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Alt 11.10.2021, 11:11   #86  
Phantom
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Also eigentlich wollte ich irgendwann noch ausführlich zur SB 244 schreiben, aber es war einfach nie Zeit dafür. Und plötzlich liegt schon SB 245 am Bahnhofskiosk aus. Ja, so kann es auch gehen; die einen fragen jetzt schon nach dem nächsten Heft, andere kommen mit zwei Heften im Jahr nicht hinterher. Ich kann es jedenfalls sehr gut verstehen, Gerhard, wenn die eigenen Projekte immer viel länger dauern als geplant und man plötzlich von Deadlines überrollt wird; ich ticke leider in meinem Job genauso (alles muss hundertprozentig sein und führt deswegen zu Stress ohne Ende), deswegen habe ich wenig Verständnis für die Drängler.

Also gut, dann eben ein paar Gedanken zur SB 245. Mir hat das Heft insgesamt wieder sehr gut gefallen, klare Kaufempfehlung, auch wenn mir der eine Artikel, der mich ganz besonders anspricht, diesmal gefehlt hat. Liegt natürlich an den eigenen Interessen und am Vorwissen, manche Sachen (z.B. die Nachrufe oder die Entenhausen-Zensur) kannte ich in anderer Form eben schon aus dem Internet. Aber wenn ich bei den Leserbriefen lese, dass ein Leser den Namen Gottfredson vor dem SB-Artikel noch nicht kannte, wird mir klar, wie unterschiedlich das Publikum ist, das hier angesprochen werden muss.

Ich fange mal an mit dem Wolf/Förster-Comic. Wie immer sehr treffend, wunderbar. Mir gefallen immer die vielen Details, die man in den Zeichnungen findet; Abgabetermin 31. April, köstlich; ein PostIt am Rechner "trinken nicht vergessen", sehr schön, so etwas bräuchte ich auch.

Dann zur Zensur in Entenhausen. Sorry, hier von Zensur zu sprechen, halte ich für völlig falsch. Zensur heißt, dass eine staatliche (oder zumindest externe) Stelle Einfluss auf die Veröffentlichung nimmt. Das kann ich hier nicht erkennen. Niemand verbietet Disney oder Egmont von außen, "Fridolin Freudenfett" in eine Sprechblase zu drucken. Der Verlag hat die Änderungen selbstständig entschieden. Warum? Ein Verlag ist ein gewinnorientiertes Unternehmen, keine soziale Stiftung, die das Gedenken an Erika Fuchs hochhalten muss. Ziel ist es, möglichst viele Käufer für die eigenen Produkte zu finden. Wenn man das Gefühl hat, dass bestimmte Darstellungen oder Wörter Kunden abschrecken könnten, reagiert man eben darauf. Kann sein, dass diese Reaktionen wiederum andere Kunden abschrecken. Das muss man als Verlag eben gegeneinander abwägen.

Finde ich persönlich diese sprachlichen Änderungen sinnvoll? Nein, überhaupt nicht. Fridolin Freudenfett, zwei Daktylen, wunderbarer Klang. Dreifache Alliteration, sehr schön, und eine passende Beschreibung: der Fridolin ist wirklich fett, das wird man doch noch sagen dürfen (aber vielleicht liegt es nur an den Querstreifen seines Badeanzugs?). Für mich sind Indianer einfach Angehörige von Volksgruppen, die in Nordamerika gelebt haben, bevor Europäer dort eingedrungen sind, ich werde dieses Wort noch in 30 Jahren benutzen, wenn es mich noch gibt. Und dass Indianer Fremde immer skalpieren wollen, ordne ich als Klischee ein, das mit der Realität natürlich nicht übereinstimmt. Ich finde diese Änderungen lächerlich, übertrieben, handwerklich ungeschickt (die Grammatik wurde nicht immer passend mitgeändert), unnötig, total bescheuert. Ich werde deswegen diese Ausgaben nicht kaufen.

