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Alt 22.04.2018, 15:57   #91  
Servalan
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Meshes of the Afternoon (USA 1943), Drehbuch, Produktion, Schnitt: Maya Deren, Kamera: Alexander Hammid, Regie: Maya Deren und Alexander Hammid, 14 min, schwarzweiß (ursprünglich stumm)

Kunst aus den Vereinigten Staaten von Amerika wurde in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts häufig milde belächelt, denn bis zum Zweiten Weltkrieg schlug das Herz der Kunstwelt in Paris. Spätestens in den 1950ern gelang es der Ostküste, insbesondere dem Big Apple, der Hauptstadt der Liebe den Rang abzulaufen.
Zu den Vorboten der Avantgarde jenseits des großen Teichs zählt dieser No-Budget-Film, den das Ehepaar Maya Deren und Alexander Hammid für 275 $ mit einer 16mm-Bolex-Kamera größtenteils in ihrer eigenen Wohnung an der Kings Road in Los Angeles seibst produzierte.
1990 nahm ihn die Library of Congress in ihre National Film Registry auf, die erhaltenswerte Produktionen der US-Filmgeschichte bewahrt und restauriert. Bei der zweiten Abstimmung wurde der Experimentalfilm als "kulturell, historisch und ästhetisch bedeutend" aufgenommen. 2015 ließ die BBC über die besten Filme aus den USA abstimmen; Meshes of the Afternoon kam auf Platz 40.

Die Tänzerin und Choreographin Maya Deren (1917 - 1961) muß eine faszinierende Frau gewesen sein, die wie Mae West und Ayn Rand von wesentlich jüngeren Männern angehimmelt und umschwärmt wurde. Die in der Ukraine geborene Tochter eines Psychiaters, der ihnen die Bolex geliehen hatte, strich damals die Reputation fast für sich alleine ein. Mittlerweile wird der Anteil Alexander Hammids deutlich höher bewertet.

Eine Inhaltsangabe wäre schon eine Interpretation, denn die Schlingen des Nachmittags (so eine wörtliche Übersetzung des Titel) kreisen um den psychischen Ausnahmezustand einer namenlosen Frau. Ähnlich wie in David Lynchs Lost Highway (USA 1997) und Mulholland Drive | Mulholland Drive – Straße der Finsternis (USA 2001) vollzieht sich das Erzählen in Loops, und auf der Bildfläche erscheinen Doppelgänger und Alter Egos.
Hier wie dort ergibt sich die Frage: Was ist eigentlich real?

Die menschenleere Stadtlandschaft im spanischen Stil, seltsam von der Sonne durchflutet (wie in Alfred Hitchcocks Vertigo, USA 1958), trägt zur albtraumhaften Atmospäre bei.

Geändert von Servalan (24.03.2024 um 11:02 Uhr)
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