Thema: Wikipedia
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Alt 19.05.2010, 11:32   #92  
Lupo_Wien
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Die Diskussion wird hier ziemlich abstrakt geführt, und ich sehe Positionen mit teils recht konträren Voraussetzungen, wobei noch nicht mal die Begriffe abgeklärt werden. Von welcher "Vernunft" ist die Rede? Wieviel Vernunft ist in der Welt? Und soll überhaupt (noch) mehr in die Welt kommen? Wer die "MINT"-Fächer überschätzt, ist mit Sicherheit vernunftgeleitet, für ihn zählt das, was das Werkl am laufen hält: daß wir Wohnungen und etwas zu essen haben usw. Ob wir, wenn das Werkl - vernünftig - läuft, auch alle glücklich sind, ist eine zweite Frage. Der Mensch ist so gestrickt, daß mit dem angenehmen Leben, das z. B. bedeutet, nicht jeden Tag einen 5-Stunden-Fußmarsch zum nächsten Wasserloch machen zu müssen, nicht zwingend die Zufriedenheit und das Glück Einzug halten. Ist die Existenz gesichert, fragt der Mensch nach dem Sinn seiner Existenz. Und hier endet die Kompetenz der Ingenieure, der Ökonomen, der Mediziner usw. Ab diesem Punkt sind Kunst, Philosophie und Lebensweisheit gefragt, all das "Laberzeug". Auch die haben ihre Vernunft, nur meist eine andere.

In der Wikipedia ist eine Menge über dieses Laberzeug ausgeführt. Der Ableger der Kaukapedia ist ein Musterbeispiel für dieses materiell nicht direkt verwertbare Wissen. Fix und Foxi braucht kein Mensch, um am Leben zu bleiben. Aber vielleicht, um sein Leben zu bereichern? Wenn also hier indirekt gesagt wird, die Welt braucht mehr Ingenieure als Fix-und-Foxi-Hefte, frage ich mich schon, was ist das für eine Aufrechnung? Und was heißt "mehr"? Braucht der Mensch z. B. mehr Quadratmeter Wohnfläche als Liebe und Zuwendung? Sorry, ich fange mit diesen versimpelten Gegensätzen nichts an.

Daß und ob die Admins die Laberzeug-Artikel in der Wikipedia eher zusammenstreichen oder kübeln als die MINT-Artikel, weil sie denken, hier können sie es sich erlauben und hier kennen sie sich aus, kann ich nicht überprüfen. Tatsache scheint mir, daß es detaillierte, hoch-kompetente Artikel in den sog. Diskussionswissenschaften gibt, wobei mich jetzt nicht wirklich interessiert, ob dahinter Autoren stecken, deren Beitrag seit 5 Jahren unverändert drinsteht oder ob dauernd Veränderungen passieren. Der Artikel ist drin, und er ist gut, und aus.
Auch halte ich es für eine Verallgemeinerung zu denken, alle Admins wären MINT-verseucht.

Mediengeschichtlich ist jedenfalls etwas Neues geschehen. Mit dem Web 2.0 ist eine neu Form der Publikation aufgetaucht. Der Autor übergibt seinen Beitrag der Community. Diese kann ihn gänzlich ablehnen oder so editieren, daß in wenigen Monaten kein Satz mehr dem Ursprungstext gleicht. Wer mit so etwas nicht leben kann, ist in dem Medium falsch. Niemand hindert ihn übrigens, seine Arbeit im Print zu veröffentlichen, wenn er denkt, sie sei gut genug dafür, von einem Verlag akzeptiert zu werden. Freilich würde es einem Autor schmeicheln, wenn seine Arbeit unverändert jahrelang in der Wiki "ruht". Das ist aber angesichts einer sich immer rascher verändernden Welt und sich immer schneller ändernder Standpunkte sehr unwahrscheinlich. Veraltete Druckschwarten werden in dem Fall zu Ladenhütern und nicht mehr nachgedruckt. In der Wikipedia beginnen die Modifikationen oft am Tag des Einstellens des Artikels. Andere Perspektiven fließen ein, Quellen werden korrigiert oder relativiert usw. Nicht ein Mensch allein, der Autor, macht die Artikel, sondern die Community tut das. Das ist neu, und daran müssen wir alle uns erst gewöhnen.

L-W
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