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Alt 03.01.2022, 21:50   #5374  
God_W.
Captain Rezi
 
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Grusel- und Horror-Material gibt es massenweise, aber wer hätte gedacht, dass es dermaßen viele lohnenswerte Comics über Wikinger oder die nordischen Götterwelten gibt? Auf zu Runde 8…


Der Verbannte (Erik Kriek)



Der Niederländer Erik Kriek ist mir mit seinem tollen Band „Vom Jenseits und andere Erzählungen“, in dem er mehrere Lovecraft-Geschichten adaptiert zum ersten mal untergekommen, und gleich sehr positiv im Gedächtnis geblieben. War der Lovecraft-Band noch Schwarz, Weiß und Grau, so wird jetzt zusätzlich noch ein wahnhaftes Rot dargeboten, welches Kriek vornehmlich in den beklemmenden Flashbacks des Hauptcharakters zum Einsatz bringt.

Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist der Krieger Hallstein Thordsson, der nach siebenjähriger Verbannung in die Heimat zurückkehrt. Er denkt seine Strafe verbüßt zu haben und fordert sein Erbrecht ein, doch Jene, die schon damals unzufrieden damit waren, dass ihn kein Todesurteil ereilt hat, können auch nach sieben Lenzen keine Vergebung erteilen. So ist Konfrontation vorprogrammiert, zusätzlich zu den Intrigen, die ohnehin im Gange sind.

Mehr möchte ich gar nicht erzählen, denn die packende und wendungsreiche Geschichte verdient es auf alle Fälle spoilerfrei entdeckt zu werden. Sehr schön war für mich auch das Widererkennen von verschiedenen Bräuchen der alten Wikinger und deren Umsetzung durch unterschiedliche Autoren und Zeichner. So durfte ich zum Beispiel auch hier wieder Versammlungen des Althing oder einem Holmgang beiwohnen, was trotz unterschiedlicher Herangehensweisen von Erik Kriek und Brian Wood (Northlanders) sofort klar erkennbar war. Starke Geschichte, kraftvolles und ausdrucksstarkes Artwork, toller Band im schnieken Hardcover mit sechs Seiten Vorwort, Glossar und Extras.

8,5/10




Providence – Deluxe Edition 1 (Alan Moore)



Ich bin mit Rezis im Hintertreffen, deshalb nur ganz kurz, was mir sowohl bei Lovecraft als auch bei Moore oft schwerfällt, aber der Herausforderung stelle ich mich.

Der stumpfe, recht inhaltslose Monster-Porno, als welcher das Werk ab und an dargestellt wird, ist es sicher nicht. Klar, da gibt es recht harte, explizite Szenen, die von Natur aus wohl einfach am deutlichsten im Gedächtnis bleiben, eben weil Mister Moore hier mal wieder mit Tabus kokettiert und die Grenzen des guten Geschmacks auslotet, doch ohne Sinn und Verstand geht das Ganze sicher nicht vonstatten und wer Lovecrafts Schaffen im Groben kennt wird eine Fülle von Anspielungen und Verflechtungen erkennen, was schon mit Namen von Rockbands beginnt…

Dieser ob seiner Brutalität und Intensität gegebenenfalls schockierende Teil der Story wird in „The Courtyard“ #1+2 sowie in den vier folgenden Heften Neonomicon #1-4 abgehandelt, in denen zuerst ein beinharter Undercover-Agent auf Spurensuche ist, um einen Drogenring auffliegen zu lassen, was in einer überraschenden Wendung gipfelt, und anschließend eine sexsüchtige FBI-Agentin mit ihrem Partner auf der Suche nach Hinweisen zu den Vorgängen in „The Courtyard“ in einen klaustrophobischen Höllentrip gerät, der nichts für zarte Gemüter ist. Das kann man mögen oder verabscheuen, aber es ist weder inhaltslos noch jemals langweilig. Äußerst dicht und beklemmend erzählt gehört der Abschnitt zu den wenigen Passagen in Horror-Comics, die mir tatsächlich ein beunruhigendes, klaustrophobisches Gefühl vermitteln konnten. Wie gesagt, sicher nicht für jeden was, ich fands stark, wenn auch nicht überragend, Fans von Japanischen Monster-Hentais müssen eh zugreifen.

