Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 15.07.2016, 14:43   #161  
Detlef Lorenz
Operator 50er Jahre
 
Benutzerbild von Detlef Lorenz
 
Ort: Ahrensburg
Beiträge: 3.484
Nummer 36


Herman der Cherusker, Sieger über die Römer






HERMANN!, welcher klang, welcher Held, der Germanien von der Römerplage befreit hat. Alle jubelten ihm zu, vor allem die ab dem 19. Jahrhundert, denn Hermann … wieso eigentlich Hermann? Einen Helden solchen Namens ist uns aus der antiken Geschichtsschreibung nicht überliefert, vielleicht ist er ja ein Trug- ein Wunschbild eines in größere und kleinere Staaten zerrissenen Volkes. Hermann scheint eher ein Synonym eines starken Anführers zu sein, auf den das Volk gewartet hat – hat es das, oder eher die Mächtigen, die mächtiger werden wollten.

Wie dem auch sei, Hermann ist eine Eindeutschung des lateinischen Arminius, der uns aus mehreren antiken Quellen überliefert ist. Schließlich kann ein „Arminius“ nicht der Anführer eines Aufstandes gegen die Unterjochung ausländischer Mächte sein, es muss schon etwas einheimischer klingen. Hermann wurde als Vorbild für nationales Heldentum herausgestellt und von entsprechenden Kreisen immer mehr vereinnahmt. Die Eindeutschung des Namen Arminius zu Hermann soll zur Zeit und im Umfeld Martin Luthers stattgefunden haben. Das Hermannsdenkmal ist der übergroße Ausdruck dieses Nationalgedankens.






Hier sehen wir Arminius (im Text stets so genannt, hier mit dem Zusatz: „uns als Hermann bekannt“) in seine Hütte zurückkehren, begrüßt von seiner Frau und beider Kinder. Nur kurz der Hinweis, das Arminius zu dieser Zeit noch in römischen Diensten stand. Thusnelda, so ihr Name (und die kürzeste Allee in Berlin mit nur 100 Meter Länge und direkt auf die Arminius-Markthalle zuführend, nicht Hermann-Markthalle!), ist wohl erst um die Zeit der Auseinandersetzungen mit Varus seine Frau geworden. Seinen einzigen Sohn hat Arminius nie gesehen, da Segestes seine Tochter Thusnelda um das Jahr 15, zu dieser Zeit hochschwanger, freiwillig übergebenan die Römer hat. Segestes mochte Arminius nicht und dieser ihn ebenfalls nicht. Dort erst wurde Thumelicus (ein germanischer Name des Kindes ist nicht bekannt) geboren.

Während einer öffentlichen Bestrafungszeremonie im römischen Lager erscheint ein Offizier und „verbeugt sich vor Varus“. Soweit mir bekannt ist, ist die Ehrerbietungsgeste, vergleichbar mit der Hand an die Schläfe, das Schlagen der rechten Faust auf die linke Brustseite (man möge mich ev. korrigieren). Das Lager, in dem sich diese Szene abspielt, ist schon fast „natürlich“ einem Wildwest-Fort ähnlich. Römische Feldlager, auch wenn sie auf Zeit errichtet wurden, sahen so aus:




In der Regel wurde als erstes ein Graben ausgehoben, der Aushub als Wall aufgeschüttet. Oben drauf wurden angespitzte Pfähle eingerammt. Wenige Gebäude, vor allem im rechtsrheinischen Germanien, bestanden aus Stein (Verwaltungsgebäude), der Rest waren Holzbauten.

Der Verlauf der „Schlacht im Teutoburger Wald“ folgt im Heft ansonsten der Darstellung des römischen Historikers Cassius Dio, abgefasst etwa im Jahre 200. Dio schildert die Topografie als stark bewaldet, mit Moor durchdrungen, teilweise von sehr hohen felsigen Hügeln eingerahmt. Dem widerspricht natürlich die vor einigen Jahren in Osnabrücker Land bei Kalkriese aufgefundenen archäologischen Fundstellen. Anfangs glaubten die Historiker endlich den tatsächlichen Ort gefunden zu haben (es wurde sogar ein Museum errichtet), aber inzwischen mehren sich die Zweifel…







Auf dem letzten, Arminius zeigendem Bild, dankt er seinen Männern für die gezeigten Leistungen und fordert sie auf: „Geht nun wieder zu Frau und Kind zurück, und ich möchte nur hoffen, dass ich Euch nicht noch einmal zu rufen brauche, sondern wir alle in unserer Heimat in Frieden leben können!“ Ein doppelter frommer Wunsch, denn die Römer dachten mitnichten daran, Germania Magna so ohne weiteres aufzugeben. Außerdem galt es eine militärische Schmach zu tilgen und es erfolgten in den kommenden Jahren noch diverse Kämpfe zwischen ihnen und den Germanen, hauptsächlich unter der Führung Arminius´. Zusätzlich brachen unter den Germanen wieder die alten Streitigkeiten aus. Arminius zieht gegen die Markomanen, er selbst wird von Segestes entführt, flieht, greift die Befestigung seines Schwiegervaters an, dieser ruft die Römer zu Hilfe und wie es weiter geht, habe ich schon oben beschrieben.

