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Alt 04.06.2019, 17:36   #54  
Peter L. Opmann
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Der mächtige Thor (Williams) 11

Erscheinungstermin: 11/1974

Originalausgabe:
1) Journey into Mystery # 93
2) Silver Surfer # 4

Story-Titel:
1) Der mächtige Thor gegen den mysteriösen Radioaktiven
2) ohne Titel (Das Gute, das Böse und das Unheimliche!)

Original-Storytitel:
1) The mysterious Radio-Active Man!
3) The Good, the Bad and the Uncanny!

Zeichnungen:
1) Jack Kirby / Dick Ayers
3) John Buscema / Sal Buscema

Text:
1) Stan Lee / R. Berns
3) Stan Lee



Dieses Heft habe ich relativ früh gelesen, allerdings in einem Superband. Ich glaube inzwischen, daß Band 12 meine erste „Thor“-Ausgabe war, ich aber gern schon eher ein Heft gekauft hätte (siehe „Thor“ # 7). An der Ausgabe fällt das eine oder andere auf. Zunächst mal kehrt Jack Kirby mit Dick Ayers noch einmal als Zeichner zurück, dann folgen wieder ein paar Ausgaben, die Joe Sinnott gestaltet hat. Wir sind hier wieder im Kalten Krieg und in gewissem Sinn innerhalb der Doktrin der atomaren Abschreckung. Die Story ist einmal mehr ziemlich naiv, aber doch deutlich komplexer als die, die wir zuletzt gelesen haben. Der Radioaktive hat bei mir als Kind durchaus Eindruck hinterlassen. Er hat jedenfalls mehr von einem Superschurken als die Figuren, mit denen es Thor bisher zu tun hatte.

Alles ist auf die Konfrontation des Radioaktiven mit Thor konzentriert. Er bekommt eine Origin-Story, und die ist eingebettet in einen Konflikt von Indien mit einem kommunistischen fernöstlichen Land, das hier Tyrannia getauft wird (und dessen Bewohner eindeutig wie Chinesen aussehen). Man kann an den Kaschmir-Konflikt denken. Dr. Don Blake fordert, daß sich die USA außer mit Waffenlieferungen auch mit humanitärer (medizinischer) Hilfe engagieren müssen. Vorerst wehrt Thor aber einen Panzerangriff von Tyrannia ab, wie wir das ähnlich in Thor # 2 und 5 schon gesehen haben. Schließlich verschließt Thor einen Gebirgspaß und schickt ein Unwetter, das die tyrannische Armee schwer trifft.

Der „große Boß“ (vielleicht Mao Tse Tung) beauftragt darauf einen Wissenschaftler, Thor zu vernichten. Der ist bereits vorbereitet. Er hat eine Menge radioaktiver Experimente angestellt, um einen unbesiegbaren Kämpfer zu schaffen. Im letzten Moment beschließt er, selbst dieser Kämpfer zu werden. Hier sehen wir die typische Marvel-Formel, daß Superhelden durch Einwirkung radioaktiver Strahlung entstehen. Die Umwandlung glückt; der Radioaktive (ganz grün und von gedrungener Gestalt, erinnert ein bißchen an den Hulk) reist in einem U-Boot nach New York, um dort Thor herauszufordern. Aber Thor kommt nicht. Don Blake ist wegen einer schwierigen Operation verhindert (bisher hatte ich ihn eher als eine Art Hausarzt gesehen). Dann kann er sich endlich vom Krankenhaus loseisen und dem Radioaktiven gegenübertreten. Doch sein Hammer prallt wirkungslos von ihm ab, Blitze können ihm ebenfalls nichts anhaben. Der Radioaktive hypnotisiert dagegen den Donnergott (eine eigenwillige Wirkung von Radioaktivität).

Wie befohlen, wirft der willenlose Thor seinen Hammer weg – weit weg. Eine kleine witzige Szene: Der Radioaktive schimpft Thor aus, weil er nun den Hammer suchen muß. Kaum ist er weg, verwandelt sich Thor in Blake und wird von der Hypnose frei. Der Radioaktive kommt noch einmal vorbei, aber Blake schickt ihn auf den Holzweg. Mithilfe eines Röntgenapparats (!) findet Blake den Hammer, der nicht zum Stock geworden ist, im Hudson River wieder. Er fährt hin und taucht. Die Luft in seiner Lunge muß nur bis zum Grund reichen, dort wird er wieder zu Thor. Er kehrt zum Radioaktiven zurück, erzeugt einen Wirbelsturm und schickt seinen Gegner damit nach China. In einem Gebirge läßt er ihn wie eine Atombombe detonieren (Nonsense, aber doch irgendwie beeindruckend). Das letzte Bild bringt den üblichen Dialog zwischen Blake und Jane Foster.

Immerhin ist das mal wieder eine Thor-Story, die ganz ihrem Konflikt gewidmet ist – ohne unsinnige Nebenhandlungen. Ärgerlicherweise wird das verbrecherische Regime von Tyrannia mit dem ganzen Volk gleichgesetzt; es ist eben eine stramm ideologische Geschichte. Der Radioaktive ist ein recht respektabler Thor-Gegner. Da er aber erstmal eingeführt werden muß, läuft der Kampf nur auf den letzten vier Seiten ab. Dabei gerät mit Radioaktivität und Hypnose einiges durcheinander, aber ein kindlicher Leser kennt sich mit diesen Dingen ja auch nicht aus. Jack Kirbys Zeichnungen gefallen mir recht gut. Unerklärlicherweise verwendet er hier meist nicht sein Standard-Seitenlayout. Vielleicht hat er sich damit an Joe Sinnott angeglichen, vielleicht hat Sinnott sogar noch erste Entwürfe gemacht. Fazit: Nach mehreren ziemlich schlechten Thor-Episoden ist diese – trotz einiger Mängel – nicht ganz so schlecht ausgefallen.
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