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Alt 01.03.2018, 15:18   #70  
Servalan
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Minder | Der Aufpasser Staffel 3 Episode 3 (Folge 27) "Rembrandt Doesn't Live Here Anymore | Rembrandt? Kenn' ich nicht!" (Großbritannien 1982, Euston Films, a subsidiary of Thames Television für ITV), Drehbuch: Dave Humphries, Regie: Tom Clegg, 52 min

Mit insgesamt 106 regulären Episoden in 10 Staffeln, zwei abendfüllenden Specials, die als Doppelfolgen ausgestrahlt wurden, sowie zwei zusätzlichen Episoden außerhalb des Kanons zwischen 1979 und 1994 gehört die Serie zu den Erfolgen der 1980er Jahre. Ursprunglich schuf Leon Griffiths die Serie speziell für Dennis Waterman, nachdem die Krimiserie The Sweeney | Die Füchse eingestellt worden war, der Waterman seinen Ruhm verdankte. Dennoch stieg Waterman nach der siebten Staffel aus.
2009 lief das Revival auf Channel 5, produziert von Talkback Thames, über den Bildschirm. Es blieb bei der einen Staffel mit 6 Episoden.
In Deutschland lief Minder zunächst in der ARD, bevor die Serie in den Dritten Programmen versendet wurde. Diese Episode konnte das deutsche Publikum erst im Juli 1997 bei BR puls TV sehen.

Dennis Waterman spielt in Minder den vorbestraften Ex-Profiboxer Terry McCann, der dem halbseidenen Gauner und Geschäftsmann Arthur Daley zur Seite steht. Terry McCann ist wesentlich mehr als ein Leibwächter, denn Daley versucht überall, Profit herauszuschlagen, meist an der Grenze des Legalen. In der Pilotfolge holt der eine Generation ältere Daley McCann ab, als der aus Wormwood Scrubs entlassen wird, so daß die beiden eine Art Onkel-Neffe-Verhältnis haben.
Die beiden sympathischen Ganoven haben einiges auf dem Kerbholz und sollten nicht unterschätzt werden. Aber häufig geraten sie an gefährlichere Gangster aus dem Rotlichtmilieu und der Organisierten Kriminalität. Wie Henry Slesars Ruby Martinson aus Chicago oder Donald Duck und seine Neffen Tick, Trick und Track müssen sie meistens froh sein, mit heiler Haut ohne größere Blessuren davongekommen zu sein. Als Vorbilder sind auch die Trickbetrüger Henry Gondorff und Johnny Hooker aus dem Filmklassiker The Sting | Der Clou (USA 1973, Regie: George Roy Hill) zu erkennen.
Minder Terry redet Arthur meist schon im Vorfeld zu und versucht, ihn vor Schlimmerem zu bewahren. Doch der kann keiner Versuchung wiederstehen und landet ziemlich sicher in der Bredouille. Meist wird Terry zum mehr oder minder freiwilligen Komplizen, der mit seinen Fäusten die Lage rettet und ihnen die Flucht erlaubt.

Der Charme der Serie liegt in zwei Faktoren: Den Hauptschauplatz bldet das leicht verkommene Soho mit seinen Nachtclubs, Sexshops und billigen Restaurants sowie die angrenzenden Wohnbezirke. Zahlreiche Außenaufnahmen verbreiten heute ein nostalgisches Flair.
Während die ersten Staffeln die Komödie über den Krimi stellen, werden spätere Staffeln düsterer. Die Kleinkriminellen stammen aus dem Milieu der Arbeiter und der kleinen Angestellten, wodurch sich der lokale Cockney mit dem Gaunerslang der damaligen Zeit vermischt.
Wer es sich zutraut, sollte Minder unbedingt im Original genießen. Lieber zweimal schauen, statt sich mit einer halbgaren Synchronfassung zufriedengeben.
Kalauer und Anspielungen prägen darüber hinaus die Episodentitel. (Hier: Alice Doesn't Live Here Anymore | Alice lebt hier nicht mehr, USA 1974, Regie: Martin Scorsese)

