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Alt 06.08.2019, 20:43   #136  
Peter L. Opmann
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Die Spinne (Williams) 70 und 71
(= Der mächtige Thor 35)

Erscheinungstermin: 11/1976

Originalausgabe:
1) Journey into Mystery # 117

Story-Titel:
1) Schlachtgetümmel - kampfestoll

Original-Storytitel:
1) Into the Blaze of Battle!

Zeichnungen:
1) Jack Kirby / Vince Colletta

Text:
1) Stan Lee



Das war die Ausgabe, mit der ich wieder bei Williams eingestiegen bin. Ich war damals zwölf (jedenfalls, als der Phasenvertrieb in meiner Heimatstadt angekommen war) und hatte nun genug Taschengeld, um mir alle Ausgaben von „Spinne“, „Rächer“ und „FV“ (etwas später auch „Horror“ von DC) zu kaufen. Ich war schon überrascht, was sich seit den Williams-Anfangstagen alles verändert hatte – abgesehen davon, daß es einige Titel einfach nicht mehr gab. Dazu zählte auch, daß „Thor“ jetzt Zweitserie der „Spinne“ war. Und die Serie selbst hatte sich ebenfalls sehr verändert. Die für mich typische „Thor“-Ausgabe war bis dahin, sagen wir: die # 12. Was Thor im Vietnamkrieg verloren hatte, war mir völlig unklar. Und ich erfuhr auch vorerst nur, daß Thor hinter irgendwelchen Nornensteinen her war – ich wußte nur vage, was es mit ihnen auf sich hatte.

Okay, das Gottesurteil ist da. Thor kehrt erst nach Loki nach Asgard zurück, beschuldigt ihn aber sofort, regelwidrig gekämpft zu haben. Loki hat praktischerweise vorher die Steine „weggezaubert“. Im Würgegriff Thors gesteht er ihm lediglich, daß sie sich auf der Erde befinden. Ansonsten leugnet er. Odin, der „Allwissende“, weiß nun nicht, wie er in dem Streit entscheiden soll. Weil Thor aber viele Verdienste hat, erlaubt er ihm, die Steine binnen 24 Stunden als Beweis herbeizuschaffen („falls sie existieren“). Thor kehrt zur Erde zurück und trifft dort die Zauberin und den Henker an, die sich mit Balder und der Geisel Jane Foster herumplagen. Schnell lassen sie von dem Mädchen ab. Balder löscht Janes Gedächtnis, und Thor versucht, mit seinem Uru-Hammer die Nornensteine zu orten. Das führt ihn nach Vietnam, genau zu einem Stützpunkt der Vietkong, die ihn sofort unter Beschuß nehmen. Von einer Granate getroffen, wird Thor bewußtlos (daß er so leicht auszuschalten ist, läßt aufhorchen). Bei einer von den Kommunisten verfolgten Familie wacht er wieder auf. Sie hat ihn todesmutig in ihrer Hütte versteckt. Er will seine Suche sofort fortsetzen, sieht aber auch, daß er den armen Leuten helfen müßte.

Durch den dichten Dschungel kann Thor besser in Gestalt Don Blakes streifen. Er wird dabei aber ständig von Loki beobachtet, der ihm einen Trupp Vietkong sendet, der ihn festnimmt. Blake wird zum Kommandeur gebracht und verhört. Er soll vor allem sagen, wo sich Thor aufhält. Blake schweigt. Als nächste bringen die Soldaten die Familie herein, die Thor beherbergt hat. Es stellt sich heraus, daß der Kommandeur zu dieser Familie gehört, aber sie verlassen hat, nachdem er vom Kommunismus verblendet wurde. Blake nutzt die Ablenkung, um zu fliehen. Er läßt sich so auf seinen Stock fallen, daß er wieder zu Thor wird. Den Beutel mit den Nornensteinen entdeckt er auf einem großen Haufen von Artilleriegeschossen. Thor erkennt, daß dahinter Lokis Plan steht, denn wenn das Waffenlager explodieren würde, wäre es selbst um Thor geschehen (hört, hört). Es gelingt ihm, den Beutel zu nehmen, ohne daß es zur Explosion kommt. Derweil kommt es zur letzten Konfrontation des kommunistischen Kommandeurs und seiner Familie. Im Affekt erschießt er seine Mutter und seinen Bruder. Endlich sieht er seine Verirrung ein. Thor will die überlebende Schwester in Sicherheit bringen und dann zurückkehren, um den Kommandeur zu bestrafen. Aber der kommt ihm zuvor, bringt das Waffenlager zur Detonation und richtet so sich selbst.

Kein Wunder, daß mich diese Story vor 40 Jahren irritiert hat, denn sie hat nicht die gewohnte abgeschlossene Struktur. Thor hat nun die Nornensteine, aber es muß sich erst herausstellen, wozu sie ihm dienen (auch wenn das in den Zusammenfassungen in Grundzügen erklärt wird). Mir fällt auch heute eine Beurteilung der Episode schwer. Zunächst sind da wieder die Ungereimtheiten, vor allem die haarsträubende Unwissenheit Odins, dann auch die Gefahr, die Thor (einem Unsterblichen) von einem Stapel Geschosse droht. Man sieht aber auch: Je schwächer und unvollkommener die Akteure sind, desto dramatischer können die Verwicklungen sein, in die sie geraten. Es bleibt auch noch vieles offen: Wie wird nun Odin entscheiden? Hat Loki noch ein paar Ränke in Reserve (es scheint so)? Im Übrigen: Hat Loki wirklich gedacht, daß er die Steine im Chaos des Vietnamkriegs verbergen könnte? Zeittypisch ergibt sich die Botschaft, daß die Amerikaner in diesem Chaos endlich mal richtig aufräumen müssen; der Krieg ist also aus US-Sicht absolut gerechtfertigt. Thor ist dabei der idealtypische gute Amerikaner. Das war die Perspektive im Jahr 1965 – zwei bis drei Jahre später sah alles völlig anders aus. Was die Grafik betrifft, macht Vince Colletta seine Sache schon wesentlich besser als im vorherigen Thor-Heft. Ich würde aber Chic Stone als Inker nach wie vor vorziehen.


Geändert von underduck (06.08.2019 um 22:03 Uhr) Grund: Cover eingefügt
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