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Alt 06.12.2015, 16:16   #96  
Phantom
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Eigentlich hatte ich nicht vor, mir das Logbuch zu kaufen. Ich wurde erst nach der Mondlandung geboren, daher ist Robinson für mich weit weg. (Als Achtjähriger habe ich die Hefte aus dem Arotal-Verlag für 40 Pfennige am Ramschtisch gekauft, aber so richtig gepackt haben sie mich damals nicht.) In die ausführlichen Beiträge hier im CGN hatte ich zwar ab und zu reingelesen, aber mir fehlt eben die Kindheitserinnerung dazu (und Defoe habe ich auch nie als Roman gelesen).

Und dann habe ich bei meinem Comichändler das Buch durchgeblättert und fand das Layout so ansprechend, dass ich es mir doch gekauft habe. Was für ein Glück, denn nicht nur das Layout mit den vielen Abbildungen ist super, auch die Idee, die Inhaltsangaben mit interessanten Anmerkungen zu den Comics *und* der subjektiven Wahrnehmung des Zeitgeschehens anzureichern, finde ich äußerst gelungen. Ich habe mich beim Lesen sehr gut unterhalten; nicht nur die Informationen über den Verlag, die Zeichner etc. fand ich sehr interessant, sondern irgendwann wollte ich auch immer wissen, wie es denn weitergeht mit Robinson im nächsten Heft. Ein wirklich schönes Buch!

Und nochmal ein Lob für die ganzen Abbildungen, ob Comic-Scans, die selbstgezeichneten Karten oder die Fotografien vom damaligen Berlin. Das ist alles wunderbar geworden! Eine kleine Anmerkung kann ich mir nicht verkneifen: wie toll sind doch die ganzen "individuellen" Cover mit Widmungen der Zeichner, Stempeln, Preisaufkleber etc. Meine Comics sehen natürlich auch so (bzw. eigentlich viel schlimmer) aus, und ich bin für jeden Stempel und jeden Preisaufkleber dankbar, da steckt für mich immer eine kleine Geschichte dahinter. Dass andernorts so viel Mühe in perfekte Reproduktionen in Zustand 0 gelegt wird, kann ich nicht so recht nachvollziehen...

Allerwinzige Kritik: ein weiterer Korrekturleser bzw. Faktenchecker hätte nicht geschadet. Z.B. war mir neu, dass Michael Jackson Ebony and Ivory gesungen haben soll , Armin Hary schreibt sich mit nur einem r, Willy Brandt schrieb sich mit y, Günter Neumann schrieb sich ohne h; ab und zu wird auf eine falsche Abbildungsnummer verwiesen. (Ja, ich kann mir vorstellen, was das für eine organisatorische Arbeit war, und natürlich schmälert das den Wert des Buchs in keiner Weise.)

Ein paar Fragen und eine Anmerkung hätte ich noch (ich habe kaum Sprechblasen-Artikel zum Gerstmeyer-Verlag gelesen; kann sein, dass da schon alles beantwortet ist):

1) Zu Helmut Nickels Pseudonym "H. Humbert": das ist ja offensichtlich eine Anspielung auf Lolita. Wenn ich Wikipedia glauben kann, wurde das Buch im September 1955 (auf Englisch) erstveröffentlicht. Im November 1955 taucht dann das Pseudonym in Robinson auf. Wie hatte Helmut Nickel so schnell von dem Buch gehört? Wurde das in deutschen Zeitungen so prominent berichtet? Hat sich Helmut Nickel da mal geäußert?

2) Otto Albert, der kurzzeitige Zeichner vom Grafen von Monte Christo, taucht ja nur dieses eine Mal in der deutschen Comicgeschichte auf (in Skodziks Bibliografie wurde nicht mal der Nachdruck im Arotal Verlag erwähnt). Weiß man denn, ob das nicht auch ein Pseudonym war? Und was der Mann sonst so gemacht hat?

3) Zu Roxy Royal: da ist mir nicht so ganz klar, was da belegt ist. Auf Seite 52 steht etwas von einer Studentin names Zorr (ohne Vornamen). Auf Seite 128 steht etwas von einer Studentin namens Uli, in Klammern steht "Zorr?". Auf beide Erwähnungen wird im Register mit "Zorr, U." verwiesen. Wissen wir, dass das dieselbe Person ist, oder basiert das auf unsicheren Erinnerungen (z.B. von Helmut Nickel)? Auf Seite 220 wird dann wieder eine Studentin Uli erwähnt, die mit ihrem Bruder (ohne Namen) als Roxy Royal arbeitete. Ist das wieder Frau Zorr? Oder vielleicht jemand anderes? Und woher weiß man, dass hinter dem Pseudonym zwei Personen stehen? Auf Seite 223 steht, dass in der letzten Folge wieder "beide Kreativen genannt" werden. Was heißt hier "beide"? Stehen da die Klarnamen (falls ja: dann wissen wir doch, wie der Bruder heißt, oder?) oder nur "Roxy Royal"?

4) Zu Garth steht auf Seite 218, "der ungekürzte und nicht bearbeitete Anfang" der Geschichte erschiene in "Tom, der Unsichtbare". Ich habe nur (dank dem CGN) ein paar Scans von "Tom, der Unsichtbare" 1 bis 3 gesehen, und das war alles andere als "ungekürzt" und "nicht bearbeitet". Da haben im Gegenteil einzelnen Panels gefehlt, andere wurden in falscher Reihenfolge gedruckt, einige Panels wurden mit zusätzlichen Zeichnungen ergänzt.

Zusammengefasst: das Buch hat mir viel Freude bereitet. Und ich finde es auch schön, dass Helmut Nickel im hohen Alter noch mitbekommen darf, dass man ihn (und Winnetou und Robinson) nicht vergessen hat.
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