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Alt 21.11.2012, 16:40   #2155  
michidiers
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Jungs, tut mir leid, dass ich dazwischenfunke, aber meine soeben beendete Lektüre schreit förmlich nach einer genaueren Betrachtung.

CROSSED 2

Familienbande



von Javier Barreno u.a.

Inhalt: Die Seuche war plötzlich da. Infizierte verwandeln sich innerhalb kurzer Zeit in reißende Bestien, mordend, vergewaltigend und marodierend. Die Zivilisation, wie wir sie kennen, hörte praktisch über Nacht auf zu existieren und niemand kann mehr sicher sein, ob und wann es einen selber erwischt. Schon bald breitet sich die Seuche von den Ballungszentren auf das Land aus und streckt ihre tödlichen Finger nach den Pratts, ein Familienclan, der auf einem weitläufigen und abgelegenen Anwesen einen scheinbaren Frieden wahrt …

Meinung: Crossed lässt sich im Grunde nicht richtig erklären und man kann auch keine Empfehlung im üblichen Sinne dafür aussprechen. Mann muss es vielleicht selber gelesen haben und sich dann für eine von vielleicht nur zwei Möglichkeiten entscheiden. Entweder man legt es angewidert beiseite oder man liebt es, weil man den bissigen Kommentar darin erkannt zu haben meint.

Möglichkeit 1 = „angewidert weglegen“

Das Covermotiv und Backcover, sowie der blutrote Buchrücken deuten nur ansatzweise an, was den Leser in den folgenden sieben Ausgaben der Miniserie „Family Values“ erwartet. Es werden Mord, Folter, Blasphemie, Kannibalismus, Sex, Vergewaltigungen, Inzest, Fäkalien explizit dargestellt, unabhängig davon, ob es sich bei den Opfern um Männer, Frauen, Kinder, Babys oder Tiere handelt. Es ist eine in einem schmalen Plot eingebettete Aneinanderreihung von Grausamkeiten, die aus den tiefsten Abgründen einer kranken Seele eines genauso kranken Künstlers zu stammen scheinen.

Möglichkeit 2 – „es lieben“

Manchmal sind es die Covermotive, die zum Kauf eines Buches anregen können. Der Zeichner Javier Barreno nutzte wohl eines der am meisten adaptierten Bilder der Kunstgeschichte als Vorlage: American Gothic von Grant Wood (1930). Wood wollte anno 1930 wohl nur ein Bauernpaar künstlerisch realistisch darstellen und brach damit eine Lawine von Interpretationen und Adaptionen aus, die bis in die heutige Zeit anhielt. So steht dieses Bild unter anderem symbolisch für eine vordergründige Idylle, die sich auf dem zweiten Blick als trügerisch darstellt.

So verhält es sich auch bei der gottesfürchtigen Großfamilie Pratt, die in den Weiten des amerikanischen Herzlandes eine große Farm betreibt. Ein Familienbetrieb als scheinbares Refugium in einer verkommenen Welt. Doch diese Idylle trübt, sie überdeckt tiefe Abgründe innerhalb der Familie, die offen zu Tage treten, als die Seuche auch hier ausbricht. Sie ist zur Flucht gezwungen und hat die Sicherheit der Farm zu verlassen. Unter Führung des dominanten Familienoberhauptes, dessen religiöser Wahn schreckliche Ausmaße annehmen wird, beginnt der lange Marsch in eine neue Sicherheit, die sich alsbald ebenfalls als brüchig erweist. Man mag an das Buch Mose erinnert werden, als der von Gott beauftragte Moses das Volk der Israeliten auf einer vierzig Jahre währenden Wanderung von Ägypten in das sichere Kanaan führt.

Die Geschichte wird dabei erzählt aus der Perspektive der heranwachsenden Adaline, eine junge Frau voller Begeisterung für den Reitsport. Sie hat sich bald einer Apokalypse zu stellen, die in die Familie eindringt und dabei auf kompromisslose Art zu Tage treten lässt, dass der Feind nicht nur von draußen kommt, sondern längst im Inneren des Clans lauert.

Fazit: Es gibt wohl nur zwei Möglichkeiten…, siehe oben!
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