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Alt 19.09.2021, 21:30   #179  
Peter L. Opmann
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Conan the Barbarian # 16 / Marvel-Superhelden-Comic-Taschenbuch: Conan # 3 / Conan der Barbar, Classic Collection # 1



Erscheinungstermin: Juli 1972 / 1980 (?) / 2019

Story-Titel: Die Tochter des Frostriesen / Schwertkämpfer und Zauberern (sic)!

Original-Storytitel: The Frost Giant’s Daughter / Sword and Sorcery

Zeichnungen: Barry Windsor-Smith

Text: Roy Thomas

Übersetzung: Michael Strittmatter / Bernd Kronsbein

Barry Smith war zunehmend überlastet und wollte die „Conan“-Serie zuletzt sogar aufgeben. Nach dem „Elrik“-Zweiteiler bekam er eine Atempause von einem halben Jahr. Diese Zeit wurde überbrückt, indem „Conan“ wieder auf zweimonatliche Erscheinungsweise umgestellt wurde; außerdem griff Marvel zunächst auf einen Smith-Comic zurück, der ein Jahr zuvor in Schwarz-Weiß für „Savage Tales“ entstanden war, und dann zeichnete Gil Kane zwei Ausgaben. Danach war Smith bereit weiterzumachen. Diese Notlösungen sind in „Conan“ leichter zu bewerkstelligen als in herkömmlichen Superheldenserien, weil es eigentlich keine Kontinuität gibt. Roy Thomas läßt in seinen diversen Vorworten immer mal anklingen, daß er darauf achtete, daß sich die Titelfigur fortlaufend durch seine hyperboräische Welt bewegt und nicht mal hier und mal dort auftaucht. Aber sonst steht jede Story für sich; Thomas mußte kaum auf Nebenfiguren achten oder irgendwelche Entwicklungen weiterverfolgen.

Hier haben wir also die schon in „Savage Tales“ veröffentlichte Ersatz-Episode vor uns. Ich habe sie bereits neulich erwähnt; obwohl sie nur zwölf Seiten lang ist (eigentlich sogar nur elf), hat sie in meinen Augen anderen Episoden eine richtig motivierte, sich nach und nach erklärende Handlung voraus. Kurz zum Inhalt: Am Ende einer Schlacht in einer Schneewüste (deren Hintergrund hier nichts zur Sache tut) sind nur noch Conan und ein Krieger aus Vanaheim am Leben. Conan, der in Diensten der Aesir stand, tötet den Feind, schafft es dann aber nur noch mühsam, das Schlachtfeld zu verlassen. Beinahe bewußtlos stürzt er hin, da sieht er eine – für damalige Verhältnisse – leicht bekleidete, äußerst verführerische blonde Frau vor sich. Conan denkt, daß sie aus einem nahen Dorf kommt, wo er ärztliche Hilfe erhalten könnte. Sie reizt ihn aber mit der Behauptung, er könne ihr gewiß nicht folgen. Conan rafft sich auf und läuft ihr hinterher. Er rechnet damit, daß sie ihn in eine Falle locken könnte, aber er ist siegesgewiß und auch überzeugt, daß er sie einfangen wird (heute würde da der Vorwurf der sexuellen Nötigung in der Luft liegen, aber das Problem hat Conan durchaus öfter).

Als er sie beinahe erreicht hat, treten hinter Felsen zwei Riesen, die Frostriesen und zugleich Söhne des Wintergottes Ymir, hervor. Sie sind jedoch offenbar keine Götter, denn Conan erledigt beide mit seinem Schwert. Nun greift er sich das Mädchen, das einen ziemlich kalten Körper hat, und küßt sie. Da ruft sie ihren Vater – Ymir – zu Hilfe. Mit einem Zauber holt er sie zu sich – in den Himmel (?). Nun schwinden Conan endgültig die Kräfte. Er sinkt besinnungslos in den Schnee. Angehörige der Aesir finden ihn und holen ihn ins Leben zurück. Conan berichtet, was er erlebt hat. Ihm wird nicht so recht geglaubt, und er selbst ist zweifelnd. Ein alter Krieger erklärt ihm jedoch, daß die Frau Atali war, die immer wieder Männer in ihr Verderben lockt. Und dann entdeckt Conan einen Fetzen vom Stoff ihres beinahe durchsichtigen Umhangs – es war also tatsächlich kein Trugbild.

Der Comic folgt ziemlich genau der gleichnamigen Howard-Story. R. E. H. hat sich hier eines sehr alten Mythos bedient: weibliche Wesen (oft Geisterwesen) bringen arglose Männer dazu, ihnen in eine tödliche Falle zu folgen. Man denke an die Sirenen, wegen denen sich Odysseus auf seinem Schiff festbinden läßt, oder die Meerjungfrau Undine, die Männer ertrinken läßt. Er setzt das Motiv aber recht geschickt ins Sword-and-Sorcery-Genre um. Und diese Begegnung Conans mit der Mystik ergibt Sinn. Der Leser versteht am Ende, warum sich Atali zeigte und daß alles eben kein Traum, sondern eine übersinnliche Begegnung war. Das ist zugleich die gut gesetzte Pointe. Und das Motiv der ebenso schönen wie tödlichen Frau (wiewohl frauenfeindlich) entfaltet ihre Wirkung und gibt der Story ihre Spannung.

Zur Grafik sind vor allem ein paar Bearbeitungen des ursprünglichen Comics anzumerken: Der Colorist wird nicht genannt, obwohl er – oder sie – die Hauptarbeit für die Comicbook-Version geleistet hat. Das Heft konnte schlecht wie die Magazinversion mit einer Doppelseite beginnen; deshalb zeichnete Smith eine vorgeschaltete Einzelseite, die aber keine rechte Funktion hat und eventuell sogar einen Anschlußfehler aufweist: Erst stehen sich Conan und der Vanaheimer gegenüber. Im nächsten Moment kniet der Krieger eher im Schnee. Was in der Panini-Collection im Anhang vorgeführt wird: Atali wird zumindest in einem Panel mit nackter Brust gezeigt; im jugendfreien Comicbook wird aber ihr Umhang darüber gezeichnet. Alles in allem eine Episode, die mir sehr zusagt.

Aufgefüllt wird das Heft mit dem Siebenseiter „Sword and Sorcery“, Smiths erstem in der Art von „Conan“ gezeichnetem Comic aus „Chamber of Darkness“ # 4 von 1970. Smiths Zeichnstil ist hier noch ziemlich von Jack Kirby beeinflußt. Inhaltlich durchdringen sich hier der Traum eines Pulp-Autors und der eines Barbaren. Am Schnittpunkt der beiden Erlebnisse wird der moderne Mensch von dem vorzeitlichen Krieger getötet. Panini bringt diesen Comic ganz zu Beginn seines „Conan“-Wälzers.

Geändert von Peter L. Opmann (01.10.2021 um 19:46 Uhr)
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