Thema: Filmklassiker
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Alt 19.10.2022, 07:47   #40  
Peter L. Opmann
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Na, dann hat sich die Besprechung doch gelohnt...

Dann mal wieder ein Klassiker, von dem zumindest jeder mal gehört haben sollte: „African Queen“ von 1951. Ein Abenteuerfilm, der aus dem Rahmen fällt. Am Rande ist das auch ein Kriegsfilm, aber einer, in dem der Krieg gewiß nicht zum Abenteuer wird. Regisseur war John Huston.

Muß ich die Story nacherzählen? Naja, vielleicht hat nicht jeder den Film genau im Kopf. Es beginnt bei einem britischen Missionar in Ostafrika und seiner Gemeinde (Robert Morley – damit sind wir sozusagen wieder in der Nähe von „Miss Marple“). Ein kanadischer Bootskapitän (Humphrey Bogart) kommt bei ihm und seiner Schwester (Katherine Hepburn) gelegentlich vorbei und hält so die Verbindung zur Zivilisation aufrecht. Der Erste Weltkrieg ist gerade ausgebrochen, aber hier in Afrika ist das weit weg – Bogart weiß auch nicht so genau, wer da eigentlich gegen wen kämpft. Nachdem er abgedampft ist, kommen jedoch deutsche Soldaten auf einer Strafexpedition ins Dorf und brennen alles nieder, auch die Kirche. Der Missionar verliert den Verstand und stirbt bald darauf. Als Bogart zurückkehrt, trifft er nur noch Hepburn an. Bevor sie noch einmal in den Krieg hineingezogen werden kann, nimmt er sie auf seinem Boot, der „African Queen“, mit.

Doch wohin nun? Da zeigt Hepburn, bisher nur durch ihre Frömmigkeit aufgefallen, überraschende Heldenqualitäten: Sie will das Boot auf den Viktoriasee steuern und dort das deutsche Kriegsschiff Luisa angreifen, um die deutsche Armee in Afrika zu schwächen. Bogart erklärt sie für verrückt, denn er weiß, daß der Weg auf dem Fluß bis zum See höchst gefährlich ist – und wie soll er es mit seinem Boot schaffen, ein großes Kriegsschiff zu zerstören? Der Großteil des Films zeigt die tatsächlich äußerst gefahrvolle Fahrt auf dem Fluß zum Viktoriasee (man spricht heute gern von „Heldenreise“).

Während dieser Fahrt ändert sich das Verhältnis von Bogart und Hepburn. Er ist eigentlich ein Mann, der Schwierigkeiten aus dem Weg geht und lieber in Ruhe einen Gin trinkt (er hat einen großen Vorrat Flaschen an Bord). Hepburn bewundert er eigentlich, weil sie eine feine Dame ist (aber auch gewissermaßen eine alte Jungfer). Als sie ihn zwingt, sich in den Krieg einzumischen, beginnt er zunächst, sie zu hassen. Je mehr Gefahren sie heil überstehen, desto mehr werden sie aber als Heldenpaar zusammengeschweißt. Ein „seltsames Paar“, was Huston augenzwinkernd vorführt.

Schließlich erreichen sie tatsächlich den Viktoriasee. Durch selbstgebastelte Torpedos verwandeln Bogart und Hepburn die „African Queen“ in eine Waffe. Beim Angriff auf die Luisa geht das Boot aber unter, und das Paar gerät in deutsche Kriegsgefangenschaft und wird zum Tode verurteilt. Sie bitten den deutschen Kapitän, sie vor ihrer Hinrichtung noch zu trauen, was er ihnen nicht abschlagen kann. Während der Zeremonie wird die Luisa dann von Trümmern der „African Queen“ getroffen, die explodieren und das Kriegsschiff ebenfalls zum Sinken bringen. Das ist glaube ich auch so ziemlich das Ende des Films.

Ein ungewöhnlicher Abenteuerfilm. Bogart, den man heute – abgesehen von „Casablanca“ – vor allem als Gangsterdarsteller kennt, war einige Jahre vorher auch ein abenteuerlicher Held (siehe „Der Schatz der Sierra Madre“, ebenfalls von John Huston). Er war aber für eine solche Rolle inzwischen eigentlich zu alt, was auch so gezeigt wird. Eine noch ungewöhnlichere Heldin war Katherine Hepburn, die ebenfalls als nicht mehr unbedingt jugendlich vorgeführt wird. Das Faszinierende an dem Film ist für mich ihre Beziehung und wie sie sich allmählich entwickelt.

Nicht unbedingt üblich war damals aber auch die Entscheidung, den Film quasi on location in Afrika zu drehen. Es heißt, Huston habe das vor allem so gewollt, weil er die Dreharbeiten benutzen wollte, auf Großwildjagd zu gehen. Er nahm dafür eine Menge Schwierigkeiten für den Dreh in Kauf; Afrika ist nicht unbedingt eine einfache Filmkulisse, wenn man nicht alles im Studio nachbaut. Die Entstehung des Films war Gegenstand eines weiteren Films: „Weißer Jäger, schwarzes Herz“.

Für mich stimmt die Mischung aus Spannung und Humor. Mit seiner genialen Erzählweise ist „African Queen“ für mich 70 Jahre nach seiner Herstellung noch unerreicht.

John Huston ist ein Regisseur, mit dem sich zu beschäftigen generell lohnt. In seinem Werk finden sich eine Menge einzigartige Filme, etwa „Misfits“ (der letzte Film von Marilyn Monroe und Clark Gable), „Die Nacht des Leguan“, und auch seine letzten drei Filme sind bemerkenswert: „Unter dem Vulkan“, „Die Ehre der Prizzis“ und „Die Toten“ (nach James Joyce). Richtige Komödien hat er allerdings, soweit ich sehe, nicht gedreht.
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