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Alt 25.01.2019, 17:03   #482  
Peter L. Opmann
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Spinne (Williams) 110

Erscheinungstermin: 5/1978

Originalausgabe:
1) Amazing Spider-Man # 109
2) Mighty Thor # 136

Story-Titel:
1) Erstmals: Dr. Strange!
2) Geburt einer Unsterblichen!

Original-Storytitel:
1) Enter Doctor Strange!
2) To become an Immortal!

Zeichnungen:
1) John Romita
2) Jack Kirby / Vince Colletta

Text:
1) Stan Lee
2) Stan Lee



Das unmittelbare Geschehen ist durchaus packend. So muß ich als Junge dieses Heft gelesen haben. Ich habe die Story zwar nicht nachhaltig im Gedächtnis behalten, aber ich habe auch nicht gedacht: Den Quatsch kaufe ich nicht mehr. Heute sehe ich die Struktur der Geschichte, und die ist recht armselig. Der Vietnamkrieg spielt praktisch keine Rolle mehr. Man merkt, wie die Story zurechtgebogen wurde, damit Dr. Strange als Gaststar eingeführt werden konnte. Eigentlich ist Flash Thompson in die Bombardierung eines vietnamesischen Tempels verwickelt, für die er jetzt büßen soll. Ein ehrwürdiger Weiser ist dabei angeblich ums Leben gekommen, aber Dr. Strange klärt darüber auf, daß er in Wirklichkeit in eine Trance gefallen ist, woraus nur er ihn befreien kann. Die Spinne braucht er, damit sie ihm den Rücken für seinen „Gegenzauber“ frei hält. Man kann das nicht viel anders als Nonsens nennen.

Ich glaube fast, ich hätte das auch schon 1978 so wahrgenommen, wenn nicht einige Komplikationen rund um die Geheimidentität der Spinne dazugekommen wären. Weil Gwen ihn auf der Suche nach Flash Thompson begleitet, konnte sich Peter nicht in die Spinne verwandeln. Nun, da der gerade gerettete Flash von finsteren Vietnamesen entführt worden ist, gelingt es ihm, sie an der Nase herumzuführen. Er täuscht vor, daß er auf der Toilette von der Spinne überrascht und seinerseits entführt wird. Der Peter, den die Spinne davonträgt, ist nur eine Netzpuppe. Nun kann sie sich auf die Suche nach Flash machen. Etwas später kommen Gwen, Harry und Tante May wieder zusammen. Vor allem die beiden Frauen machen sich entsetzliche Sorgen um Peter. Unversehens geraten sie aneinander. Gwen herrscht Tante May an, Peter sei erwachsen, und sie dürfe ihn mit ihrer Liebe nicht erdrücken (das darf nur sie selbst). Die alte Dame erstarrt und ist tief getroffen.

Die Befreiung von Flash ist schnell erzählt. In einem sakral wirkenden Raum soll Flash für seine vermeintliche Untat bestraft und geopfert werden. Die Spinne und Dr. Strange dringen ein; während die Spinne den beilschwingenden vietnamesischen Hünen im Schach hält, wendet Dr. Strange seine Zauberkünste auf den Weisen an, der sich ebenfalls in diesem Raum befindet. Dessen Tochter, die schon im ersten Teil der Story auftauchte, will Flash befreien (auch wenn es so aussieht, als wolle sie ihn erdolchen), scheitert aber. Doch der Magier findet den passenden Zauber, um den Weisen aus seiner Trance zu holen. Alle sind glücklich und zufrieden. Dr. Strange läßt sich noch zu einem kurzen politischen Statement (im weitesten Sinne) herbei: „Gewalt erzeugt Gewalt. Nur im Frieden kann der Sieg errungen werden!“ Hoffentlich hat es sich Präsident Nixon hinter die Ohren geschrieben,,,

Ein paar Erklärungen werden nachgeschoben: Die Trance war eine Schutzmaßnahme des Weisen gegen die Bombenexplosionen. Um aus ihr wieder herauszukommen, rief er selbst Dr. Strange zu Hilfe. Bleiben ein paar Fragen: Warum hielten ihn die anderen Tempelbewohner für tot? Es wäre doch anzunehmen, daß er sich schon öfters in Trance versetzt hat. Und äußerlich war er völlig unversehrt. Warum wurde Flash für die Bombardierung allein verantwortlich gemacht? Wo er doch sogar noch einmal beim Tempel war, um die Bewohner zu warnen? Und warum braucht Dr. Strange einen Superhelden als Assistenten? Kann er sich die Vietnamesen nicht selbst mit Zauberkraft vom Leibe halten? Etwas angeklebt wirkt das Ende: Flash will sich sofort mit Gwen treffen, um ihr sein Erlebnis zu erzählen. Was Peter erneut in düsteres Brüten versetzt, ob er dabei ist, Gwen zu verlieren. Aber solche Wendungen haben mich damals dazu gebracht dranzubleiben.

John Romitas Zeichnungen sind erneut nur guter Durchschnitt. Auf die Visualisierung von Dr. Stranges Zauberkräften verzichtet er weitgehend. Da sind wir von Steve Ditko und Gene Colan weit Besseres gewohnt. Interessant fand ich jedoch, daß bei dem Magier mehrmals christliche Versatzstücke auftauchen. Die Vietnamesen schicken sich mit den Worten „Auge um Auge“ an, Flash hinzurichten (siehe 2. Mos 21, 24). Dr. Strange erweist sich als bibelfest: „Es steht auch geschrieben… du sollst nicht töten!“ (2. Mos 20,13). Zu dem Weisen sagt er später: „Jetzt bist du wiedergeboren.“ Ein amerikanischen Christen wohlbekannter Begriff, wenn auch hier anders verwendet. So redet allerdings eigentlich weder ein Magier noch ein Vietnamese. Ansonsten ist in dieser Ausgabe wieder Platz für den „Marvel-Mini-Markt“.

Geändert von Peter L. Opmann (25.04.2019 um 14:41 Uhr)
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