Terry verdient sich seinen Lebensunterhalt im Nachtclub New Rockinham Club, aus dem ihn Arthur abholen will. Auf diese Weise entdeckt Arthur seinen alten Kumpel Frank Downing, der gerade ein freizügiges Wandgemälde pinselt. Obwohl er handwerklich einiges auf dem Kasten hat, gibt er Arthur offenherzig zu, daß er den gesamten Kunstbetrieb für eine Abzockerbude hält. Deshalb hat sich Downing darauf spezialisiert, Werke in der Manier berühmter Maler zu produzieren und über die Atelierwohnung MM Studio seiner Freundin Monica Mason zu verscheuern.
Arthur wird neugierig und läßt sich von Frank Downing zeigen, wie der Kunstmarkt funktioniert, zuerst in einer Galerie, danach auf einer Auktion. Dort entdeckt Arthur unter den Bietenden Rory Quinn, einen Buchmacher aus Fulham, dem er allzu gerne eins auswischen will.
Altklug liest sich Arthur etwas Grundwissen über Kunst an. Terry rät ihm davon ab, weil er sich nur blamieren kann. Aber Arthur bleibt stur und spaziert in die edle Peter Sergeant Fine Art Gallery im teuren Burlington Gardens, Westminister. Arthur will dem Galeristen eine Downing-Fälschung als gefundenes Gemälde vom Dachboden unterjubeln. Sergeant merkt schon beim Smalltalk, daß Arthur von Kunst nicht die geringste Ahnung hat. Er lockt Arthur mit 600 Pfund, weil er wissen will, wie der Fälscher heißt.
Frank Downing hat sich unterdessen mit der Künstlerin Monica Mason verkracht, weil der sich ihrer Meinung nach unter Wert verkauft und mit seinen unsignierten Fälschungen zuviel riskiert. Sie traut Downing einen Durchbruch als echter Künstler zu und ist zutiefst enttäuscht über seine Feigheit.

Die ersten zehn Minuten nutzt die Episode, um ausführlich die Kunstwelt an Gemälden aus zahlreichen Epochen zu zeigen, von Alten Meistern bis hin zu Zeitgenössischem. Mehrere Besucher werden gezeigt, wie sie kritisch die ausgestellten Werke mustern, bevor sie überhaupt einen Kauf in Betracht ziehen. Die Kunstszene wird als Welt mit eigenen Gesetzen inszeniert, die Laien skurril und bizarr anmuten, mit denen aber nicht zu spaßen ist.

Kunsthistorisch verengt sich das Geschehen allmählich auf frühviktorianische Malerei.
  • Eine Großaufnahme bekommt in Arthurs Vademecum das schwarzweiß reproduzierte Landschaftsgemälde "Whitby by Night" (1878) von John Atkinson Grimshaw (1836 - 1893) inklusive Bildunterschrift.
  • Den McGuffin für die Episode liefert ein Tiergemälde, das die englische Atmösphäre verstärkt, weil es einen Jockey samt Roß zeigt, der ein berühmtes Derby gewonnen hat: John Frederick Herring, Sr. (1795 - 1865) zählt zu den berühmtesten Tiermalern und wird heute unter anderem in der Tate Gallery, London, ausgestellt. Zeitweise arbeitete er als Nachtkutscher, weswegen er den Spitznamen "artist coachman" (in etwa "Kunstkutscher") erhielt. Er malte Schilder für Pubs, Wappen für Kutschen und war äußerst produktiv. Unter anderem porträtierte er die Sieger, Jockey und Pferd, von 33 St. Ledger Derbys und 21 Rennen des Epsom Derbys.
    Arthur handelt mit dem Sieger des 1821 St. Ledger Derby.
    Herring Sr. hatte vier Söhne, allesamt Maler, und zwei Töchter, die namhafte Maler heirateten. Einer seiner Söhne heißt John Frederick Herring Jr. (1820 - 1907) und war gleichfalls ein berühmter Tiermaler. Bei seinem Hausbesuch reibt Galerist Sergeant Arthur dieses Detail genüßlich unter die Nase.

Geändert von Servalan (22.03.2024 um 14:03 Uhr)
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