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Alt 16.03.2016, 19:19   #72  
Servalan
Moderatorin Internationale Comics
 
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Standard Suchst du die Geschichte? Oder sucht die Geschichte dich?

Zitat:
Zitat von Peter L. Opmann Beitrag anzeigen
Ein einfaches Motiv, das ich aber nicht unterschätzen möchte, ist, daß man eine Geschichte erzählen will. Ich glaube, viele Menschen haben den Kopf voller Geschichten - die sind halt nicht unbedingt alle zu Literatur formbar. In unseren postmodernen Zeiten, in der angeblich alle Geschichten längst erzählt sind, ist das zudem problematisch.
Ohne einen Haufen Papier läuft die Chose nicht.
Wer schreibt, wird schnell merken, daß reines Improvisieren auf die Dauer in trostlosen Sackgassen endet. Entweder versanden die Geschichten, weil sogar das Schreiben zur langweiligen Fleißaufgabe wird - dann merkt die oder der Verfasser selbst, daß etwas schiefläuft.
Oder alles läuft reibungslos, und die Seiten füllen sich, obwohl kein Ende abzusehen ist. Falls ein Unbefangener das Zeug in die Hände bekommt, wird dessen anfängliches Interesse allzu schnell erlahmen, weil sich zuviel wiederholt oder der Inhalt den Ansprüchen nicht gerecht wurde.

Wenn ich über etwas schreibe, brauche ich einen Draht zum Thema und muß mich insoweit auskennen, daß ich mit Experten produktiv diskutieren kann.
Im Laufe bekommen wir (als Vertreter unserer Spezies Homo sapiens sapinens) spitz, was uns liegt und was uns kaltläßt.
Deshalb: Ruhig den eigenen Gefühlen vertrauen!

Die ersten Jahrzehnte vergehen meist damit, sich eine Orientierung und ein fundiertes Grundwissen zu erarbeiten. Nicht alles davon wird in der Schule gepaukt.
Wer sich für spezielle Sach- und Fachgebiete interessiert, muß von sich aus aktiv werden und sich kundig machen. Manchmal reicht es, Fachleute zu fragen, ob dieser oder jener Sachverhalt richtig geschildert ist - solange es nur um Details geht.
Mit den Medien sind die Ansprüche des Publikums gewachsen: Wenn ich in einem Krimi meine Figuren bei einer Ermittlung begleite, sollte ich mich dabei am korrekten Verfahren orientieren. Aus dramaturgischen Gründen wird das nicht immer möglich sein, denn die poetische Lizenz zum Verbiegen der Fakten sollte mit Bedacht und so selten wie möglich genutzt werden.

Dieser Maßstab gilt auch für Werke der Fantasy und der Science-Fiction, die ja allgemein als "eskapistische Fluchtliteratur" (ein Oxymoron) geringgeschätzt werden. Wenn ich die Erfolge der letzten Jahre betrachte - von JK Rowling über Suzanne Collins bis zu George R.R. Martin -, dann sehe etwas vor mir, das Scott McCloud als Weltenbau bezeichnet. (Bestimmte Sachverhalte lassen sich heute leider nicht in einen Gegenwartsroman bannen, ohne mit einem fürchterlichen Shitstorm abgestraft zu werden.)
Jede fiktive Welt muß in sich schlüssig sein und zumindest im Moment der Lektüre Sinn ergeben. Wer sattelfest darin ist, kann den nächsten Schritt wagen, und mit der Struktur spielen: Drogen, virtuelle Realität (die vielzitierte "Matrix") und unzuverlässige Erzähler zum Beispiel können das Spiel zwischen der Geschichte und dem Publikum bereichern.

Recherche tut also not. Sie sollte ein vertrautes, ein selbstverständliches Handwerkszeug sein.

Endlose Monologe nerven mich, ich ziehe Dialoge vor.
Nach und nach werde ich das mit der Recherche vertiefen. Wer gute Vorschläge und hilfreiche Kommentaree hat, ist willkommen.
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