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Alt 01.05.2016, 14:41   #47  
Servalan
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Standard Lukian von Samosata: Lügengeschichten und Dialoge (Antike)

Diverse Ausgaben, darunter Band 1 der Anderen Bibliothek im Greno Verlag, Nördlingen 1985, hrsg. von Hans Magnus Enzensberger.
Zuletzt Matrix Verlag 2014.
https://de.wikipedia.org/wiki/Lukian_von_Samosata
http://gutenberg.spiegel.de/autor/lu...n-samosata-391 (Volltext-Übersetzngen bei Gutenberg.de)
http://www.zeno.org/Literatur/M/Lukian

Wie versprochen, geht es nun ganz weit zurück in die Vergangenheit - und zwar in das erste Jahrhundert unserer Zeitrechnung.
Der Autor, Lukian von Samosata, lebte von 120 bis 180 oder 200 (darüber streiten sich die Gelehrten) und wurde am Oberlauf des Euphrat geboren, also im Grenzgebiet der heutigen Staaten Türkei, Irak und Syrien. Zu seiner Zeit war Samosata die Hauptstadt des Königreichs Kommagene, Lukian bezeichnete sich selbst als Syrer (nach der römischen Provinz Syria).
Im Laufe seines Lebens bereiste er mehrmals das Mittelmeer, dabei unterrichtete er als Lehrer oder bekleidete Ämter von Gallien bis ins ägyptische Alexandria.

Historiker kennen das Problem: Was über Jahrtausende überliefert wird, hat nicht unbedingt etwas mit Qualität zu tun. Manche Werke aus der Epoche sind lediglich als Zitate in anderen Werken überliefert; Mißverständnisse, Schreibfehler oder bewußte Fehler der Kopisten sorgen für weitere Entstellungen.
Wessen Werke es in Häppchen in den Lehrplan vergangener Zeiten geschafft hatte (Caesar, Cicero & Co.), war deutlich im Vorteil. Auf der anderen Seite finden sich die Autoren der jeweiligen Gegenwart, die für das werben, was ihnen persönlich gefällt und so zur (Wieder-) Entdeckung beitragen.
In diesem konkreten Fall gebührt Christoph Martin Wieland (1733-1813) dieses Verdienst, denn der Aufklärer aus Weimar hat Lukian von Samosata neu übersetzt und bildet heute noch den Fundus der deutschsprachigen Online-Volltexte.

Berechtigte Quellenkritik kippt bei allzu viel Mißtrauen in Paranoia um.
Desinformation gehört zum Standard-Handwerk jedes Geheimdienstes, und Fälschungen sind ein übliches Mittel, um irgendwo Ansprüche anmelden zu können (ich verweise auf das Beispiel der "Konstantinischen Schenkung" des Vatikans).
Was Geschichte betrifft, kursieren diverse Theorien über erfundene und gefälschte Jahrhundert herum.
Die extremste Verschwörungstheorie verwirft alles vor dem 16. Jahrhundert als Lüge und interpretiert die Antike als pure Erfindung vor allem der Renaissance: Nach dieser Lesart haben sich die Königshäuser erhöht, indem sie ihre Regierungszeit in einer antiken Fantasywelt gespiegelt und verdoppelt haben. Diese beiden dynastischen Verzeichnisse sollen danach allerdings nur Allegorien astromonischer Ereignisse sein.

Sowohl Lukian von Samosata als auch Wieland hätten sich köstlich über diese verstiegenen Spekulationen der VT'ler amüsiert. In Post #31 habe ich Das Lob der Torheit empfohlen, und ich kann hier ergänzen, daß der Satiriker Lukian von Samosata sowohl Erasmus von Rotterdam als auch Thomas Morus inspiriert hat.

Der Syrer machte sich über alles lustig, was seinen Zeitgenossen hoch und heilig war. Seine Qualität liegt in der Tatsache begründet, daß seine Kritik heute noch sticht: Er macht sich über Sekten und Mystiker lustig, lobt hinterfotzig den Parasiten und feiert die Lüge. Von ihm stammt eine der frühesten Geschichten über Luft- und Raumfahrt. Seine Hetärengespräche (die Egon Schiele zu Gemälden angeregt haben) entlarven die feine Gesellschaft, die sich diesen antiken Edel-Escort-Service (vom Anspruch glichen die "Damen des Gewerbes" eher Geishas als Callgirls) leisten konnte.

Durch das Format der Buchrolle bleiben seine Werk schlank und übersichtlich, meist schwankt die Länge zwischen 40 und 60 Seiten.

Geändert von Servalan (01.05.2016 um 14:52 Uhr)
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