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Alt 24.10.2018, 23:24   #385  
Peter L. Opmann
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Spinne (Williams) 75

Erscheinungstermin: 1/1977

Originalausgabe:
1) Amazing Spider-Man # 74
2) Journey into Mystery # 119

Story-Titel:
1) Ein Tollhaus!
2) ohne Titel (Der Tag des Vernichters!)

Original-Storytitel:
1) If this be Bedlam!!
2) The Day of the Destroyer!

Zeichnungen:
1) John Romita / Jim Mooney
2) Jack Kirby / Vince Colletta

Text:
1) Stan Lee
2) Stan Lee



Manche suchen gern nach Anschlußfehlern in Filmen. Hier gibt es etwas Ähnliches in einer Comicserie. In der letzten Ausgabe telefonierte Peter Parker mit Mrs. Conners und erfuhr, daß ihr Mann abgeholt wurde. Jetzt wird Dr. Curt Conners dazu gezwungen, die antike Tafel zu entschlüsseln – dadurch, daß Mafiaboß Silbermähne seiner Frau und seinem Sohn, die ebenfalls gefangen sind, Gewalt androht. Könnte natürlich sein, daß Silbermähnes Männer erst Conners kidnappten und kurz darauf – weil sie etwas vergeßlich sind – auch Frau und Kind. Wahrscheinlich hat sich Stan Lee aber einfach darauf verlassen, daß die Leser sich an das letzte Heft, das einen Monat zuvor erschienen war, nicht mehr so genau erinnerten.

Manches andere in dieser Geschichte erscheint ebenfalls etwas unlogisch. Aber in ihren Grundzügen ist sie fesselnd und auch etwas unheimlich. Ein Freund von mir, der dieses Heft ebenfalls bei Erscheinen gelesen hat, fand sie zu gruselig. Mir ging das mit Zwölf nicht so. Mir gefiel das viel besser als die zu dieser Zeit erscheinenden „Bessy“-Abenteuer, so daß ich umstieg und die „Spinne“ lückenlos las – was bei „Bessy“ nicht unbedingt nötig gewesen war.

„Menschenberg“ Marko setzt zu Beginn Conners unter Druck. Am liebsten würde er ihn so richtig verprügeln – nicht ahnend, daß sich Conners, wenn er in Aufregung gerät, in die fürchterliche Echse verwandeln kann. Aber auch Silbermähne will das nicht. Er ohrfeigt Marko, auch wenn ihm das beinahe einen Herzinfarkt einträgt. Aber Silbermähne macht Marko klar, daß nach wie vor er die Macht hat. Conners wird zusammen mit dem Kingpin-Gefolgsmann Wilson in ein Labor eingesperrt, um Ergebnisse zu liefern. Wilson gesteht jetzt, er sei mit seinem Latein am Ende. Aber Conners, der Biologe, kann offenbar das Rätsel lösen. Seltsam übrigens, daß Kingpin, der ja auch auf die Tafel absolut scharf war, seit # 72 völlig von der Bildfläche verschwunden ist.

Die Spinne will Marko wiederfinden, um abschließend zu klären, wer der Bessere ist. Sie erfährt, daß Caesar Cicero, Silbermähnes ehrgeiziger Rechtsvertreter, Wilson aus dem Gefängnis geholt hat. Sie beschließt, Caesar einen Besuch abzustatten, um herauszufinden, was dahintersteckt. Unbeabsichtigt verraten ihr Caesars Leibwächter in der folgenden Rangelei, daß Martha und Billy Conners in der Gewalt der Mafia sind – wie auch Curt. Caesar gelingt es jedoch, zusammen mit seinen Geiseln zu fliehen. Die Spinne wird bei der Verfolgung beinahe durch eine Bombe getötet, bleibt aber unverletzt. Damit hat sie allerdings erstmal die Spur von Silbermähne und seinen Leuten verloren.

Die Spinne hat in den letzten Ausgaben schon des öfteren nach Leuten gesucht – nach der Freundin des Schockers, nach Marko und anderen. Manchmal gibt sie die Suche nach einer Weile auf, manchmal beschließt sie, New York zu durchstreifen, bis sie den Gesuchten gefunden hat. Lee dreht das so, wie er’s gerade braucht – egal, ob man es nun für glaubwürdiger hält, daß sie mithilfe ihres Spinnensinns unter acht Millionen jeden Beliebigen finden kann, oder nicht. Hier bricht sie nun die Suche ab, weil noch ein paar private Probleme von Peter Parker in die Story gerührt werden müssen. Aber schauen wir zunächst, wie es mit Silbermähne weitergeht. Conners hat es tatsächlich geschafft: Er kennt das Geheimnis der Tafel. Halten wir uns fest: Auf der Tafel stehen keine Schriftzeichen, sondern chemische Formeln (das Periodensystem der Elemente muß schon in der Antike allgemein bekannt gewesen sein). Man kann vorerst nur erahnen, daß es sich wohl um ein Verjüngungsmittel handelt. Silbermähne drängt jedenfalls zur Eile. Er will, da er seinen Tod bedenklich nahen fühlt, das von Conners zusammengemixte Elixier (woher hatte er eigentlich die Ingredienzen?) so schnell wie möglich runterkippen. Marko warnt ihn, es könne sich um Gift handeln, aber der Greis sagt etwas sehr Wahres: „Was habe ich in meinem Alter zu verlieren?“

Lee schließt diese Szene mit einem netten Kunstgriff ab: Silbermähne trinkt das Reagenzglas aus, stößt einen gräßlichen Schrei aus und bricht zusammen. Marko will Conners für diesen Mord bestrafen (der damit der Verwandlung in die Echse wieder gefährlich nahe kommt), aber dann hört er hinter sich eine Stimme: „Marko! Du brauchst deinen starken Arm nicht länger einzusetzen!“ Da steht Silbermähne, nur jetzt ohne graue Haare, sondern um die 30 Jahre jünger. Es folgt: „Die Spinne langt zu – und der Tod schlägt zurück!“

Was aber geschieht in der Pause, während der die Suche der Spinne unterbrochen ist? Man fühlt sich in Ditko-Zeiten zurückversetzt. Peter Parker schleicht wieder mal tief in Gedanken über den Unicampus: Er vernachlässigt sein Studium, er hat Tante May schon ewig nicht mehr angerufen, er kann seine Beziehung zu Gwen nicht in Ordnung bringen. Seine Bekannten und vor allem Harry zerreißen sich den Mund über ihn. Nur Gwen verteidigt Peter – er brauche nicht Häme, sondern Hilfe.

Merkwürdigerweise wird John Romita in den Credits als „Co-Autor“ und Jim Mooney als Zeichner bezeichnet. Laut dem Original ist Romita jedoch wie gewohnt der Penciller und Mooney der Inker. Warum Williams diese Information veränderte, weiß ich nicht. Es kann aber nach meiner Einschätzung sein, daß Romita in dieser Ausgabe Mooney die eine oder andere Zeichnung überließ. Es ist jedenfalls stellenweise eine grafisch ziemlich düstere Ausgabe (siehe auch das Cover), was ich aber – im Gegensatz zu meinem oben erwähnten Freund – schon 1977 recht anziehend fand.
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