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Alt 28.04.2015, 16:18   #17  
Phantom
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Tja, man glaubt es nicht, aber es ist so: es gibt Leute, die noch nie in einen Band der Illustrierten Deutschen Comicgeschichte gesehen haben. So war das bei mir; anfangs hatte ich schlicht kein Interesse (Lehning), dann waren mir die Bände zu teuer. Nun habe ich mir die ersten beiden Bände über den bsv-Verlag aus meiner Stadtbibliothek ausgeliehen. Und weil ja wohl einige aus diesem Forum daran mitgearbeitet haben, will ich ein paar kritische Gedanken zur Diskussion stellen, auch wenn die Bände schon 8 bzw. 6 Jahre alt sind.

Ja sicher, die "rechten" Seiten mit allen Coverabbildungen sind natürlich toll, wo gibt es das sonst. Nicht ganz perfekt finde ich die "linken" Seiten mit Zeichnerangaben und sonstigen Infos. Einerseits sind mir da zu viele Tippfehler ("Zeichenstiel"), fehlende (oder überflüssige) Kommata, Sätze ohne Verb. Schon klar, dass das ein Fanprojekt ist und dass es um den Inhalt geht. Aber das ist ja kein Fanzine für sechs Euro, sondern ein (zurecht) hochpreisiges Hardcoverwerk, das (auch zurecht) den Anspruch eines seriösen Nachschlagewerks hat. Da sollte man lieber einmal zuviel als zu wenig korrekturlesen (lassen).

Jetzt aber zu dem, was mich erheblich mehr stört: es gibt zu all den Informationen keinerlei Quellenangaben. Mir kann aber doch niemand erzählen, dass der Herausgeber alle Zeichner- und Texterzuordnungen ohne andere Listen oder Datenbanken selbst gemacht hat (bsv hat ja nicht alle Informationen in den Heften abgedruckt). Beispielhaft sind die umfangreichen Daten zu den Bildermärchen; da wurden doch bestimmt andere (amerikanische) Sekundärwerke herangezogen. Warum wird das nicht irgendwo vermerkt? (Muss ja nicht bei jeder einzelnen Zeichneridentifikation geschehen, aber vielleicht bei jeder Serie.)

Mir geht's nicht um Korinthenausscheidung. Ich will einfach nur wissen, ob ich den ganzen Informationen vertrauen kann oder ob ich im Zweifelsfall doch immer erst woanders nachschauen muss. Und keinerlei Quellenangaben sind für mich immer ein Warnzeichen. (Wie oft wurden Sachen immer wieder voneinander abgeschrieben, obwohl sie nicht belegt sind? Kann man im Internet ja ständig beobachten.)

Ich nehme mal zwei Beispiele aus meiner (sehr übersichtlichen) bsv-Sammlung zur Hand:

Bildschirm Abenteuer 509, Dr. Kildare, Der Gast aus China: da ist in der Illustrierten Deutschen Comicgeschichte als Zeichner Ken Bald angegeben. (Dieselbe Information steht übrigens auch im Comicguide und auf der bsv-Fanpage.) Wo kommt diese Identifikation her? Im Heft gibt es keine Angabe, auch keine Signatur. Ken Bald hat die Zeitungsstrips zu Dr. Kildare gezeichnet; dass er auch die Dell Comic Books gezeichnet hat, ist m.W. nirgends belegt. Ich finde auch nicht, dass die Zeichnungen nach Ken Bald aussehen. Wo kommt also diese Information her?

Bildschirm Detektiv 705, Der Doppelgänger: da ist als Zeichner in der Illustrierten Deutschen Comicgeschichte Alfred Sindall angegeben. (Dieselbe Information steht wiederum auch im Comicguide und auf der bsv-Fanpage.) Im Heft gibt es keine Angabe und keine Signatur. Alfred Sindall hat Paul Temple gezeichnet, aber es gab auch andere Zeichner. In der GCD ist die (identische) dänische Ausgabe dieses Hefts verzeichnet; dort wird behauptet, es handle sich um Strips von 1957, und der Zeichner folgerichtig mit McNamara angeben (Sindall hat Paul Temple angeblich nur bis 1954 gezeichnet). Ich weiß nicht, was stimmt, frage mich nur: woher kommt die Information, dass es sich um Sindall handelt? Glaubt der Autor den Zeichenstil von Sindall erkannt zu haben? Dann gibt es natürlich keine Quelle, und das wäre auch ok. Oder wurde das irgendwo abgeschrieben? Dann wäre es angebracht, die Quelle anzugeben.

Ich würde bei den Credits immer gern lesen, ob a) die Werke signiert sind (meist ohnehin nur von Zeichnern), b) die Angaben aus dem Heft stammen, c) die Angaben aus Quelle X übernommen wurden oder d) der Autor den Zeichner (anhand des Zeichenstils) selbst identifiziert hat. Was spricht gegen so ein Vorgehen?

Mir ist schon klar, dass es zum bsv nicht viele belegte Informationen gibt und das meiste auch nie mehr zum Vorschein kommen wird. Aber ich finde, in einem historischen Werk ("Geschichte" steht im Titel der Reihe) sollte schon genau unterschieden werden zwischen belegten Tatsachen und Vermutungen. Und Quellen- und/oder Literaturangaben finde ich eigentlich auch geboten. Dass in dem ganzen Projekt unheimlich viel Arbeit drinsteckt, ist mir natürlich bewusst, und das finde ich auch wirklich toll. Aber es gibt ja keinen Grund, gute Sachen nicht zu sehr guten zu machen.
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