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Alt 25.01.2018, 18:24   #166  
Servalan
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Als Fan der Geschichten von Stanisław Lem konnte ich der Verfilmung seines genialen Romans Der futurologische Kongreß natürlich nicht widerstehen. Den Roman habe ich jedenfalls gelesen. Als damals ein Schuber mit allem, was sich um Ijon Tichy dreht, erschien, habe ich mir das Teil gegönnt.
Lem sprüht nur so vor Ideen, gleitet gern ins Philosophische ab und verliert sich gern mal in verstiegenen Theorien - allerdings nutzt er dafür teilweise ein überschaubares Register von Erzählweisen, das sich nach einer Weile förmlich aufdrängt.
Deshalb lese ich ihn am liebsten in geringen Dosen, hier mal einige Kurzgeschichten, dort mal ein Roman. Wegen seiner theoretischen Fülle gehört eine Portion Mut dazu, daraus ein Drehbuch zu machen.
Als klassische Verfilmung ist mein Favorit bislang Testflug zum Saturn | Der Testflug des Piloten Pirx | Test pilota Pirxa (Polen / Sowjetunion 1978, Regie: Marek Piestrak). Von der Dramaturgie gibt es deutliche Parallelen zum Androiden-Subplot in Ridley Scotts Alien (1979).

Lem hätte Ari Folmans Neuinterpretation The Congress (Israel 2013) wahrscheinlich nicht gefallen, tippe ich. Wenn Lem schon Tarkowskis Solaris (1972) seine Gnade versagt hat, hätte er sich für The Congress wohl geschämt.
Um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen, Tarkowskis Solaris halte ich für ein filmisches Meisterwerk - auch weil es etwas Eigenes ist. Am besten wirkt der Klassikier auf einer riesigen Kinoleinwand.
The Congress empfinde ich eher zwiespältig. Die Einleitung finde ich ein wenig zu lang, aber dann wird die Vorlage deutlich. Aus meiner Sicht ist der Film nicht zu Ende gedacht und wirkt dadurch zu plakativ. Als ob Folman das Publikum überwältigen will, damit es ja nicht auf eigene Gedanken kommt.
Im Gegensatz den eher leeren Sets im Real-Life-Teil haben die Animationssequenzen Wimmelbildcharakter: prima Futter für Fans, die im Freeze-Frame-Modus jedes Einzelbild analysieren wollen. Der VFX-Orgie steht jedoch ein dürrer Plot gegenüber.

Und Folman macht meines Erachtens den gleichen Fehler wie Tarkowski: Was bei Lem eine Leerstelle bleibt, wird pseudoreligiös zugekleistert. Bei Tarkowski habe ich vollstes Verständnis, nicht zuletzt wegen der historischen Situation in der atheistischen Sowjetunion.
Aber bei Folman wirkt die Masche platt, pathetisch und oft nur peinlich. Wenn dann in einer Schlüsselszene ein Horus am Nebentisch sitzt, ist das Gnostik mit dem Holzhammer.
Da gefielen mir die Szenen besser, die aus Mamoru Oshiis Avalon – Spiel um dein Leben | アヴァロン (Polen / Japan 2001) hätten stammen können. Found Footage und echte Filmzitate wären aus meiner Sicht eine Alternative gewesen.

Geändert von Servalan (25.01.2018 um 19:07 Uhr)
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