Goblin!
2) …and Evil shall beckon!

Zeichnungen:
1) John Romita / Mickey Demeo (= Mike Esposito)
2) Gene Colan / Dan Adkins

Text:
1) Stan Lee
2) Archie Goodwin



Irgendwo habe ich mal gelesen, daß John Romita „Amazing Spider-Man“ anfangs wie Steve Ditko zeichnen mußte. Das ist natürlich Unsinn. Von meiner heutigen Warte aus kann ich Romitas Strich so deutlich erkennen, daß ich mich wirklich wundere, daß Jack Kirby in dieser Williams-Ausgabe als Zeichner angegeben ist. Von Kirby ist hier weit und breit nichts zu sehen. Wie kam man darauf? Wurde der Fehler vielleicht aus der US-Ausgabe übernommen?

Was ich aber beim chronologischen Lesen bemerke, ist, daß hier einige Storyelemente auftauchen, die für die Ditko-Phase typisch waren. Zum Beispiel kämpft die Spinne hier gegen eine Gangsterbande – mit dem Unterschied, daß die Gangster es diesmal schaffen, sie mit einem eigenartigen Gas halb zu betäuben. Ein wiederkehrendes Motiv ist, daß Peter Parker gedankenverloren durch die Uni läuft und von seinen Kommilitonen für arrogant gehalten wird. Neu: Auch Harry Osborn hat große Sorgen, und Peter und Harry schütten einander ihr Herz aus; dadurch erfährt auch Gwen den Grund für Peters Verhalten.

Genau wie bei Ditko ist eine Begegnung von Peter mit Jameson gestaltet. Er hat Fotos vom Kampf der Spinne gegen die Gangster – Jonah will erst später zahlen. Da droht der Fotograf, die Bilder an den Globe zu verkaufen, worauf JJJ lamentiert, er werde von allen ausgeplündert. Wieder zahlt er einen relativ geringen Preis, aber er fragt nicht groß nach, wie Peter an die Fotos gekommen ist. Neu: Peter trifft auch wieder Ned Leeds, und sie versöhnen sich. Peter wünscht ihm, daß er Betty Brant bald findet. Und schließlich wird auch das Ditko-Motiv aufgenommen, daß sich Tante May auf keinen Fall aufregen darf. Nun findet aber direkt vor ihrem Küchenfenster das tödliche Duell mit dem Grünen Kobold statt.

Diese wiederkehrenden Motive werfen für mich Fragen auf: Hat Ditko wirklich seine Storys weitgehend selbst geschrieben? Hat also Stan Lee ihn hier nachgeahmt, oder hatte er an den vorherigen Storys auch immer einen gewissen Anteil? Man kann vermuten, daß Lee die Storyelemente bewußt einsetzt, damit sich der Leser in der Serie weiter heimisch fühlt. Aber es gibt keine erkennbaren Probleme, damit den Ditko-Touch der Serie herzustellen. Mir fällt außerdem auf, daß die Dialoge jetzt umfangreicher und interessanter sind – was wieder eher dafür spricht, daß Lee jetzt mehr für die Serie tut als bisher. Romita hat sicher nur gezeichnet, was ihm Lee vorgab, und selbst das Inking einem Spezialisten überlassen. Dafür sieht sein Artwork um einiges souveräner aus als bei Ditko. Ich will damit nicht sagen, daß Ditko ein schlechterer Zeichner war, aber Romitas Zeichnungen haben Zeitungscomics-Qualität, und er steigert den Realismus der Zeichnungen ein gutes Stück. Bei Ditko war man doch in gewissem Sinn in einer Traumwelt.

Nun, worum geht’s genau in diesem Heft? Der Kobold macht sich auf, die Spinne endgültig zu besiegen. Derweil hat sie ein kleines Problem: einen Schnupfen (das bedeutet hier aber noch nicht, daß sie ihre Kräfte verliert). Beim Hausarzt erfährt Peter, daß es Tante May längst noch nicht so gut geht, wie er glaubte. Zuvor kam Peter aus einer Besenkammer, denn er ist übers Dach ins Haus gestiegen, was den Hausmeister sehr wundert. Es schließt sich die Szene an der Uni an, in der Gwen Peter plötzlich in neuem Licht sieht. Dann kommt die Spinne zu einem Banküberfall und beginnt, die Bande zu verdreschen. Dabei bekommt sie das Gas ab, das ihre Spinnensinne so sehr dämpft, daß sie nicht mehr bemerkt, daß sie vom Grünen Kobold beobachtet und verfolgt wird – auch als sie in einem abgelegenen Winkel ihr Kostüm ablegt. Den Bankraub hat der Kobold vortäuschen lassen; ihm ging es nur darum, die Spinnensinne zu betäuben. Er sieht zunächst verblüfft, daß die Spinne nur ein Halbstarker ist.

Dann folgt er Peter zum Daily Bugle, worauf er sich keinen Reim machen kann, aber er erfährt dabei mithilfe eines Abhörmikrofons seinen Namen. Vor Tante Mays Haus greift er dann Peter an, der völlig überrascht ist (er hatte vorher nur ein unbestimmtes ungutes Gefühl). Hier ist ein kleiner logischer Fehler in der Story: Der Kobold will eigentlich alles über Peter erfahren. An dem Haus überzeugt er sich aber nicht mehr davon, daß das Peters Wohnung ist. Er hätte ja auch einen Freund besuchen können. Peter hat jedenfalls keine Chance, sein Kostüm anzulegen; damit fehlen ihm im Kampf auch seine Netzdüsen. Er darf außerdem nicht richtig kämpfen, damit nicht Tante May einen Schock bekommt. Er wird betäubt, gefesselt und vom Kobold durch die Luft davongezerrt (siehe auch das eindrucksvolle Cover, wo übrigens erstmals nicht nebenbei noch für Aquarius Werbung gemacht wird). Im Schlupfwinkel des Kobolds erfährt dann auch Peter dessen geheime Identität. Es ist Norman Osborn, der Vater seines Studienkollegen Harry.

Irgendwie ist das nicht eben der Knaller, denn Norman Osborn hatte ja erst in „Spinne“ # 38 seinen ersten Auftritt und ist dem Leser noch kaum bekannt. Aber Ditko hatte ja bekanntlich vor, einen völlig Unbekannten als Kobold zu präsentieren, und im Vergleich dazu ist diese Lösung schon etwas besser. Später macht Peter bei Norman Osborn ein Praktikum und kommt mit ihm in näheren Kontakt. Es wäre sicher besser gewesen, wenn es diese Verbindung schon hier gegeben hätte, aber wer sonst hätte der Kobold sein können? Jonah? Leeds? Einer der Wissenschaftler und Roboterkonstrukteure, mit denen die Spinne schon zu tun hatte? Die hatten ja alle schon eigene Funktionen. Die Figur Norman Osborn mußte nun also nachträglich noch ein bißchen ausgebaut werden.

In diesem Heft gibt es noch ein Info-Miniposter, das das Innere von Tante Mays (und Peters) Haus zeigt. Weil es nur eine Seite ist, habe ich es oben nicht mit angegeben. Nicht zum ersten Mal sehen wir eine Werbeseite von Frobenius, auf der Herstellungsleiter Kurt Rebischke („Rebi“) aus einer „geheimen Marvelkonferenz“ kommt und verraten möchte, welche neuen Titel demnächst erscheinen werden. Die Pranke des Ding hält ihn jedoch davon ab. Im Hintergrund sehen wir Dr. Strange und den Eisernen angedeutet – keine Grüne Laterne, keine Affen.
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