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Alt 20.11.2018, 15:21   #407  
Peter L. Opmann
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Beiträge: 5.474
Spinne (Williams) 86

Erscheinungstermin: 6/1977

Originalausgabe:
1) Amazing Spider-Man # 85
2) Journey into Mystery # 125

Story-Titel:
1) Intrigos Geheimnis!
2) Das Treffen der Unsterblichen!

Original-Storytitel:
1) The Secret of the Schemer!
2) When meet the Immortals!

Zeichnungen:
1) John Romita / John Buscema / Jim Mooney
2) Jack Kirby / Vince Colletta

Text:
1) Stan Lee
2) Stan Lee



Nach den 20-Seitern der letzten Zeit ist die Geschichte um Intrigo mal wieder etwas ambitionierter. Nachdem ich nun aber den abschließenden dritten Teil gelesen habe, muß ich sagen, daß es nicht der große Wurf geworden ist. Was sich da im Hause Kingpin abspielt, überzeugt als Familiendrama nicht. Allein Kingpins Frau Vanessa ist eine Figur mit Potential. Gezeichnet hat wieder ein Trio. Ich kann diesmal nur einen Teil der Panels als typisch John Buscema identifizieren und glaube, daß er sich das Pencillen wohl eher brüderlich mit John Romita geteilt hat. Jim Mooney inkt hier nicht mehr so meisterhaft wie zu Beginn seines Runs (weitgehend fehlen die markanten Hell-Dunkel-Kontraste), aber doch ganz ordentlich.

Werfen wir zunächst einen Blick darauf, was sich in dieser Episode tut und wie der Konflikt zwischen Kingpin und Intrigo aufgelöst wird. In der letzten Ausgabe hatte er ja geglaubt, Intrigo hätte Vanessa entführt. Sie ist aber immer noch da und erklärt, sie habe sich im Lauf der Auseinandersetzung nur „zurückgezogen“. Intrigo fährt auf seiner Flucht eine Delle in sein Multifunktionsfahrzeug und muß es stehenlassen. In diesem Moment sitzt Peter Parker schon zuhause beim Lernen. Da bekommt er plötzlich Besuch von Captain Stacy und Gwen. Der pensionierte Polizeioffizier will wissen, warum Peter so häufig die Spinne fotografieren kann; das könne doch nicht reiner Zufall sein. Peter weiß nicht sofort, wie er diese Frage beantworten soll. Er verschwindet unter einem Vorwand aus dem Zimmer. Nach einem Geistesblitz verwandelt er sich in die Spinne, kommt durchs Fenster wieder herein und tut so, als ob sie von Peter Geld will. Es gebe eine Absprache: Er dürfe sie fotografieren und teile dafür sein Honorar mit der Spinne (Captain Stacy hat offenbar keine Ahnung, wie kärglich Jonah Jameson zahlt). Diese Erklärung scheinen Gwen und ihr Vater erstmal zu schlucken.

Ein Foto von Peter Parker bringt auch die Story voran: Kingpin hat im Daily Bugle eins entdeckt, das zeigt, wie Vanessa Intrigo bei seiner Flucht hilft. Das löst eine Ehekrise aus. Die Spinne findet indessen Intrigo, wird aber durch seine diversen Waffen gehindert, seiner habhaft zu werden. Schließlich kann sie ihn mit ihrem Netz doch einfangen. Die Seite, auf der sie ihn überwältigt, scheint zu fehlen. Williams bringt nur 19 Seiten, möglicherweise, um zwei redaktionelle Seiten (neben der Checkliste) unterzubringen. Zwischendurch kehren Captain Stacy und Gwen in Peters Wohnung zurück und treffen ihn nicht mehr an. Nun denken sie, die Spinne habe ihn mitgenommen.

