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Alt 04.02.2024, 00:20   #1878  
God_W.
Captain Rezi
 
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Erebus (Michael Palin)

Ich mag Seemanns-Geschichten und spätestens seit ich erstmals von Ernest Shackleton gehört habe, haben es mir vor allem auch die Arktis-Expeditionen angetan. Die Geschichte um die Erebus und ihr Schwesterschiff Terror, die bei der Suche nach der legendären Nordwest-Passage verschollen gingen, kam mir vor einigen Jahren mit den Comics Im Eisland (Drei Bände beim Hinstorff Verlag von der deutschen Kristina Gehrmann) und kurz darauf bei der TV-Serie Terror nach dem gleichnamigen Buch von Dan Simmons erstmals unter. Ich habe das Buch nicht gelesen, aber die Serie gespannt verfolgt. Da das Schicksal der beiden Schiffe ein lange ungelöstes Rätsel darstellte, war es kein Problem, dass Simmons ab einem gewissen Punkt in übernatürliche Fantasy und Horrorelemente überging.

Einen ungleich realistischeren Weg ging Michael Palin, ja, der von Monthy Python. Er war allerdings nicht nur lange mit der ultraerfolgreichen Comedy-Truppe unterwegs, sondern auch mehrere Jahre Präsident der Royal Geographical Society und ist glühender Verehrer der mutigen Entdecker der damaligen Zeit. Als 2014 die Nachricht um die Welt ging, dass das Wrack der 1826 erbauten und seit 1848 als verschollen geltenden Erebus gefunden worden sei, gab es für den maritim passionierten Briten kein Halten mehr. Er nutzte all seine Kontakte und machte sich auf, die Reisen der Erebus und der Terror nachzuvollziehen, teilweise nachzureisen und in jedwedem Winkel der Welt auch noch den kleinsten Schnipsel an Informationen zu den beiden großen Expeditionen der Erebus zusammenzutragen.



Manchmal schwingt ein leichter Humor mit, aber zumeist geht der Autor hier akribisch, sachlich und von großer Leidenschaft für das Thema getrieben zu Werke, und bringt uns all die Erschwernisse und Widernisse solcher Unternehmungen in der damaligen Zeit näher. Er nimmt uns mit auf eine Reise in eine andere, entbehrungsreiche Zeit, wo harte Männer mutig voranschritten, um Wissen und neue Wege für die gesamte Menschheit zu finden.

Ein sehr gutes Buch, äußerst ausführlich recherchiert, hochinteressant erzählt und eine klare Empfehlung für alle, die auch nur ein klein wenig Grundinteresse an der Thematik aufbringen können. Die Illustrationen mit Zeichnungen von Besatzungsmitgliedern usw. bis hin zu historisch relevanten Fotografien sind ebenfalls äußerst stimmig und perfekt eingebunden. Vermutlich aufgrund des akribischen Detailgrads, der auch alle technischen Gegebenheiten berücksichtigt, und wir von der Zeit der Expedition immer wieder in die Neuzeit zu Palins Erlebnissen während der Recherche switchen, konnte es mich dennoch nicht durchgehend so enorm packen, wie es die Geschichte um Ernest Shackletons Expedition in die Antarktis auf der Endurance vermochte.



Das auf Tatsachenberichten, Informationen der Nachfahren und Tagebücher der Beteiligten basierende Buch 635 Tage im Eis: Die Shackleton-Expedition von Alfred Lansing ist ein hochrealistischer, nervenzerrender Pageturner geworden, den jeder mal gelesen haben sollte, wie ich finde. Als Ergänzung dazu würde ich bei Interesse noch das von Bergsteiger-Legende und Antarktis-Durchquerer Reinhold Messner geschriebene Buch Wild empfehlen, welches die Endurance-Expedition aus der Sicht von Frank Wild erzählt. Der Arktis-Veteran wurde später nicht nur zum stellvertretenden Kommandanten der Expedition, sondern auch zum Anker der Mannschaft in Sachen Moral und Motivation. Eine geradezu übermenschliche Aufgabe in dieser extremsten aller denkbaren Extremsituationen.

Hier ein Foto der beiden äußerst empfehlenswerten Bücher:



Natürlich gibt es auch ein Buch (nur auf Englisch) über den außergewöhnlichen Fund von Whisky, den Shackleton bei seiner Expedition als Vorrat dabei hatte, und die nachträgliche Neuerschaffung dieses außergewöhnlichen Tropfens:



Wer sich etwas für Whisky interessiert, der gute Horsti hat alles Wissenswerte zum „Shackleton-Whisky“ mal in einem unterhaltsamen und informativen Video zusammengefasst:

https://www.youtube.com/watch?v=IxYf6I77MPw

Drei Abfüllungen gab es bislang von dem Stoff, ich habe alle probiert, und ich kann sagen, die letzte (und günstigste) Inkarnation ist lediglich Geldschneiderei. Bei den ersten beiden Abfüllungen, also aus der Holzkiste und in der Achteckigen Schachtel waren die Aromen recht vergleichbar, abgesehen davon, dass der erste etwas rauchiger war. Die dritte Ausgabe in größerer Menge für die „Massen“ sag ich mal, hat komplett anderes Aromenbild, sowohl bei Geruch als auch bei Geschmack, ist einfach nur furchtbar und nicht mal die Eckdaten (Alkoholstärke) passen zum Original. Finger weg, kann ich da nur sagen! Ganze im Gegensatz zu Palins Buch, das bekommt…

8/10

VG, God_W.
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