Thema: Bücher-Café
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Alt 22.10.2014, 11:18   #109  
Servalan
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Kindler Kulturgeschichte Europas in 20 Bänden, dtv 1983
Die "einmalige Sonderausgabe" (so hieß es im Impressum) habe ich damals geschenkt bekommen und in meinen letzten Schuljahren eher (selten) als Nachschlagewerk genutzt. Die schwere Kassette mit den Taschenbüchern auf zwei Ebenen haben dann jahrelang Staub gefangen.
Weil ich endlich mal meine Kenntnisse aus dem Geschichtsunterricht auffrischen wollte, habe ich mich nach und nach durch sämtliche Bände gelesen. Dabei ist mir die immense Spanne der Daten aufgefallen, in denen die einzelnen Bände erstmals veröffentlicht wurde - fast fünfzig Jahre. Wenn ein Band mal in den 1970er Jahren überarbeitet worden war, konnte ich mich glücklich schätzen.

Der Fokus des Werks liegt auf der Kulturgeschichte, deshalb wird ein gewisses historisches Niveau vorausgesetzt. Die Bände sind unterschiedlich gealtert, was mir seltsame Erlebnisse beschert hat: In seinen Mittelalter-Bänden nutzt Friedrich Heer beispielsweise liebend gern "Atomkraftwerk" als postive Metapher - das ist für ihn eine Black Box, aus der nur Gutes kommt.
Emil Nack in seinem Germanen-Band schwafelt vom Herrenmenschentum der Germanen, dabei sträubten sich mir die Nackenhaare.
Die Kassette scheint aus der Sparte des Verlags zusammengestoppelt zu sein, denn auch im Stil unterscheiden sich die Bände - das reicht von einem penibler und trockener Wissenschaftlichkeit im ersten Band (Vorgeschichte Europas) über juristisch-politikwissenschaftliche Studien (Der britische Commonwealth) bis zu allgemeinverständlichen Schreibweisen (Zeitalter der Entdeckungen).

Am interessanten fand ich zu meiner Überraschung jene Bände, die sich dem Übergang von einer Epoche in eine andere widmeten, zunächst Der Hellenismus und Die Spätantike, später Die Renaissance, Das Zeitalter der Entdeckungen und Europa im 19. Jahrhundert.
Je länger meine Lektüre dauerte, desto tiefer wurde mein Einblick in das allgemeine menschliche Verhalten: Das sich etwas Nützliches durchsetzt, ist keine Selbstverständlichkeit, unsere Spezies scheint eher ein Gewohnheitstier zu sein, das vertraute Marotten gern weiterpflegt. Erfindungen und Erkenntnisse mußten sich mühsam gegen heftige Widerstände durchsetzen, und bis etwas alltäglich wurde, verging meist eine Generation (sprich zwanzig Jahre). Die längste Zeit bestimmte ein Durchwursteln die Geschichte.
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