Allmählich muß es zum Showdown zwischen Kingpin und Intrigo kommen. Dafür greift Stan Lee zu einem Kniff. Die Spinne will Intrigo bei der Polizei abliefern, und zwar an der Adresse, die in der Zeitung genannt war, als die Belohnung auf ihn ausgesetzt wurde. Sie stößt dort auch tatsächlich auf einen Polizisten. In Wahrheit ist es offenbar Kingpins Wohnung – da Vanessa sich hier ebenfalls aufhält. Der Polizist ist ein verkleideter Gangster. Die Spinne wird mit einem stählernen Netz gefangen. Dann wendet sich Kingpin seinem Nebenbuhler zu, der nun eine Geschichte erzählt: Kingpins Sohn Richard war stolz auf seinen Vater und wollte nach seinem Vorbild etwas aus sich machen. Doch Freunde klärten ihn darüber auf, daß sein Vater ein Gangsterboß ist. Richard bekommt einen seelischen Knacks und wird ebenfalls zum Meister-Mobster. Kingpin versteht noch nicht recht. Da nimmt Intrigo seine Maske ab, und Richard kommt zum Vorschein. Kingpin erleidet einen Schock und erstarrt. Frau und Sohn stehen ratlos um ihn herum. Die Spinne befreit sich aus dem Stahlnetz und geht.

Zugegeben: Die letzte Szene ist wirkungsvoll und fällt für einen Superheldencomic aus dem Rahmen. Aber stimmig ist das in vielerlei Hinsicht nicht. Die Spinne hält eine Hochhauswohnung für eine Polizeistation? Echt jetzt? Wieso befindet sich dort ein als Polizist verkleideter Gangster? Weil Kingpin die Spinne mal so richtig an der Nase herumführen wollte? Warum kann Kingpin seinen Sohn hinter der Maske nicht erkennen, wenn Vanessa das doch ohne Mühe gelingt? Sie orientiert sich sicher an Intrigos Verhalten, vielleicht seiner Stimme. Doch Kingpin merkt nichts. Vielleicht ist ihm sein Sohn ja völlig gleichgültig. Doch weshalb erstarrt er zur Salzsäule, als der dann ohne Maske vor ihm steht? Und betrachten wir die Sache mal aus Richards Perspektive: Okay, er hat seine Kindheit und Jugend offenbar komplett im Internat verbracht und hatte wenig Kontakt zu seinen Eltern. Aber ist es glaubwürdig, daß seine Freunde mitbekommen, daß sein Vater ein Verbrecherkönig ist – bloß er selbst nicht? Angeblich brach für ihn damit eine Welt zusammen, aber warum will er es seinem Vater dann gleich tun und ihn sogar übertreffen? Was geschieht, sieht für mich eher nach einem Ödipus-Komplex aus (den Vater töten und die Mutter heiraten wollen); dann hätte Richard aber einfach einen an der Waffel.

Interessant finde ich, daß Peter Parker den Stacys vorzuspielen beginnt, bei ihm und der Spinne handele es sich um zwei verschiedene Personen (da könnte man Schizophrenie konstatieren). Dasselbe gab es etwas früher schon bei Daredevil, indem er gegenüber Karen und Foggy als sein eigener Bruder Mike auftrat. Dort wird dieses Motiv aber konsequenter ausgespielt. Mag sein, ich erinnere mich nicht mehr richtig, aber ich glaube, in „Die Spinne“ spielte dieses Trugbild keine so große Rolle.

Die beiden redaktionellen Seiten: Eine Leserbriefseite mit einem langen und bemerkenswerten Brief (Hans-Jürgen Lührsen nimmt Williams gegen mancherlei Vorwürfe in Schutz) und etlichen Kleinanzeigen sowie einer Captain-America-Karikatur von Karl Zimmermann. Auf der zweiten Seite wird der Druck eines Comichefts erklärt – für meinen Geschmack ein etwas zu technisches Thema. Die Checkliste hat nun, nachdem die Sea Monkeys auf das Backcover umgezogen sind, wieder eine Seite Platz. Nun gibt es Originalnummer, Originaltitel und Inhaltsangabe der Marvels des Monats und ein paar Illustrationen.
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