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Alt 17.06.2018, 16:21   #150  
Peter L. Opmann
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Danke, Phantom für die Anmerkungen. Mir ist der Übersetzungsvergleich leider nicht möglich (höchstens indirekt, indem ich mir die von Marvel Deutschland ansehe, aber so sehr bin ich daran nun auch nicht interessiert). Gut, wenn diese Aspekte jemand anders beisteuert.

Jetzt zur nächsten Ausgabe.

Spinne (Williams) 31

Erscheinungstermin: 4/1975

Originalausgabe:
1) Amazing Spider-Man # 30
2) Tales to Astonish # 96

Story-Titel:
1) Die Klauen des Katers!
2) Irgendwo steht die Schädel-Insel

Original-Storytitel:
1) The Claws of the Cat
2) Somewhere stands Skull Island!

Zeichnungen:
1) Steve Ditko
2) Bill Everett / Vince Colletta

Text:
1) Stan Lee
2) Raymond Marais



Lee und Ditko versuchen sich hier einmal an einem anderen Genre, dem des Big Caper. Vorbilder dafür sind Filme wie „Über den Dächern von Nizza“ oder „Topkapi“. Dass der Comic die Eleganz und den Witz solcher Filme bei weitem nicht erreicht, liegt an der Einbettung des Meisterdiebstahls ins Superheldenmuster. Es läuft natürlich auf die Konfrontation des Titelhelden mit der „Katze“ („Cat Burglar“ – eigentlich „Fassadenkletterer“) hinaus. Damit kann der Dieb nicht sonderlich gewitzt und überhaupt nicht sympathisch erscheinen. Freilich lässt sich auf 20 Seiten von vorneherein kaum eine atmosphärisch dichte Big Caper-Story entwickeln.

Einen hübschen komischen Einfall gibt es immerhin: Der Kater hat Jonah Jamesons Safe geknackt und dessen Aktien und Geheimdokumente (!) gestohlen. Jonah setzt daraufhin eine Belohnung von 1000 Dollar für die Ergreifung des Diebs aus. Und Peter Parker, wie immer in Geldnot, beschließt, daß sich die Spinne diese Belohnung verdienen wird. Für Jonah ein Alptraum: Ausgerechnet seinem größten Feind soll er die Prämie auszahlen müssen? Die Seite 5, auf der sich JJJ diesen Alptraum ausmalt, ist grafisch interessant. Sie wirkt nämlich ziemlich dilettantisch gezeichnet, was später auch in einem Leserbrief moniert wird. Ich habe früher angenommen, Williams habe die Druckvorlage nicht bekommen und seinen Hausgrafiker beauftragt, die Seite nachzuzeichnen. Aber in „Amazing Spider-Man“ # 30 von Marvel Deutschland sieht sie exakt genauso aus. Grundsätzlich tragen die Zeichnungen schon die Handschrift von Ditko, aber das Inking ist sehr krakelig und zittrig. Es ist wohl die Original-Seite; es scheint so, als habe Ditko entweder einen schlechten Tag gehabt oder jemand anders habe die Seite geinkt, und zwar jemand, der sonst keine Superheldencomics inkt.

Der Kater besitzt keine Superkräfte, ist aber in ein Superhelden-ähnliches Kostüm gewandet. Eine Vorgeschichte hat er nicht. Nach seinem Einbruch bei Jonah taucht er sogar bis Seite 13 (!) nicht wieder auf. Da will sich der Kater zunutze machen, daß er ein unbeschriebenes Blatt ist. So hält er sich für sicher vor polizeilichen Ermittlungen. Er will nun den letzten Coup starten und sich dann zur Ruhe setzen. Die von Jonah ausgesetzte Belohnung hat aber ein großes Medieninteresse erzeugt. So wird der Kater bei seinem Raubzug von einem Hausbewohner erkannt, von einem Fernsehteam gefilmt und dann auch von der Spinne entdeckt. Es kommt zum Showdown. Zwar gelingt es dem Kater nicht, die Spinne von einem hohen Dach zu stürzen oder durch einen Wassertank, den er aus der Verankerung sprengt, zu erschlagen (das ist das Covermotiv). Aber er kann die Spinne durch Pistolenschüsse auf Abstand halten und sich schließlich verstecken. Nun betritt aber auch die Polizei die Szene und entdeckt ihn in einem Kamin. Bemerkenswert ist die Szene auch, weil es ein weißer und ein schwarzer Polizist sind, die den Kater aufspüren und schnappen. JJJ fällt ein Stein vom Herzen: Nun muß er also die 1000 Dollar nicht an die Spinne zahlen. Ein paar Dollar verdient Peter Parker immerhin durch Fotos von der Verhaftung des Katers, die er an Jonah verscherbelt.

