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Alt 26.09.2021, 11:14   #4914  
God_W.
Captain Rezi
 
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The Walking Dead – Kompendium 4



Auf Disney+ läuft gerade die finale Staffel der erfolgreichsten Zombie-Serie aller Zeiten, Grund genug für mich endlich mal ein paar Worte zum finalen Comic-Kompendium zu verlieren, welches ich schon vor einigen Monaten beendet habe. Grundsätzlich wurde der rote Faden der Comics in der Serie ja beibehalten, es wurden sich aber sowohl in den Storyfeinheiten, als auch bei den Charakteren so einige Freiheiten genommen. Prinzipiell finde ich das eine gute Sache, denn zum einen hält das die Spannung oben, auch wenn man eines von beidem, also Comics oder Serie, schon kennt und andererseits kann man gerade bei der Serie Charaktere, die nicht so gut funktionieren einfach wieder „rausschreiben“ und dafür Fanlieblinge etwas länger dabei behalten, als es in der Vorlage der Fall war. Das hängt ja auch immer ein Stück weit vom Schauspieler ab. Wer die Vorgängerbände noch nicht kennt, die Rezi kann ein paar Spoiler dazu enthalten, aber da die Reihe jetzt doch schon so einige Jahre auf dem Buckel hat, der finale Kompendium-Band erschien immerhin bereits vor knapp zwei Jahren, setze ich keine Spoiler-Tags.

Ezekiels Kopf auf einem Pfahl, mit dieser traumatischen Szene endete das dritte Kompendium und exakt da steigen wir auch wieder ein. Alpha, die Anführerin der Flüsterer hat ihrer Drohung, die sie mit einem Meer aus Beißern im Rücken ausgesprochen hat, Nachdruck verliehen und ihre Grenze, die Rick und seine Truppe tunlichst meiden sollen, auf die denkbar furchtbarste Weise abgesteckt. Eine Katastrophe von derartigen Ausmaßen sorgt nicht nur für nackte Angst, Wut, Hass und Zorn, vor allem schürt sie auch Zwietracht in der Gemeinschaft, denn jeder hat seine eigene Auffassung davon, wie mit der Situation umgegangen werden sollte. Hier packt Robert Kirkman wieder seine größte Stärke aus, denn nicht das blutige Treiben steht im Vordergrund, sondern das Drama um die Charaktere, ihre Entscheidungen, die Dinge mit denen sie hadern oder fertig werden müssen. Absolut packend, stimmig und ganz großes Kino.

Natürlich mündet das Ganze dann schließlich doch in den großen Krieg mit den Flüsterern, in dem die schwersten Geschütze aufgefahren werden. Selbst Negan „entkommt“ aus seiner Zelle und wird erneut zu einer zentralen Figur, die Ereignisse überschlagen sich und auch die Action kommt selbstredend nicht zu kurz. Am Ende wird überdeutlich wie bitter ein Sieg sein kann, egal wer ihn erringt. Eine große Tragödie, die noch lange nicht das Ende unserer Reise durch die von untoten bevölkerte, apokalyptische Welt darstellt, denn mit satten 1.160 Seiten hat dieser vierte und letzte Band der Cross Cult Gesamtausgabe noch Einiges zu bieten.

Geheimnisvolle Funksprüche werden empfangen, eine schöne neue Welt wird versprochen. Sicherheit vor den Zombiehorden, kein Hunger, keine Angst, sondern ein friedliches Leben in geordneten Bahnen. Ein Traum, fast zu schön, um wahr zu sein. Aber nur fast? Oder ist es doch möglich? Oder ist die Rückkehr zu unseren Werten, und unserem Dasein, wie es vor der Apokalypse war im Grunde das größere Übel? Haben wir gar nicht bemerkt wie wir uns schleichend selbst in den Abgrund gestürzt haben? Welche Lebensweise ist die Verrückte und wie wird man im Grunde seines Herzens glücklich und zufrieden? Das sind schon große Fragen, die Mister Kirkman hier auf den Tisch bringt und eine abschließende Antwort bleibt er natürlich schuldig.

Auch wenn dieser (vor-)letzte Abschnitt der langen Reise, die wir mit den uns ans Herz gewachsenen Personen beschreiten etwas zu vorhersehbar vonstattengeht, führt uns die Geschichte doch zu einem wirklich befriedigenden Ende. Ja, die überwältigende Qualität einiger Abschnitte dieser wahrlich umfangreichen Tour de Force kann beim Finale nicht mehr ganz erreicht werden, aber wir sind meilenweit entfernt von einem schwachen Ende. Die kleinen Makel hinten raus kann man eigentlich alle verzeihen, denn es ist wirklich ein runder Abschluss zu einem sehr gut gewählten Zeitpunkt, auch wenn keine große Bombe mehr zum Platzen gebracht wird. Kirkman schafft es sogar auf den letzten Metern noch interessante, neue Charaktere zu etablieren, zu denen man direkt wieder eine Bindung aufbauen kann. Paradebeispiel ist die quirlige, etwas verrückte Prinzess, in der Serie hervorragend dargestellt von Paola Lázaro.

Natürlich wird man Ende einer so langen Reise auch etwas wehmütig, und so sind es die letzten Worte, die Robert Kirkman als Post Scriptum an sein Nachwort angehängt hat, die Hoffnung machen, vielleicht eines Tages in diese zwar furchterregende aber auch faszinierende Welt zurückkehren zu können, die er geschaffen hat. Insgesamt ist TWD nämlich ganz sicher ein Meisterwerk, Robert Kirkmans Opus Magnum und als Gesamtwerk auf alle Fälle eine volle 10 Wert. Das Finale ist minimal dahinter anzusiedeln, wie ich meine. Sei es drum, nicht jeder hat die Courage eine erfolgreiche Serie zu einem gütlichen Ende zu bringen, bevor sie sich totgelaufen (kleines Wortspiel ) hat. Chapeau Mr. Kirkman.

9/10

Jetzt bin ich gespannt wie ein Flitzebogen, was die TV-Macher mit dem Finale angestellt haben und, wie sie das Ganze zu Ende bringen. Ich werde noch etwas warten, bis ich mit den ersten Folgen der letzten Staffel beginne, sonst werde ich mittendrin wieder so ausgebremst.

VG, God_W.
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