Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 24.11.2016, 13:20   #32  
Servalan
Moderatorin Internationale Comics
 
Benutzerbild von Servalan
 
Ort: Südskandinavien
Beiträge: 10.322
Blog-Einträge: 3
Um noch einmal auf tschick zurückzukommen: Ich finde, hier zeigt sich, daß die Königsmacher im deutschsprachigen Raum ziemliche Schwierigkeiten mit lockeren Geschichten haben, die das Publikum scheinbar leicht unterhalten.

Mit den Königsmachern meine ich jene Instanzen, die den Kanon beeinflussen und verändern können, also Akademiker (Germanisten, Romanisten, Anglisten und andere Philologen und Geisteswissenschaftler) sowie die bezahlten Berufskritiker von Presse, Funk und Fernsehen.
Diese Leute haben ja nicht nur das Privileg, daß sie ihren Lebensunterhalt mit dieser Tätigkeit sichern, sie tauchen im Literaturzirkus häufig mehrfach auf und entscheiden, wer mitspielen darf und wer nicht: Sie sitzen in Jurys, geben nach dem Tod des Autors Werkausgaben heraus und geben für die Allgemeinheit der abstrakten Literatur ein Gesicht.
Marcel Reich-Ranicki, Dennis Scheck, Elke Heidenreich & Co. greifen wiederholt ins Geschehen ein und können ihren Spin setzen.

Zu Lebzeiten galt Herrndorf eher als Leichtgewicht. Erst nach seinem spektakulären Suizid hat er sich eine feste Stellung erobert. Ähnliche Fälle wären meiner Ansicht nach Jurek Becker und Graham Greene.
Als ich vor Jahren Greenes Unser Mann in Havanna gelesen habe, hat eine Bekannte von mir die Nase gerümpft, als ob ich mir einen drittklassigen Landserroman antun würde. Diese schräge Sicht hat mich irritiert, zumal die Bekannte im sozialen Bereich unterwegs war: Ich habe mich im Stillen gefragt, ob sie so wenig Ahnung von Literatur hat oder ob sie so eine schlechte Menschenkenntnis hat.
Greene wurde im hohen Alter häufig als Kandidat für den Literaturnobelpreis gehandelt. Dennoch hatte er ein weltweites Publikum.

Die Verfilmung von Carol Reed mit Alec Guinness als Staubsaugervertreter in Kuba hat mir gefallen, obwohl der Stil der späten 1950er Jahre heute von der jüngeren Generation als behäbig und schwerfällig empfunden wird.
Durch die Atmosphäre läßt sich die Zeitgeschichte wie in einem Bernstein betrachten. Außerdem bin ich ein Fan von Alec Guinness. Deswegen zählt Unser Mann in Havanna für mich zu den besseren Verfilmungen.
Servalan ist offline   Mit Zitat antworten