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Alt 23.11.2016, 16:53   #3513  
Peter L. Opmann
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So, hier ein paar Bemerkungen zu den beiden von Williams ausgelassenen Ausgaben:

FF Annual # 3

Klar, diese Ausgabe ist grottenschlecht. Darüber braucht man nicht zu diskutieren. Vielleicht hat Williams seinerzeit absichtlich darauf verzichtet, so etwas in seiner FV-Serie zu bringen. Aber warum ist das Annual so schlecht geworden? Stan Lee hat sich offensichtlich zu sehr auf seine Idee verlassen, so viele Helden und Schurken wie möglich im Heft zu versammeln. Es ergibt sich ein Effekt, der sich später – etwa bei FF # 100 oder auch Spider-Man # 100 – immer wieder beobachten lässt: Beim Massenauftrieb wird nur die einzelne Figur abgewertet. Durch die atemlose Abfolge von Gaststar-Auftritten wird sogar die Hochzeit von Reed und Sue, der Anlaß oder Vorwand dieser All-Star-Story, an den Rand gedrückt.

Es sind ganz hübsche Ideen dabei, die aber alle daran kranken, daß sie nicht weiterverfolgt werden: das Eingreifen von Dr. Strange, der X-Men oder der Rächer, die aber gleich wieder im Chaos untergehen. Am Ende bedarf es einer vom Beobachter zur Verfügung gestellten Maschine, mit der Reed sämtliche Bösewichte verschwinden läßt – auch von Dr. Doom, der alles wohl ausgelöst hat, ist da längst nichts mehr zu sehen oder zu hören. Nett ist auch der Cameo-Auftritt von Lee und Zeichner Jack Kirby (als sie selbst), aber der ist letztlich mit drei Panels verschenkt.

Ärgerlicher als die zusammengeschustert wirkende Handlung sind noch die Zeichnungen. Es hat den Anschein, als sei die Druckvorlage von sehr bescheidener Qualität gewesen. Aber darüber hinaus habe ich den Verdacht, daß Kirby, obwohl es sich nur um 23 Seiten handelt – also kaum mehr als in einer regulären Ausgabe, hier aus Zeitmangel im Originalformat gezeichnet hat. Schon auf dem Cover wirken die Figuren des Wimmelbildes recht krakelig, und auf den Innenseiten setzt sich das fort. Inker Vince Colletta kann da nichts rausreißen, sondern verschlimmert das Erscheinungsbild vielmehr noch. Das Annual war also gar nichts Besonderes, sondern mußte mehr schlecht als recht und unter großem Zeitdruck nebenbei produziert werden.

Hätte Marvel nicht eine Lösung finden können, andere Leute mit diesem Band zu betrauen? Für solche Fälle gab es doch Don Heck; um diese Zeit waren auch John Buscema, John Romita, Gene Colan schon eingestiegen, und es gab noch Leute wie Bill Everett, Werner Roth, Marie Severin… Müßig, darüber zu spekulieren, aber die Wahrscheinlichkeit ist hoch, daß das Annual uns dann mehr Freude gemacht hätte.

FF # 44

Bei diesem Heft kam mir der Gedanke, daß Stan Lee vielleicht an erster Stelle ein Meister der Exposition, der Einleitung einer Geschichte ist. Wobei er eigentlich an den Dreiteiler mit den Furchtbaren Vier anknüpft: Wir sehen, wohin Medusa geflüchtet ist, und auch der Drachenmann taucht nach längerer Zeit wieder auf. Zuerst wird uns aber auf der Splashpage ein bizarrer neuer Supertyp namens Gorgon vorgestellt, und dann beginnt Lee mit einer „Alltagsszene“: Reed konstruiert eine Geschirrspülmaschine. Johnny hält’s zuhause nicht aus und will mit seinem Sportwagen davonbrausen – da versteckt sich Medusa auf der Rückbank. Ab diesem Moment überschlagen sich die Ereignisse.

Gorgon beginnt, stampfend Beben zu erzeugen und stiehlt den Helikopter der FV; Medusa überwältigt die Fackel; der Drachenmann platzt dazwischen, irritiert den eintreffenden Gorgon, der nicht die FV angreifen, sondern Medusa abholen will. Bevor er sie erreicht hat, hat sie schon der Drachenmann mitsamt Johnnys Flitzer gekidnappt. Die FV mischen sich jetzt ein und stürzen sich ins Getümmel. Das ist sehr spannend erzählt, viele Handlungen sind zunächst rätselhaft (und bleiben es teilweise bis zum Ende des Hefts). Es mangelt nicht an Action, aber nicht motivationsfrei erzeugt, sondern als sinnvoller Bestandteil der Story. Auf den letzten acht Seiten braucht Lee allerdings nur noch die verschiedenen Akteure in immer neuer Kombination aufeinandertreffen zu lassen, um die Handlung voranzutreiben. Die Auseinandersetzung steigert sich sozusagen zum Crescendo, und dann folgt der Cliffhanger, als Gorgon ein ganzes Gebäude, in dem sich die FV befinden, zum Einsturz bringt.

Dies ist das Inking-Debüt von Joe Sinnott. Vielleicht hat er sich an Chic Stone orientiert, der auch einen sehr guten Job abgeliefert hat (FV # 26 bis 35). Aber er zeigt keinerlei Startschwierigkeiten, hat alle Figuren sofort im Griff. Nach dem Reinfall mit der Annual-Ausgabe kann auch Meister Kirby hier wieder Panel für Panel überzeugend und dramatisch aufbauen und zeichnet detailreich und originell. Das Cover allerdings zählt nicht zu den allerstärksten; auch das Experiment, den Hintergrund schwarzweiß zu lassen, überzeugt nicht so richtig.
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