Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 19.09.2019, 19:07   #207  
Peter L. Opmann
Mitglied
 
Benutzerbild von Peter L. Opmann
 
Ort: Hessen
Beiträge: 5.541
Die Spinne (Williams) 96 und 97
(= Der mächtige Thor 48)

Erscheinungstermin: 10/11/1977

Originalausgabe:
1) The mighty Thor # 130

Story-Titel:
1) Donner in der niederen Welt!

Original-Storytitel:
1) Thunder in the Netherworld!

Zeichnungen:
1) Jack Kirby / Vince Colletta

Text:
1) Stan Lee



In dieser Ausgabe demonstrieren Stan Lee und Jack Kirby exemplarisch, was sie jeweils am besten können: Lee pathetische Sprüche, die jüngere Leser durchaus beeindrucken, für Ältere ein wenig durch Selbstironie unterlaufen; Kirby monumentale Schlachten zeichnen, bei denen der Held auf waffenstarrende Horden in Fantasieuniformen und bizarren Kampfanzügen trifft und alles kurz und klein schlägt. Und doch ist das bei weitem nicht eine ihrer besten Arbeiten; der Story fehlt es jedenfalls deutlich an Raffinement. Man ist mehr daran interessiert, was es mit Jane Fosters mysteriöser Untermieterin auf sich hat, die sich bereits darauf vorbereitet zuzuschlagen, obwohl noch gar nicht ausgemacht ist, ob Thor aus Plutos niederem Reich zurückkehrt (obwohl: Zweifelt irgendwer ernsthaft daran?).

Pluto warnt jedenfalls vollmundig: „Niemals ist etwas hoffnungsloser gewesen! Noch niemals hat ein Mensch oder ein Unsterblicher so wenig Aussicht auf Erfolg gehabt!“ Als Thor tatsächlich ins niedere Reich hinabsteigt, um dort für Herkules zu kämpfen, der, wie wir uns erinnern, dummerweise einen für ihn sehr ungünstigen Vertrag unterzeichnet hat, ist schnell klar, daß er keineswegs auf verlorenem Posten kämpft. Irgendwie hat da der Leser die Phrasen von Pluto gar nicht mehr recht im Kopf. Man sieht also: Es geht sowohl Lee als auch Kirby um den grellen, oberflächlichen Effekt. Hier wird nichts erzählt, worüber man noch ein wenig nachsinnen könnte – oder sollte. Thor fegt den riesenhaften, Strahlen verschießenden Cerberus beiseite, schlägt brutal drein, als sich ihm Plutos Horden entgegenstellen, weicht geschickt einer „kosmischen Kanonenkugel“ aus (klingt auf Englisch vermutlich etwas eindrucksvoller) und kauft am Ende sogar dem „Brecher“ den Schneid ab (vermutlich würde dieser Brecher aber auch gegen den Hulk auf verlorenem Posten stehen). Pluto hat inzwischen zwei Dinge eingesehen: Geht der Kampf weiter, dann haut Thor das gesamte niedere Reich zu Klump, und er selbst fühlt sich dort doch mehr zuhause als auf den Höhen des Olymp. So zerreißt er den Vertrag und gibt Herkules frei. Thor und Herkules schließen Freundschaft.

Immer wieder eingestreut sind Seitenblicke auf Jane Fosters Mitbewohnerin Tana Nile, die sich immer seltsamer verhält. Als diese Episode erschien, war es sicher noch ungewöhnlich, daß einer Frau in der Geborgenheit ihres Heims von einer anderen Frau Gefahr droht – wenn es sich nicht gerade um die böse Schwiegermutter handelt. Es gefällt mir ganz gut, wie Tana Nile sich Stück für Stück in ein bedrophliches Wesen verwandelt. Zauberkräfte scheinen im Spiel zu sein (denken wir daran, daß die Serie bis vor kurzem noch „Journey into Mystery“ betitelt war). Nachdem sie Jane Foster völlig unter ihre Gewalt gebracht hat, schickt sie sie weg – dorthin, wo Thor sie nie wiederfindet (aber wir wissen ja jetzt, was von Lees Sprüchen zu halten ist). Dann verwandelt sie selbst sich in etwas, das wir noch nicht richtig identifizieren können. Thor spürt etwas von der Gefahr, ist aber zu diesem Zeitpunkt noch voll und ganz in Plutos Reich engagiert.

Wieder mal also eine Geschichte, von deren Glaubwürdigkeit und Folgerichtigkeit nicht viel zu halten ist. Aber die Handlungsstränge sind wieder mal verwoben; der Leser wird animiert dranzubleiben. Plausibler erscheint mir angesichts dessen, daß Thor bei den Rächern ausgestiegen ist und noch eine ganze Weile nicht wieder auftauchen wird. Bei den Zeichnungen kann ich mich nur wiederholen: Kirby liefert durchgängig gute Arbeit ab. Vince Colletta ist nun so weit eingearbeitet, daß man sein Inking akzeptieren kann. Es gäbe aber wesentlich bessere Kirby-Inker.

Geändert von Peter L. Opmann (19.09.2019 um 21:29 Uhr)
Peter L. Opmann ist offline   Mit Zitat antworten