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Alt 30.11.2018, 22:16   #418  
Peter L. Opmann
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Ort: Hessen
Beiträge: 5.506
Spinne (Williams) 89

Erscheinungstermin: 7/1977

Originalausgabe:
1) Amazing Spider-Man # 88
2) Mighty Thor # 126

Story-Titel:
1) Die Arme von Doktor Octopus!
2) ohne Titel (Wen die Götter vernichten…!)

Original-Storytitel:
1) The Arms of Dr. Octopus!
2) Whom the Gods would destroy!

Zeichnungen:
1) John Romita / Jim Mooney
2) Jack Kirby / Vince Colletta

Text:
1) Stan Lee
2) Stan Lee



Ein neues Kapitel wird aufgeschlagen, und ich finde, hier gelingt Stan Lee die Eröffnung eines Mehrteilers wieder mal ganz gut. Was mir heute auffällt: die Story führt wichtige Serien-Protagonisten (also die Spinne, ihren Gegner Doktor Octopus, Jonah Jameson, Captain Stacy und Joe Robertson) so zusammen, wie man es dem schönsten Zufall nicht zutrauen würde. Aber wie Doc Ock auf der Bildfläche erscheint – und zunächst wieder verschwindet -, das ist auf jeden Fall gut und originell gemacht. Romita und Mooney liefern grafisch auch gute Arbeit ab. Kleine Bemerkung am Rande: Mein Heft ist am unteren Rand etwas gewellt. Ich stelle mir vor, wie ich’s in meinem Schulranzen hatte und es durch Regen etwas naß wurde – erinnern kann ich mich daran nicht mehr, aber so ist es wohl gewesen.

Ock sitzt im Knast, wo ihn unter normalen Umständen niemand halten könnte. Aber man hat ihm seine Tentakel abgenommen und weit entfernt sicher verwahrt. Wären sie auch nur in der Nähe, könnte Ock sie nämlich mental steuern und mit ihnen locker ausbrechen. Etwas pedantischer Einwand: Waren die Arme nicht bei einem Unfall mit Ocks Körper verwachsen, und war nicht das der Grund, weshalb er sie mental steuern konnte? Nun gut, seien wir froh, daß Ock irgendwo im Mittleren Westen sicher einsitzt und seine Tentakel derweil im New Yorker Naturwissenschaftlichen Museum für ein staunendes Publikum ausgestellt und präsentiert werden können. Ock konzentriert sich mit einer übermenschlichen Anstrengung und schafft es schließlich, seine Arme zu kontrollieren. Sie spazieren aus dem Museum und machen sich auf den Weg zu ihrem Herrn.

Zufällig (!) kommt die Spinne vorbei und versucht, sie aufzuhalten. Aber die Arme bringen ein Hochhaus beinahe zum Einsturz. Die Spinne muß das mit ihrem Netz verhindern, und die Tentakel tauchen im Gewühl der Stadt unter (genau betrachtet: auch nicht so glaubwürdig, denn herrenlose Metallarme müßten überall im Big Apple Aufsehen erregen). Aber die Spinne gibt die Suche auf, was Peter Parker die Gelegenheit gibt, sich mal wieder an der Uni blicken zu lassen und ein wenig mit Gwen zu schäkern. Zudem muß er eine Standpauke von Professor Warren über sich ergehen lassen. Die Tentakel haben inzwischen Ocks Gefängnis erreicht und vereinigen sich mit ihm. Jetzt blicken wir nach Chicago, wo ein fernöstlicher Politiker, General Su, per Flugzeug zum Sitz der UN gebracht werden soll. Jonah will ein Interview mit ihm und läßt sich von seinem Sohn, der bekanntlich Offizier der US-Armee ist, gegen alle Regeln hineinschleusen.

Zufällig (!) ist auch Doc Ock am Flughafen und verschafft sich gewaltsam Zutritt zu der Boeing 747, um mit ihr nach New York zu kommen. Kurzerhand nimmt er die gesamte Besatzung als Geiseln und fordert zehn Millionen Dollar Lösegeld für den General. Peter will gerade JJJ um etwas Geld anpumpen, aber der sitzt ja in diesem Flugzeug. Zusammen mit Joe Robertson eilt er zum New Yorker Flughafen, wo – so ein Zufall – der pensionierte Polizeioffizier Captain Stacy schon wartet. Stacy hat in dieser Ausgabe keine besonders tragende Funktion – er stellt die Verbindung zur amerikanischen Regierungsspitze her. In Kürze wird er aber eine wichtigere Aufgabe in der Serie bekommen, nämlich zu sterben. Für den Fortgang der Handlung entbehrlich wäre eine Demonstration von hippiemäßig ausstaffierten überwiegend jungen Leuten gegen General Su, aber ein schönes Stück Zeitkolorit. Peter schafft es, sich unbemerkt in die Spinne zu verwandeln, und die betritt ebenfalls das Flugzeug, indem sie einfach ein Stück der Hülle wegreißt. Sie stürzt sich auf Ock und verklebt seine Brille. Ock verliert die Kontrolle über seine Geiseln. Wohl nicht gut übersetzt ist ein Wortwechsel zwischen General Su und einem US-Regierungsbeamten. Su beklagt die Gewalttätigkeit in USA, der Beamte lobt dagegen die freie Gesellschaft.

Die Spinne und Ock liegen immer noch im Clinch. Nur sie sind noch an Bord, alle anderen evakuiert. Um zu fliehen, startet Ock mit seinen Tentakeln das Flugzeug. Die Spinne zweifelt an seinen fliegerischen Fähigkeiten und springt im letzten Moment durch die Bordtür ins Freie. Die Boeing explodiert am Ende der Startbahn. Während Jameson lamentiert, Parker sei abgetaucht und habe wieder keine Fotos gemacht, überlegt sich die Spinne: Ist Ock wirklich tot? Wir Leser bekommen sofort die Antwort: „Nächste Ausgabe: Er lebt wieder!“

Obwohl manches an dieser Story nicht zusammenpaßt, ist sie doch ganz schön spannend. Was zur Wirkung beiträgt, sind die gelungenen Dialoge (soweit man das durch die Übersetzung mitbekommt). Die Politiker sprechen anders als die Militärs und die Polizei, und Jameson redet anders als Robertson oder Peter Parker. Vielleicht liegt es daran, daß die Story alles in allem glaubwürdig erscheint. Romita seinerseits läßt die Flughäfen realistisch erscheinen. Vom Flugzeuginneren sehen wir jedoch nur große leere Räume, keine Passagierkabinen, die sehr aufwendig zu zeichnen gewesen wären. Im übrigen arbeitet Romita jetzt wieder deutlich mehr mit kleineren Panels, was wohl auch an der relativ komplizierten Handlung liegt.

Auf einer redaktionellen Seite wird über „Fan Editions“ informiert. Es bleibt etwas unklar, ob damit Undergroundcomix gemeint sind, richtige Fanzines oder großformatige Ausgaben von Comics, die das Artwork besser zur Geltung bringen (nach Ansicht der Redaktion wurden sie ursprünglich auch von Fans herausgegeben). In einer der nächsten Produktionen sollen Bezugsmöglichkeiten genannt werden – das ist nach meiner Erinnerung dann aber nicht passiert.
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