Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 16.07.2021, 22:02   #93  
Bimmelbahn
Mitglied (unverifiziert)
 
Benutzerbild von Bimmelbahn
 
Ort: Hamburg
Beiträge: 122
Ich bin ja zur Zeit am schmökern in den Redaktionellen Teilen der Sammelbände. Nachdem ich auf ein interessantes Interview mit Dräger gestoßen bin, dass ein für mich neues Licht auf die Zusammenarbeit zwischen Künstlerischem Leiter und dem Kollektiv warf (in dem es ihn so manches Mal quasi ausbootete, oder vor vollendete Tatsachen stellte) habe ich dieses Mal ein Interview mit Jens Schubert gefunden.

Er stand ja hier auch so manches Mal in der Kritik, weil es zur Zeit (für uns) nicht so rund läuft in Sachen Spannung und Story und ich finde es erklärt (für mich) ein wenig seine Sichtweise resultierend aus der Wendezeit, dem Generationenwechsel der Autoren (als Dräger das Mosaik verließ) und Schubert mit Walter Hackel zusammenarbeite.

Ich steige mal mit der Frage von Markus Lippold an Schubert ein:

Zitat:
Frage: Haben sich mit der Wende auch die Abrafaxe geändert?

J.S.:

Sie sollten nicht mehr der Sidekick von Spassmachern sein, sondern selber als Hauptfiguren agieren. Also versuchten wir, die Abrafaxe noch mehr als Handlungsträger zu etablieren, sie sollten fester mit der jeweiligen Geschichte verwoben werden. Abrax wurde Ritter, Brabax ein Gelehrter..
Das funktionierte nicht so gut wie wir gehofft hatten. Es war nicht leicht, eine Ballance zu finden zwischen den Erwartungen der treuen Leserschaft und der Herausforderung, neue Leser anzusprechen. Denn das war ja unter den neuen marktwirtschaftlichen Bedingungen auch erforderlich

Frage: War es schwierig, einen eigenen Stil zu finden als Autor? Denn Lothar Dräger hatte ja über Jahrzehntedas Heft geprägt.

J.S.:

Es war ein Spagat. Die Rahmenbedingungen hatten sich komplett verändert. In der DDR gab es diesen geschützten Markt, ohne Konkurrenz, wo Auflagen von einer Million Exemplaren gedruckt wurden.nach der Wende hatte alles, was aus der DDR kam, es erstmal schwer. Die Existenz der Zeitschrift Mosaik stand ohnehin auf der Kippe.
Einerseits dachten wir, so geht es nicht weiter. Wir wollten ja auch die Kinder erreichen, die jetzt einer riesen Wundertüte von Unterhaltungsangeboten wählen konnten. Andererseits musste das Mosaik aber so bleiben, man konnte ja nicht sein eigenes Ding machen, sondern musste Rücksicht auf die alten Fans nehmen, die grosse Veränderungen ablehnten (gekürzt)

Frage: Wie werden Serien konzipiert? Kommen die Vorschläge vom Autor, von der Geschäftsleitung oder vom künstlerischen Leiter?

J.S.:

Ideen werden immer gesammelt, auch in Gesprächen mit Zeichnern. Anregungen von aussen, zum Beispiel aus der Fanszene oder der Leserpost, werden ebenfalls diskutiert. und Autoren haben haben ja auch Themen, die sie schon immer mal erzählen wollten.
Irgendwann kommt dann mal der Punkt, an dem der Autor ein Thema aufgreift und fragt: "Könnt ihr euch das vorstellen? Wir würden das gerne so machen." Aber erst wenn wir uns in der Redaktion geeinigt haben, geht es mit dem Schreiben los.

Über die Jahre habe ich gelernt, dass man dabei die Zeichner als Partner braucht. Es gab immer wieder turbulente Zeiten: Autoren haben ja eine Vorstellung im Kopf, wie eine Szene aussehen soll.
Wenn die Zeichner sie dann anders umsetzen, sind die Autoren beleidigt und beschimpfen die Zeichner als Diletanten. Und Zeichner sagen, die Story sei so dämlich, da könne man gar nicht besser zeichnen.

Als ich dann nach einer Pause wieder mit der Weltreise-Serie als Autor eingestiegen bin, wollte ich von Anfang an mit den Zeichnern zusammenarbeiten, schon bei der Konzeption der Serie. Das hat sich wirklich ausgezahlt. Für meine Nerven und für die Geschichte.

Frage: Das Mosaik lebt von Zyklen und Serien. Ist das für den Autor leichter, weil er Zeit hat, einen Spannungsbogen aufzubauen, oder ist es schwieriger, weil eine lange Geschichte konsistent bleiben muss und er gleichzeitig in jedem Heft einen kleinen Bogen spannen, eine kleine Geschichte erzählen muss?

J.S.:

Beides trifft zu. Ich finde es wichtig, einen grossen Handlungsbogen zu haben. Dieser sollte aber nach 2 Jahren abgeschlossen sein, einen Anfang und ein Ende haben.
Das Zeitfenster, in dem Kinder Zeitschriften wie das Mosaik lesen, ist nicht sehr groß. Da wollen wollen wir wenigstens eine Geschichte komplett erzählen Mir selbst kommt das auch beim Schreiben entgegen: Es gibt dieses treibende Element, die Handlung kommt in fast jedem Heftein Stück voran.
Das Ziel grosse Ziel, das am Ende steht, erzeugt eine Grundspannung. Und trotzdem hat man Geschichten, die in innerhalb von einem, oder zwei Heften abgeschlossen werden. Das ist für mich eine interessante Konstellation.
Aber letztlich geht es nicht um die Befindlichkeiten des Autors. Es hat sich herausgestellt, dass die Leser diese Struktur bevorzugen. und wir machen das Mosaik ja nicht für uns.

Frage: Unterscheidet sich das Schreiben heute von dem vor 15 Jahren, als es noch kein Internet und kaum Computer gab?

J.S:

Ohne Frage. Wenn wir so arbeiten würden wie vor 20 Jahren, würde das Mosaik nur vierteljährlich erscheinen. Wir haben fast doppelt so viele Comic-Seiten, dazu den aufwändigen Mittelteil.
Die Recherchemöglichkeiten des Internets sind da schon sehr hilfreich. Ich kann viele Dinge ganz schnell klären. Selbst wenn ich während des Schreibens eine Idee habe, die eine historische Figur oder eine bestimmte Kulturtechnik betrifft, kann ich das sofort klären, ob das überhaupt in den historische Umfeld der Geschichte passt.

Trotzdem gibt es natürlich Fragen, die sich auf diesem Wege nicht klären lassen. Gerade bei der Konzeption einer Serie gehe ich auch in Bibliotheken oder nutze meine eigene Handbibliothek.
Es stellt sich allerdings die Frage, wie hoch der Anspruch auf historische Genauigkeit sein muss. Wir sind eine Bildergeschichte für Kinder. Unser Ziel ist es, ein Gefühl für Lebensumstände in einer bestimmten historischen Epoche zu wecken. Das gelingt uns ganz gut, finde ich

(Quelle Mosaik Sammelband 39 aus dem Jahr 2008, Interview Markus Lippold Jens Schubert. Das Interview wurde von mir nicht vollständig wiedergegeben, nur in Auszügen)


Geändert von Bimmelbahn (17.07.2021 um 10:13 Uhr)
Bimmelbahn ist offline   Mit Zitat antworten