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Alt 02.05.2012, 17:44   #324  
Burma
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http://www.radiobremen.de/nordwestra...cnovel100.html
28.4.2012
Zitat:
Literaturforum
Graphic Novel
Anspruchsvolle Comics – erzählte Geschichten
Die ganze Sendung zum Anhören:
Literaturforum: Graphic Novel , [33:36]

Graphic Novel boomt
Einst als Comic verschmäht, heute als Graphic Novel gefeiert – die Kunst des grafischen Erzählens begeistert immer mehr Leser. Und es gibt noch einen Grund zum Jubeln: Deutschsprachige Verlage für anspruchsvolle Comic-Literatur feiern mittlerweile runde Jubiläen.
Zwei, die sich damit auskennen und mitmischen in der kleinen aber feinen Comicgemeinde sind die Grafikdesignerin und Zeichnerin Ulli Lust und der Schriftsteller und Comic-Kenner Thomas von Steinaecker.

Die Macht der Bilder
Ulli Lust ist Grafikdesignerin, Verlegerin und vor allem Comiczeichnerin, 1967 in Wien geboren, lebt in Berlin, wo sie Kunst studiert und einen Comicverlag im Netz gegründet hat. Hier entstand in einer Hinterhauswohnung ihr preisgekrönter Comic "Heute ist der letzte Tag vom Rest deines Lebens". Ein knalliger 450-Seiten starker autobiografischer Bilderreigen. Ulli Lust nähert sich darin ihrer eigenen turbulenten Biografie an. Auf 453 knalligen Seiten erzählt sie von der Reise zweier Punkerinnen vom beschaulichen Wien nach Sizilien. Und vom unbändigem Freiheitswillen, Mafiosos, Esoterik-Freaks und Junkies. Es gibt dramatische, belastende Szenen, etwa die sexuellen Belästigungen, die die junge Ulli erlebte – erzählt mit Bildern, die im Gedächtnis bleiben.

Bilder stehen im Dienste der Worte
Auch der 1977 geborene Schriftsteller Thomas Steinaecker mischt ordentlich mit in der Comic-Szene, auch gern als Comic-Rezensent und Herausgeber. In seinen Büchern mixt er Comic und Roman. Schon länger beschäftigt er sich damit, was Bilder können und Texte nicht. Die Bilder stehen ganz im Dienste der Worte. Thomas von Steinaecker hat sich in seiner Dissertation über Brinkmann, Kluge und Sebald damit beschäftigt, was Bilder können und Texte nicht. Eine Beschreibung nur mit Worten ist ihm manchmal nicht genug.

"Jürgen sieht seiner Geburt zu" heißt der erste Satz im Roman "Gespenster" von 2008. Da sieht dieser Jürgen eine Dokumentation seiner Familie. Grund des Medieninteresses ist das Verschwinden des 6-jähriges Mädchens, seiner Schwester, die nie gefunden wird. Der Roman erzählt vom Leiden dieses inzwischen erwachsenen Mannes, von seinen Gespenstern – und wie er erst mit Hilfe einer Comiczeichnerin ein neues Leben beginnen kann. Auch sein neuer Roman "Das Jahr, in dem ich aufhörte mir Sorgen zu machen und anfing zu träumen" ist aus vielen Phrasen, Fotografien und Grafiken konstruiert, die die Wirklichkeit wie aus Versatzstücken inszenieren.

Comics im Aufwind
Comics sind längst unter dem Etikett "Graphic Novel" im Feuilleton angekommen. Die "Süddeutsche Zeitung" geht mit ihrer Edition grafischer Romane bereits in die 2. Staffel und versichert bildungsbeflissenen Lesern: Comics können anspruchsvoll sein. Ihr Slogan "Literatur trifft Illustration" verrät warum: Die Bilder stehen ganz im Dienste der Worte. Hartnäckig halten sich Vorurteile gegen Comics als nicht ernstzunehmende Kunstform. Größere Buchläden jedoch haben sich auf die wachsende Nachfrage eingestellt, dort findet man sie in den Regalen.

Ausblick
Die Branche schwelt hierzulande im Graphic-Novel-Boom, also vor allem – im publizistischen, noch nicht wirklich ökonomischen – Erfolg von Comics, die keine Rücksicht auf Formate oder Umfang nehmen, sondern so erzählen, wie es der Stoff erfordert. Die Verlage wagen sich vorsichtshalber zunächst nur an Illustrationen der Werke von Franz Kafka, Marcel Proust oder Thomas Bernhard, dessen Komödie "Alte Meister" als Graphic Novel bei Suhrkamp erschienen ist. – Manchmal gewährt eine originelle Bebilderung eine neue Sicht auf die Vorlage. Meist sind es Independent-Verlage, die radikale Neuinterpretationen von Klassikern in ihr Programm aufnehmen.
Redaktion: Elke Schlinsog.
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