Aber: ich hätte diese Ausgaben auch nicht gekauft, wenn der Text unverändert geblieben wäre. Ich habe alles von Barks und Fuchs im Schrank, was ich will, ich werde nichts mehr von ihnen kaufen, egal in welcher Form. Also ist meine Ansicht für Egmont total irrelevant. Kann es sein, dass es Menschen, z.B. Eltern, gibt, die es nicht gut finden, wenn in Disney-Comics bestimmte Stereotype gepflegt werden, die sie (also die Eltern) von den Kindern fernhalten wollen und die deswegen Comics nicht mehr kaufen, wenn da das Wort Indianer vorkommt? Ich persönlich kenne solche Leute nicht, es ist auch nicht meine eigene Meinung, aber es scheint ja solche Leute zu geben. Und die sind für den Verlag wichtig, nicht ich, der ich sowieso keine Barks-Comics mehr kaufe.

Ich würde also für etwas Entspanntheit plädieren. Dass Verlage Texte an den Zeitgeist anpassen, gab es schon immer, man vergleiche mal die verschiedenen Ausgaben eines beliebigen Krimis, der aus den dreißiger Jahren stammt (macht halt niemand). Wenn man den alten Text haben will, muss man eben antiquarisch kaufen.

Was ich vom Verlag verlangen würde, wäre natürlich Ehrlichkeit: wenn also irgendwo steht, dass es sich um die originale Fuchs-Übersetzung handelt, und dann trotzdem Änderungen gemacht werden, ist das geschummelt. Schön, dass das aufgedeckt worden ist. Aber Zensur ist das nicht.

Uff, jetzt aber mal weiter im Text. Neugebauer: Den Artikel fand ich interessant, aber ich bin zu jung, um Erinnerungen an seinen Winnetou zu haben. Und Karl May habe ich auch nie gelesen. Tatsächlich würde ich das Buch sehr gern kaufen wollen, wenn es ein reiner Sekundärband über Neugebauer wäre mit ein paar Beispielseiten von Winnetou und anderen Serien. Aber der vollständig restaurierte Comic interessiert mich zu wenig, um 50 Euro auszugeben. Na ja, es gibt da sicher genug andere Interessenten.

Der Beitrag zu Jazze hat mir gefallen, da werde ich mir mal einen Larvenband besorgen.

Lucky Luke, hm, da war "meine" große Zeit vor 40 Jahren, Kauka, Koralle, Ehapa, da habe ich ganz viele Bände. Toller Klassiker, den ich etwas aus den Augen verloren habe. Die Werbecomics sind interessant. Ich sollte meine Alben mal wieder rauskramen. Auf Seite 26 steht zur neuen LL Gesamtausgabe "mehr dazu in der Harry-Stecke", aber da habe ich nichts mehr zu LL gefunden.

Die ganze Seite mit den Comic-Bestseller-Listen halte ich für total überflüssig. Warum soll mich interessieren, welcher x-te Wäscher-Nachdruck oder -Epigone sich im Sommer am meisten verkauft hat? Was bringt es mir zu wissen, dass sich Rick Master 24 besser verkauft hat als Conan 5? Wen soll das überhaupt interessieren?

Generation Lehning lese ich immer mit einer Mischung aus Staunen und Amüsement: es gibt also jetzt Nick "unmixed" und Nick "extra" und Sigurd "uncut" Na ja, jedem das Seine

Im "Querbeet" ist mir wieder aufgefallen, dass es eine Tendenz zu immer kleineren Auflagen und immer höheren Preisen gibt. Mir ist schon klar, dass das eine das andere bedingt. Aber z.B. das Buch über Prinz Eisenherz in deutschsprachigen Zeitschriften würde mich im Grunde total interessieren, aber 68 Euro will ich dafür nicht ausgeben. Dass da viel Arbeit drinsteckt, viel Zeit in Bibliotheken verbracht wurde usw., ist mir völlig klar. Ich frage mich nur, wo das hinführt. (Nächste Seite Werbung für das Chacopino-Buch, 79 Euro, na ja, eben auch ohne mich.)

Die 20000 Meilen unter dem Meer hören sich interessant an, zumindest habe ich den Artikel gern gelesen. Ob es der ganze Comic sein muss, überlege ich noch.