Dann kommt die Kehrtwende und wir starten mit den ersten vier Heften von „Providence“. Kehrtwende, weil die Erzählgeschwindigkeit deutlich zurückgefahren wird und sich der explizite „Auf-die-Fresse-Provokation-auf-Teufel-komm-raus“-Ton sich ins Gegenteil verkehrt. Hier kommt das Mysteriöse und Beängstigende auf leisen Sohlen und auf äußerst subtile, zu Beginn extrem verwirrende Art und Weise.

Insgesamt bin ich bislang aber doch ein wenig enttäuscht von diesen ersten vier Heften. Es liest sich echt anstrengend, was nicht ausschließlich an der großen Textlastigkeit liegt, sondern vielmehr an den ständigen Wiederholungen. Da wird in Comicform eine Geschichte erzählt, naja, eigentlich eher ein großes Rätsel vor uns ausgebreitet, nur um dann auf seitenlangem Text in Form von Tagebucheinträgen zwei Drittel der soeben erlebten Vorgänge nochmals lang und breit auszuführen. Ja, stellenweise ist das wirklich interessant, weil dabei „das Blut im Rinnstein“, also die Aussagen und Erkenntnisse zwischen den Panels und zwischen den Zeilen nochmals herausgearbeitet werden, andererseits sind dem aufmerksamen Leser viele dieser Kleinigkeiten auch während des Comic-Parts schon aufgefallen. Sich jedes mal nach einer Comicpassage durch fünf oder sechs Seiten Fließtext zu lesen, bevor auf den letzten ein oder zwei Seiten zumindest ein wenig Neues passiert, und es dann wieder im Comicstyle weitergeht, bevor uns diese Passage dann erneut in Textform vorgekaut wird, usw…, nein, das ist vielleicht ganz stimmungsvoll geschrieben, aber insgesamt (bislang) leider wenig fesselnd.

Das Füllhorn von Reminiszenzen an den Gentleman aus Providence, gleich an einen ganzen Schwung seiner Erzählungen und die Einbindung verschiedenster Motive und Versatzstücke aus dessen Gesamtwerk sind eine wahre Freude, und dabei habe ich vermutlich nur einen Teil davon tatsächlich entlarvt. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los Moore hätte lieber eine Novelle statt einem Comic schreiben, und sich in diesem Fall ganz auf seine Schreibkunst verlassen sollen. Das hätte eine stimmige Sache werden können. Dennoch bin ich gespannt, wohin sich die gerade erst begonnene Reise des Schreiberlings, den wir durch Neuengland begleiten, noch entwickeln wird. Vielleicht reißt der Meister das Ruder ja nochmal rum.

7/10




Walt Disneys Wundervolles Weihnachtsfest



In Albenformat, Lederoptik und goldgeprägtem Titel hat unser zweiter Weihnachtsband des Jahres zumindest in Sachen Ausstattung deutlich die Nase vorn. Inhaltlich kann die Ausgabe allerdings nicht gegen das herausragende LTB Sonderband Nr. 1 – Weihnachtsgeschichten anstinken. Nicht falsch verstehen, es ist eine wirklich schöne Sammlung von Geschichten, die eine wohlige Weihnachtsstimmung verbreiten und ideal auf das Fest einstimmen kann, aber das Lustige Taschenbuch hat die Messlatte dermaßen hochgelegt, da gab es einfach kein Rankommen.

Mit Santa gegen Panzerknacker geht es gleich ganz spaßig los, die kurze Geschichte mit Karl Käfer, den man ja nicht allzu oft zu Gesicht bekommt, in der Hauptrolle, war ein persönliches Highlight für mich. Anschließend lernen wir, dass man sich manchmal doch auf seine eigenen guten Taten besinnen darf, statt sein Licht unter den Scheffel zu stellen und Micky und Goofy finden sich in einer kleinen Sherlock Holmes Hommage wieder.

Donald ist zwischendurch mal wieder äußerst gehässig, fand ich nicht so gut, dafür sind die Jungs äußerst nett zu A-Hörnchen und B-Hörnchen. Neben einem kleinen Fantasy-Abstecher bringt „Gebrauchte Geschenke“ das Herz des Weihnachtsfestes mal wieder mächtig zum Leuchten und Schlagen. „Schurken in der Bank“ schlägt ebenso in diese herzerwärmende Kerbe während der Millennium-Schock in „Rückkehr des Weihnachtsmanns“ eher eine Portion unterhaltsamen Spaß und Nonsens bringt.

Auf alle Stories will ich aber gar nicht eingehen, insgesamt sicher ein guter Band, der prima unterhält und das macht was er soll, weihnachtliche Stimmung in den Geist des Lesers pflanzen.

7/10

VG, God_W.
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