Thema: Filmklassiker
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Alt 16.01.2024, 06:21   #1838  
Peter L. Opmann
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Manche von Euch können mit Western nichts anfangen. Aber von Zeit zu Zeit muß ich hier einen behandeln, diesmal „Garten des Bösen“ (1954) von Henry Hathaway. Diesen Cinemascope-Film der 20th Century Fox habe ich in meiner Jugend mehrmals im Fernsehen gesehen, aber ich fand ihn immer seltsam. Das hat mich dazu gebracht, ihn jetzt noch einmal zu analysieren. Hathaway hat insgesamt siebenmal mit Gary Cooper zusammengearbeitet – dies ist ihr letzter gemeinsamer Film. Ich finde, er hat Stärken und Schwächen.

Wir haben eine ganz simple Handlung: Susan Hayward engagiert vier Männer (Cooper, Richard Widmark, Cameron Mitchell, Victor Manuel Mendoza), die in einem mexikanischen Nest festsitzen, um ihren Mann (Hugh Marlowe) aus einer Goldmine zu befreien, in der er verunglückt ist. Der Weg dorthin führt durch das Gebiet der Apachen – bald wird klar, daß das Unternehmen lebensgefährlich ist. Sie gelangen zu der Mine, bergen den schwerverletzten Marlowe und müssen gleich darauf vor den native americans (also Indianern) fliehen. Am Ende überleben nur Cooper und Hayward. Diese einfache Geschichte ist psychologisch enorm aufgeladen. Die Männer kennen sich gegenseitig kaum, werden aber alle von Gier nach Gold getrieben, zeitweise auch von ihrer Leidenschaft für die Frau, und tragen dementsprechend ihre Konflikte aus. Derweil ist die Ehe von Marlowe und Hayward kurz davor zu zerbrechen. „Garten des Bösen“ paßt genau in die neurotischen 50er Jahre.

Die leicht kafkaeske Stimmung des Films hat mich erneut gepackt. Hathaway konzentriert sich ganz darauf zu zeigen, wie die Männer nacheinander immer mehr die Nerven verlieren. Cooper ist – natürlich – der einzige, der einen kühlen Kopf bewahrt. Irgendwann verrät er, daß er mal Sheriff war (man denkt gleich an den Will Kane aus „High Noon“). Die anderen sind alle Glücksritter. Widmark spielt wie gewohnt den Zyniker, der sich aber am Ende doch opfert, damit Cooper und Hayward endgültig den Apachen entkommen können. Man könnte diese Geschichte als einfallslos bezeichnen; sie hat jedenfalls keine Moral zu bieten. Cooper sagt in der letzten Szene: „Wenn die Erde ganz aus Gold bestehen würde, dann würden die Menschen auch für eine Handvoll Dreck sterben.“ Das ist allerdings hohles Pathos und soll dem Geschehen eine Bedeutung geben, die es nie hat. Budd Boetticher hat ähnliche simple und zugleich archaische Western gedreht, aber es ist ihm, soweit ich seine Filme gesehen habe, dabei gelungen, auf solche Pseudophilosophie zu verzichten.

Und doch hat der Western etwas. „Garten des Bösen“ ist ein treffender Titel, denn es wird ein Kontrast zwischen den sich verstellenden und Mißtrauen und Haß nur mühsam verbergenden Menschen und der erhebenden Naturkulisse hergestellt. Mexiko ist hier tatsächlich ein wunderschöner Garten. Mich hat das manchmal an die gelungeneren Karl-May-Filme wie „Der Schatz uim Silbersee“ erinnert, wobei Lex Barker natürlich nicht mit Gary Cooper zu vergleichen ist. Die Schauspielerleistungen finde ich durch die Bank überzeugend. Klugerweise bleiben die Apachen während etwa 80 Prozent der Filmdauer völlig unsichtbar; es gibt nur eine ständige latente Bedrohung durch sie. Daß sie auch im letztendlichen Gefecht auf einem schmalen Gebirgspaß immer nur aus Distanz zu sehen sind, erscheint heute negativ, denn sie werden so auf mordlustige Gesellen reduziert, die man am besten einen nach dem anderen tötet. Cooper sagt immerhin an einer Stelle, daß sie lediglich ihr Land gegen die eindringenden Weißen verteidigen wollen.

Also ein zwiespältiger Fall. Dieser Western wird, soweit ich sehe, nicht zu den großen Klassikern gerechnet. An der Kasse war er damals erfolgreich, wenn auch nicht übermäßig. Ich weiß nicht, ob die Buchvorlage schlecht war oder Hathaway das Buch aus irgendwelchen Gründen umschreiben ließ (mit welcher Absicht, wäre zu fragen). Ich bin jedenfalls immer enttäuscht, wenn ein Film nichts bedeutet und auch nichts Überraschendes erzählt. Doch die Atmosphäre finde ich so gelungen, daß ich mir „Garten des Bösen“ auch noch ein weiteres Mal ansehen kann – allerdings wohl nicht so schnell wieder…
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