Shayawaya, ich erinnere mich. Das Interview mit Christoph Roos hat mir gut gefallen; es ist immer interessant zu lesen, was aus den Leuten "von früher" geworden ist. Aber die Comics: not my cup of tea. Elfen, Geschichten "zwischen Traum und Realität", Fantasy, das hat mich nie interessiert. Vielleicht war ich damals, als ich davon gehört hatte, auch zu jung. Und übrigens hat mich der seltsame Name auch eher abgeschreckt. (Da muss ich an "Tramway" von Comic Forum denken, das fand ich damals auch seltsam, habe das Seicherl-Heft aber zum Glück doch gekauft. Bei uns zu Hause hieß eine Straßenbahn nicht Tram sondern "Straßaboh", woher sollte ich wissen, was "Tramway" ist?)

Den Artikel zu den Marvel-Filmen habe ich als einzigen links liegen gelassen, das interessiert mich nicht die Bohne.

Die Ketzerschrift gegen die Heiligenverehrung der frühen Marvels: ich habe den Artikel zweimal gelesen, aber ich weiß immer noch nicht, was er mir sagen will. Ich dachte erst, es ginge darum, dass die ersten zwei, drei Jahre von Marvel zeichnerisch und inhaltlich nicht immer so der Hit waren (was ich voll unterschreiben würde). Aber darum geht es gar nicht. Sondern zum einen wird behauptet, dass die Marvels gar nicht so neu gewesen wären, weil es Superhelden in Strumpfhosen auch vorher schon gab (klar), und am Ende wird dann eine Verbindung zu QAnon gezogen und behauptet, die Sehnsucht nach Superhelden wäre die Sehnsucht unmündiger Massen nach einem starken Führer. Hm, letzteres ist doch sehr an den Haaren herbeigezogen. Und dann kommt eine Seite mit DC-Covern, die zeigen sollen, dass auch DC schon Helden mit privaten Problemen gezeigt hat, aber, sorry, diese Cover belegen für mich gerade die Aussage, dass Marvel eben anders war: ein Superboy auf dem Cover, der vom Pflegevater einen Klapps auf den Hintern bekommen soll; ein Superman, der bei der Straßenreinigung arbeitet; ein Superman, der Dutzende von Hamburgern in sich reinstopft: das ist doch keine feine Selbstironie, das ist alles total lächerlich, so etwas wäre bei Marvel in den 60ern eben nicht auf ein Cover gekommen. Na ja, let's agree to disagree.

Das Nick-Buch von Kai Stellmann: diesen Beitrag fand ich richtig spannend. Ich kenne nicht viel von Wäscher; mag sein, dass diese ganzen Anleihen bei u.a. Brick Bradford schon bekannt waren, mir war das neu, und ich finde diese Fleißarbeit von Kai Stellmann total klasse. Robert Wagner finde ich auch etwas an den Haaren herbeigezogen, aber Janet Leigh/Jane Lee klingt plausibel. Jedenfalls scheint das Buch sehr amüsant zu sein, vielleicht greife ich da doch noch zu.

Heiner Jahnckes "Schlussbemerkungen" sind wie immer total interessant; ich bin sicher, er kann uns noch so viele Schätze zeigen, dass man ihm auch 3 Seiten geben könnte (und dafür die Bestsellerliste streichen...).

Letzter Satz: sehr positiv fällt mir auch immer auf, dass die Sprechblase in Sachen Grammatik, Rechtschreibung, Zeichensetzung überkorrekt ist (mir ist im ganzen Heft bisher nur ein "sind" aufgefallen, das ein "sich" sein müsste). Das ist heutzutage nicht selbstverständlich (auch weil so viel "im Eigenverlag" produziert wird und man glaubt, sich einen Korrekturleser sparen zu können). Großes Lob!

Also Leute, kauft das Heft, solange es noch zu haben ist; die Papierpreise steigen, vielleicht werden die Sprechblasen bald nachts weggeklaut wie die Kupferkabel bei der Bahn.
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