Sonst tut sich aber noch einiges in dieser Episode. Nett finde ich die Szene mit Flash und Liz. Liz Allen läuft Peter über den Weg und bittet ihn, ihr Flash Thompson vom Hals zu halten, der sie beständig verfolgt (Stalking!). Während sie zur Arbeit eilt, verwickelt Peter Flash in ein Gespräch. Flash will ihn beiseiteschieben, aber in der folgenden Rangelei betäubt Peter ihn durch „sanften“ Druck auf dessen Schulter. Flash wird ohnmächtig, während Peter ohne Verkleidung auf ein hohes Dach springt, weil er dort eine Gestalt mit Pistole entdeckt hat. Erst auf dem Dach schlüpft er in sein Spinne-Kostüm. Es handelt sich aber nicht um den Kater, sondern um einen Arbeitslosen, der mit seinem früheren Chef abrechnen will. Die Spinne greift zugunsten des Kapitalisten ein. Dann legt Peter das Kostüm wieder ab und weckt Flash, dem er weismacht, sie seien mit den Köpfen aneinandergestoßen und beide ohnmächtig geworden.

Szenenwechsel: Wir werden Zeuge, wie Ned Leeds Betty einen Heiratsantrag macht. Sekunden später ruft Peter an. Anständigerweise bittet sie ihn sofort zu sich und erzählt ihm von dem Antrag. Und sie erklärt ihm auch, daß sie gern mit einem Durchschnittstypen ein ruhiges Leben führen will und nie mit einem Draufgänger, der dauernd in Abenteuer verwickelt ist, leben könnte (sie erwähnt die Spinne, weiß aber natürlich nicht, daß Peter selbst hinter dieser Maske steckt). Peter reagiert wütend: Dann solle sie doch mit ihrem Ned glücklich werden! Nachdem er aus dem Zimmer gestürmt ist, verrät sie uns Lesern noch, daß sie eigentlich nur Peter liebt. Wir haben sie da aber schon als durchaus wankelmütig erlebt. Entweder ist sie von ihren Gefühlen hin und hergerissen, oder Lee und Ditko produzieren von Heft zu Heft dramatische Liebesszenen, die nicht unbedingt logisch aufeinander aufbauen.

Dann ist in diesem Heft noch eine Bande kostümierter Verbrecher unterwegs, die radioaktives Uran aus einer Fabrik von Tony Stark (dem Eisernen) klaut. Die Spinne greift ein, kann die Bande aber nicht aufhalten. Später, als die Spinne ein anderes Gangsterquartett dingfest macht, beobachtet die Bande das Geschehen, und ihr Anführer beschließt, die Spinne aus dem Weg zu räumen. In einer weiteren kurzen Szene werden wir schließlich daran erinnert, daß es Tante May nicht gut geht. Sie ist wieder der Ohnmacht nahe, will sich aber gegenüber Peter nichts anmerken lassen. Am Ende trifft Peter in Jonahs Redaktion noch einmal Betty kurz wieder, weist sie aber zurück: Es gebe nichts mehr zu besprechen. Man sieht eine schemenhafte Spinne, die das junge Paar auseinandertreibt. Ein emotional doch ziemlich bewegender Schluß, der die Frage aufwirft: Werden Peter und Betty doch noch zusammenfinden?

Noch einmal wird für das Marvel-Briefpapier geworben, und es gibt eine neue Leserbriefseite. Diesmal wird jeder Brief von der Redaktion kurz beantwortet. Manche Leser haben nach wie vor Probleme mit den großspurigen Sprüchen bei Marvel. Und bemängelt wird auch, daß „Spinne“ und „FV“ tatsächlich nicht vierzehntägig erscheinen, sondern nur etwa alle drei Wochen. Die Redaktion schiebt das auf den Zeitschriftenhändler.
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