Alles in Allem sind die Abläufe aber recht ordentlich wiedergegeben und gezeichnet, nur die überlangen „Kurzschwerter“ der Römer können leichtes Kopfschütteln bereiten. Der Schlusssatz der Geschichte ist wieder typisch für die Abenteuer der Weltgeschichte: „Mögen recht viele Jungen und Mädel diesen für die Geschichte so bedeutsamen Ort aufsuchen und an die Zeit zurückdenken, wo ein Mann wie Hermann der Cherusker im September des Jahres 9 nach Chr. den Mut fand, Männer um sich zu scharen, die den Kampf um die Freiheit ihres Volkes gegen fremde Herren aufnahmen und siegreich beendeten.“ Was haben die Germanen denn nun tatsächlich davon gehabt und wieso ist ihnen gelungen, was den Galliern unter Vercingetorix nicht gelang. Erst einmal hatten die Gallier eine deutlich höhere Kulturstufe als die Germanen. Es gab Straßen, richtige Städte, damit Zentren lokaler Machtausübung. Dies fehlte in den germanischen Wäldern, hier gab es hauptsächlich einzelne Höfe, kleine Siedlungen, aber kein Zentrum – außer befestigten Burgen ähnlicher Bauten der Stammesfürsten. Die Germanen versammelten sich, kämpften, zerstreuten sich, sammelten sich, usw. Die Römer stießen, im Gegensatz zu Gallien, in einen nachgiebigen Stammesverband, in dem man sich zusätzlich nicht einmal grundsätzlich einig war. Und was haben sie im Gebiet zwischen Rhein und Elbe von der Vertreibung der Römer gehabt: sie mussten immer damit rechnen, nach Plünderungen auf römischen Gebiet, denn dort gab es das, was in Germanien nicht produziert werden konnte, von Strafexpeditionen heimgesucht zu werden. Es war ihnen auch unmöglich eine Zentralregierung, selbst für einen Stamm, zu bilden. Sie blieben zerrissen, uneins, stets das Opfer stärkerer Nachbarn. Es hat sich also gelohnt …

Auf den Seiten 4 und 5 findet sich ein Widerspruch zur Lebensweise der Germanen (Lektor!). Im Artikel zur Einleitung des Heftes findet sich unter dem Titel: „Die Germanen“ (Seite 3-4) von –kp- folgender Satz, der die Germanen als kriegerisch aus eigenem Antrieb beschreibt: „Durch Verteilung der Beute, durch Geschenke von Pferden und Waffen und durch reichliche Bewirtung band der Häuptling seiner Männer enger an sich. Die Mittel lieferten Krieg und Raub*. Daher rührte auch die unersättliche Kriegslust der Anführer und ihrer Leute.“

Im Vorwort zum Comic heißt es dazu: „Aber in Wirklichkeit führten die damaligen Bewohner Germaniens einen harten Kampf um ihr Dasein, rodeten die Wälder, setzten sich gegen fremde Eindringlinge tapfer zur Wehr und wollten in Ruhe ihre Felder bebauen (sic!).“

Desweiteren unterstellt der Texter (Bood, Knoop?) den Lesern im Vorwort die Kenntnis – auch inhaltlicher Art – von Cäsars „Gallischem Krieg“, erstaunlich! Sicherlich werden Gymnasiasten diese Buch in den Händen gehalten und sich damit abplagen gehabt haben müssen, aber die überwiegende Anzahl der Leserschaft wird den Namen Cäsar im geschichtlichen Zusammenhang natürlich schon kennen, aber den „Gallischen Krieg“? Zumindest hat man ihn hier dann erstmals gehört und später, bei Interesse, auch zugelegt (und gelesen). Wieder mal ein Baustein zur Widerlegung der –damaligen- These, das Comics verblöden. 

Nebenbei, Arminius kommt als Abbildung im ganzen Heft nur auf 4 Bildern vor. Das dürfte für die namensgebenden Titelfigur auch nicht so oft vorkommen.

*Auch und grade untereinander. Denn ihnen, den Germanen, fehlten die Möglichkeiten zu ausgedehnten Beutezügen auf weit entfernte Gebiete. Erst als jenseits des Rheins die Römer ihre Kultur errichteten (Köln, Xanten, Mainz, Regensburg, usw.) gab es dort Überfälle sporadischer Art – was ja auch einfacher ist, als selbst in die Hufe zu komme und mit dem eigenen Volk etwas Kultur zu Hause (in der immer wieder und auch in dieser Heftreihe so oft beschworenen „Heimat“, der eigenen „Scholle“) zu schaffen.
Detlef Lorenz ist offline   Mit Zitat antworten