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Alt 29.03.2018, 20:37   #43  
Peter L. Opmann
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Die Spinne (Williams) 5

Erscheinungstermin: 3/1974

Originalausgabe:
1) Amazing Spider-Man # 3
2) Tales to Astonish # 75

Story-Titel:
1) Doktor Octopus
2) Das Ende der Suche

Original-Storytitel:
1) Doctor Octopus
2) When fails the Quest!

Zeichnungen:
1) Steve Ditko
2) Adam Austin (= Gene Colan) / Vince Colletta

Text:
1) Stan Lee
2) Stan Lee



Dies ist die erste Ausgabe mit gewohntem Aufbau: 20 Seiten „Spinne“, zwölf Seiten „Aquarius“. Und schon kündigt Remo in einem Editorial „in einigen Monaten“ eine Erweiterung des Programms an. Prinzipiell ist diese Voraussage ja eingetroffen, es dauerte nur bis zur 22. Monatsproduktion. In der Checkliste gibt es nun kurze Werbetexte für die einzelnen Heftserien. Die hinteren Umschlagseiten werden, wie gehabt, mit der Vorschau und der Coupon-Sammelaktion belegt. Remo spricht übrigens auch davon, daß die Hefte aus ihrem „Nur-Comic-Dasein“ erlöst seien und es nun auch viele Seiten mit Sammelbildern, Minipostern und Rätsel-/Bastel-Seiten gebe. Da wird etwas angepriesen, das die Welt vielleicht nicht unbedingt braucht. Was mir als Kind gefallen hat, ist die Umrahmung der Redaktionsseite mit den Signets der Serie, das heißt, den Köpfen der Helden. Das gab’s aber nur in den ganz frühen Ausgaben.

Konzentrieren wir uns auf die „Spinne“-Story. Die erste Seite nach der Splash-Page, auf der die Spinne eine Panzerknacker-Bande dingfest macht und ihr Spinnen-Signal einsetzt, fehlt leider. Grundsätzlich wird der Aufbau der „Geier“-Geschichte wiederholt: Die Spinne wird von einem neuen, ziemlich schlagkräftigen Gegner besiegt, rappelt sich aber wieder auf und bringt ihn im zweiten Aufeinandertreffen zur Strecke. Im Unterschied zum Geier wird die Genese von Doktor Octopus in allen Details geschildert. Er ist ein Wissenschaftler, der mit radioaktiven Stoffen experimentiert. Dazu müssen die Stoffe in einem abgeschirmten Raum eingesetzt werden, und die künstlichen Teleskop-Arme von Ock sind zunächst nur dazu da, daß er in diesen Raum hineingreifen kann, ohne Radioaktivität abzubekommen. Es sind offenbar deshalb vier, damit er mehrere Tätigkeiten gleichzeitig ausführen kann.

Mit seiner dicken Sonnenbrille, dem breiten, brutalen Mund und der recht häßlichen Fransenfrisur sieht er von Anfang an nicht sehr sympathisch aus. Aber er ist offenbar nur ein Forscher, der nach Erkenntnis strebt. Dann aber gerät die Radioaktivität außer Kontrolle, es kommt zur Explosion, und Ock bekommt eine enorme Dosis ab. Die Folge: Seine künstlichen Arme sind an seinem Leib festgewachsen, und seine Persönlichkeit ist verändert. Jetzt ist Ock so skrupellos, brutal und böse, wie er schon vorher aussah. Zunächst tut er eigentlich nichts Ungesetzliches – abgesehen davon, daß er das Krankenhauspersonal bedroht. Aber die Spinne spürt ihn bald auf (JJJ wollte Fotos des verunglückten Wissenschaftlers), und ein heißer Kampf entbrennt.

