Thema: Filmklassiker
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Alt 04.12.2022, 13:38   #342  
Nante
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So, mal wieder ein Filmklassiker von mir:
Die Frauen von Stepford (OE: The Stepford Wives) von 1975

Ich denke, hier kann man den Begriff Klassiker ohne Bedenken verwenden. Schon allein weil er (zusammen mit dem Buch) zumindest im englischen Sprachraum einen bis heute gängigen Begriff, besser Schimpfwort, nämlich „Stepford Wive“ geprägt hat. Erst seit kurzen läuft ihm wohl „Karen“ den Rang ab.
Da ich das Buch nicht gelesen habe, kann ich nicht sagen, inwieweit die Vorlage umgesetzt wurde. Ist vielleicht auch besser, weil ich mit Romanverfilmungen selten glücklich bin.

Der Inhalt ist wahrscheinlich den meisten in groben Zügen bekannt:
Die Fotografin Joanna (Katherine Ross aus Die Reifeprüfung)zieht mit ihrem Ehemann Walter, einem Rechtsanwalt und zwei Kinder von New York ins ländliche Stepford in Connecticut. Joanna hat von Anfang an Zweifel, schon allein wegen ihrem Beruf. Aber nun ist es sowieso zu spät.
Walter (Er kam mir in Optik und Verhalten immer wie ein typischer Loser vor) lebt sich rasch ein und wird auch bald in den städtischen Herrenclub aufgenommen. Joanna dagegen kommt sich wie auf einem anderen Planeten vor, denn die Frauen von Stepford scheinen von der Emanzipation der 60er und frühen 70er noch nie etwas mitbekommen zu haben. Es regiert das fröhliche und zufriedene Vorbild der 50er Jahre in seinen schlimmsten Klischees.
Nur zwei Frauen, die resolute Bobby Markowe und zumindest anfangs die „Alteingessene“ Charmaine scheinen nicht in allein den drei K’s Erfüllung zu finden.
Verschiedene Versuche der beiden Frauen, die weibliche Bevölkerung Stepfords für die Vorzüge eigenständigen Denkens zu begeistern, scheitern glorreich. So geht etwa ein von beiden initiierter Gesprächskreis zum Thema „spezielle Frauenprobleme“ schnell in die Diskussion über, welches wohl das bessere und wirksamere Spülmittel sei.
Die Männer inzwischen beobachten das ganze eher amüsiert und Walter ermahnt Joanna, das doch nicht alle so verbissen zu sehen und nicht so egoistisch zu sein. Schließlich solle sie auch mal an die Kinder denken.
Als dann plötzlich auch noch Charmaine schlagartig zur „typischen“ Stepford-Frau wird, versuchen die beiden Freundinnen verzweifelt die Ursache zu finden. Aber alle Spuren laufen ins Leere. Im Gegenteil, nun mutiert auch noch Bobby zur mustergültigen Hausfrau und Mutter.
Joanna fühlt sich nun immermehr verfolgt und hat Angst „die nächste“ zu sein, weiß aber nicht, was das genau sein wird. Sie beschließt, den Ort (zusammen mit den Kindern natürlich) zu verlassen. Walter, der sie daran hindern will, schlägt sie mit dem Schürhaken nieder. Aber dann sind die Kinder verschwunden! Eine Nachricht fordert sie auf, in das Tagungshaus des Herrenclubs zu kommen.
Hier trifft sie auf den Chef der Verschwörer, der ihr völlig entspannt im Plauderton erklärt, was vor sich geht: Die Frauen wurden nach und nach durch gefügige (und optisch „optimierte“!) Androiden ersetzt. Für mich am beeindruckendsten ist die Selbsterständlichkeit, in der der Mann die Gründe dafür darlegt. Zusammengefaßt: Es ist einfach nur Notwehr der Männer gegen die bedrohliche Emanzipation der Frauen. Er leugnet aber auch nicht, daß auch Egoismus eine rolle spielt. Manche Argumente kann man, glaube ich heute noch gelegentlich hören.
Joanna ist schon während seinen Erläuterungen wie paralysiert und als dann am Ende „ihre“ Androidin herein kommt und sich auf sie stürzt, nicht mehr zum Widerstand fähig. Die Männer brauchen sich nicht die Hände schmutzig zu machen...
In der letzten Sequenz sieht man dann die Joanna-Androidin, die zufrieden und vorbildlich (und in so klischeehaften Kleidungsstücken, die die echte Joanna niemals getragen hätte!) im Supermarkt einkauft und glücklich die anderen „Stepford-Wives“ grüßt.

Als ich den Film das erste mal irgendwann in den späten 80er gesehen habe, war das schwer verdaulich Kost. Zumal mir als Ossi diese Frauenklischees wahrscheinlich noch unbekannter waren als Leuten im Westen. Mutti hat gearbeitet. Punkt! Dazu diese beklemmende Atmospähre zumindest im zweiten Teil des Films.

Dummerweise habe ich mich dann verleiten lassen, mir auch die Neuverfilmung von 2004 mit Bette Midler, Glenn Close und Nicole Kidman anzutun. Aber das ist maximal ein netter Klamauk, der vor allem mit dem gefälligen Ende kaum noch was mit der Vorlage zu tun hat.
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