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Alt 31.12.2013, 09:27   #16  
74basti
Moderator Sekundärliteratur
 
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CSSI # 171
The Sleeper (II)
Farbe: Vierfarbig
Seitenzahl: 8 Seiten
Text: Edgar Allan Poe, Richard Corben
Originalveröffentlichung: Dark Horse presents #17
Erschienen: Oktober 2012



Inhalt:
Ein Mann reitet durch einen unwirtlichen Wald bis er ein zerfallenes Haus erreicht. Er erinnert sich zurück an Irene, seine Frau, mit der er früher dort lebte. Er verflucht sie: "Rich Bitch!" - sie wollte sich scheiden lassen. Er aber, Angus, liebte das Dienstmädchen Amelia. Gemeinsam entschließen sie sich, Irene zu töten. Doch als Irene, nachdem sie den vergifteten Tee getrunken hat, von der Scheidung erzählt, begreift Amelia, dass sie ein Unrecht getan hat und gerät in Streit mit Angus, der sie die Treppe hinunter wirft.
Am Grabmahl seiner Frau sinniert Angus über den Sinn des Mordes - Er habe ihn zu einem reichen Witwer gemacht. Er habe sie geliebt, aber sie musste schlafen, damit er seine Leidenschaften ausleben konnte. Irene öffnet das Grab und tötet Angus.

Bemerkung:
Es handelt sich hier um die zweite Bearbeitung der Ballade von Poe durch Corben. Die erste (CSSI # 145) erschien in "Welt des Schreckens". Im Gegensatz zu der ersten Interpretation durch Margopoulos, in der Irene als Vampir von einem Priester geliebt wird, setzt Corben hier die Geschichte in das 19. Jahrhundert zurück.

"Die Schlafende", so der dt. Titel ist eine Ballade Poes, die 1831 in der ersten Fassung erschien. Die Umarbeitung erfolgte 1845 (3.5.45 in im "Broadway Journal"). Es ist ein Liebesgedicht an eine verstorbene Frau:



In tiefe Junimitternacht
Der mystische Mond herniederwacht.
Einschläfernde Nebel dunsten leise
Heraus aus seinem goldnen Kreise
Und triefen sanft wie Schlummerlieder
Tropfen um Tropfen sachte nieder
Auf Höhen, schimmernd wie Opal,
Und in das allumfassende Tal.
Auf einem Grab nickt Rosmarin,
Träg lehnt die Lilie drüber hin.
Von leerem Nebel überdacht
Fault die Ruine hinein in Nacht.
Wie Lethe sieh den Weiher ruhn,
Scheint tiefen, tiefen Schlaf zu tun,
Nicht um die Welt erwachte er nun.
Alle Schönheit schläft! – und ach! wo liegt
(Ihr Fenster den Himmeln geöffnet) – wo liegt
Irene, vom Schicksal eingewiegt!


O Schönste! – ach! ich steh' betroffen:
Das Fenster weit dem Nachtwind offen?
Die Lüfte fallen im Mondenschein
Vom Baum herab durchs Gitter ein –
Sie flüchten flüsternd wie Geisterschar
Durch dein Gemach und stoßen gar
Am Bett den bunten Baldachin
So schaurig her, so schaurig hin
Über des Auges geschlossene Glut,
Darunter die schlummernde Seele ruht,
Daß Schatten gleich Gespenstern weben
Und Wand und Boden irr beleben.
O liebe Dame, banget dir?
Warum und was nur träumst du hier?
Gewiß, du kamst von fernstem Meer,
Ein Wunder, in diesen Garten her!
Seltsam deine Blässe! Seltsam dein Kleid!
Die Locken länger als jederzeit!
Seltsam die düstere Feierlichkeit!


Sie schläft! Und wie sie dauernd ruht,
So ruhe sie auch tief! Und gut
Hab Himmel sie in heiliger Hut!
Heiliger sie jetzt und der Raum,
Schwermütiger sie als je ihr Traum.
O Gott! laß nie ihren Schlaf vergehn,
Ihr Auge nie sich öffnen und sehn,
Indes die Gespenster vorüberwehn!


Meine Liebe, sie schläft! Wie dauernd sie ruht,
So ruhe sie auch tief und gut;
Leis krieche um sie die Würmerbrut!
Mög fern im Forst, in Düster und Duft,
Für sie sich auftun eine Gruft –
Eine Gruft, die oft das schwarze Tor
Aufwarf vor bangem Trauerchor,
Triumphierend über den Wappenflor
Der Toten aus ihrem erhabenen Hause –
Eine Gruft, entlegen wie Einsiedlerklause,
Deren Tor ihr einst beim kindlichen Spiel
Für manchen Stein gedient als Ziel –
Ein Grab, aus dessen tönendem Tor
Sie nimmermehr zwingt ein Echo hervor,
Das dröhnend dem Kind in die Ohren rollte,
Als sei es der Tod, der da drinnen grollte.

Original-Text zitiert nach: Edgar Allan Poes Werke. Gesamtausgabe der Dichtungen und Erzählungen, Band 1: Gedichte, Herausgegeben von Theodor Etzel, Berlin: Propyläen-Verlag, [1922], S. 59-61.

"Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer" - Francisco de Goya 1799

Geändert von 74basti (11.01.2016 um 10:31 Uhr)
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