Die Spinne versucht, Ocks Tentakel zu bändigen, bekommt aber nicht alle vier in den Griff und wird von ihm verprügelt und dann aus dem Fenster geworfen. Das macht Peter Parker gleich wieder depressiv; er will seinen Superheldenjob aufgeben. Ock kehrt in sein Atomforschungslabor zurück, übernimmt dort die Kontrolle und schmiedet – was auch sonst? – Welteroberungspläne. Peter bläst weiter Trübsal. Aber nun setzt die Regierung die Fantastischen Vier auf Doc Ock an, und zu diesem Zweck kommt die menschliche Fackel an Peters Schule (welch Zufall), um dort mit einer Rede die allgemeine Moral zu heben. Peter fühlt sich persönlich angesprochen und beschließt, Ock in seinem Labor als Spinne anzugreifen.

Auch Peter ist ja ein kleiner Wissenschaftler. Er entwickelt ein Mittel, mit dem er die Arme Ocks miteinander verschweißen will. Das gelingt ihm beim Aufeinandertreffen aber nur mit zwei Armen; die beiden anderen genügen Ock locker, die Spinne wie schon beim ersten Mal zu dominieren. Im letzten Moment kommt sie jedoch auf einen anderen Trick: Sie verklebt seine Brille mit ihrem Netz, so daß er nichts mehr sieht (das gab es bei späteren Begegnungen noch häufiger). Während Ock ins Leere schlägt, knockt ihn die Spinne aus. Einziges Manko: Fotografiert hat Peter Parker diesmal nicht, obwohl er Jameson versprochen hatte, exklusive Bilder zu liefern.

Schlußpointe: Die Spinne besucht noch einmal die Fackel und bedankt sich für ihre Hilfe. Johnny Storm versteht nur Bahnhof. Im letzten Bild beharken sich Peter und Superheldenfan Flash Thompson noch ein bißchen. Flash himmelt ja auch die Spinne an, während er Peter verachtet und piesackt. Dieses seltsame Phänomen, das auf Peters geheimer Doppelidentität beruht (und von Superman / Clark Kent, letztlich von Zorro / Don Diego abgeschaut ist), kommt hier erstmals ausführlich zur Geltung und wird in vielen folgenden Ausgaben noch eine Rolle spielen.

Doktor Octopus ist häufig als Erzfeind der Spinne zurückgekehrt. Nicht lange danach wird er Peter im Kampf demaskieren. Einmal dreht er sogar das Spiel mit der Geheimidentität um, indem er als harmloser Professor Octavius Peters Tante May heiraten will. Und er ist für den Tod von Captain Stacy verantwortlich, des Vaters von Peters Freundin Gwen. Ock wird von Steve Ditko von Anfang an in typischen Posen gezeichnet. Sein Kampf mit der Spinne weist ebenso von Beginn an Muster auf, die Ditko und auch spätere Zeichner genauso beibehalten werden. Die Story ist in ihrer allgemeinen Struktur recht stereotyp (wie erwähnt, ähnelt sie dem vorangegangenen Kampf mit dem Geier), aber weist viele interessante Details auf.

Zum Beispiel demonstriert die Spinne hier deutlich, wie sie an Wänden emporläuft. Ock setzt seine Arme vielfältig ein. Sowohl Peters Rivalität mit Flash wird in dieser Ausgabe begründet als auch seine komplizierte Freundschaft mit Johnny Storm (es handelt sich um zwei Jugendliche im Marvel-Universum, bei denen es naheliegend erscheint, daß sie sich gegenseitig helfen, aber auch mal miteinander rangeln). Leider teilt sich die Originalität der Auseinandersetzung zwischen Spinne und Ock nicht mehr so richtig mit, nachdem man schon viele ähnliche ähnliche Kämpfe in den Comics verfolgt hat, aber ich kann mir vorstellen, daß die Geschichte auf die damaligen Leser große Wirkung hatte. Ich kann immerhin noch ihren historischen Wert anerkennen. Die Zeichnungen sind alles in allem nicht genial, aber ordentlich und schon recht Spinne-typisch.
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