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Alt 07.12.2009, 14:00   #777  
michidiers
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Sandman 2 – Das Puppenhaus



Nachdem ich im ersten Band langsam in das poetische Universum des Sandmanns eingeführt worden bin, durfte ich mich nunmehr auf das erste richtige Abenteuer des Sandmannes freuen.

Kurzinhalt: Die heranwachsende Rose Walker findet mehr, als sie jemals zu wagen gehofft hatte: Eine verschollene Großmutter, einen Bruder und einen subtilen Kongress der Serienkiller, der in einem verschlafenen Hotel tagt. Was das alles mit dem Sandman zu tun hat? Sehr viel, denn auch der ist involviert, der ist auf der Suche nach einigen ausgebüchsten Alpträumen und einem Traumwirbel, die unsere Welt unsicher machen…

Ja, ich gebe zu: der Plot kommt etwas holprig dahergehumpelt! Gewaltig innovativ ist das (noch) nicht so richtig. Darum ergötze ich mich doch lieber an der erzählerischen Kraft des Meisters Gaiman, die wirklich alles, aber auch alles herausholt aus dieser etwas einfach gestricken Grundidee. Gaiman hat dabei ordentlich die Ärmel hochgekrempelt und kratzt aus unvermuteten Untiefen solcher Storys so manches Knäuel an kostbaren Ideen heraus. So werden phantastische Verknüpfungen zu dem Band 1, zu realen und literarischen Punkten hergestellt, wir Shakespeare in einem herrlichen Dialog und können uns an allerlei verträumter Poetik in Wort und Bild erfreuen.

Besonders interessant ist für mich die Figur des „Korinthers“, der als psychopathischer Killer in diesem Band auftritt. Nicht nur seine Figur, sondern besonders der Name „Korinther“ lädt einen förmlich zu Spekulationen ein. So erinnere ich mich an ein sowohl schauerliches, als auch gewagtes Gedicht von Goethe. – Die Braut von Korinth-, oder aus meiner Kindheit Wilhelm Buschs gemeine (Comic-) Kurzgeschichte – Die Bösen Buben von Korint-. Etwas Neugierde hat mich dann über google auch zu Schiller und den Korintherbrief aus dem Testament geführt. Also jede Menge literarischer und mythischer Stoff, der Pate für die Umsetzung gestanden haben könnte.

Und überhaupt: In welchem DC oder Marvelcomic wird sonst noch so schön mit der Sprache umgegangen, wie hier. Zwei Beispiele von schönen Sprechblasentexten:

Ein Gast einer Taverne (Name wird nicht verraten):
„Bei Gott!
Er liebt Euch nicht!
Der Gott, dem Ihr dient,
ist Eure eigne Gier,
welche die lieb´,
von Bezlebub
umschlingt!“

oder noch besser:

Sandman:
„ Ihresgleichen wandelt auf den Überresten der Leben,
die sie für Ihre Zwecke geopfert haben,
bis sie, ganz allein und ohne Freuden,
ein allerletztes Opfer bringen.“

Ein Kompliment an die Übersetzerin Gerlinde Althoff, die diese schönen Sätze so nuanciert übersetzt hat. Und ein Glück, dass ich nicht die US Originale gekauft habe, hätte ich ansonsten mit meinem beileibe nicht allzu dehnbaren Englisch dies wohl nicht so voller Kraft erfassen können!

Geändert von michidiers (08.12.2009 um 08:19 Uhr)
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