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Alt 07.03.2008, 18:43   #5  
Peter_Wiechmann
am 11.01.2020 verstorben
 
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Der berühmteste aller Cangaceiros-Köpfe jedoch ist Virgulino Ferreira da Silva – 1897 in Serra Telhado geboren. (... vielleicht auch zwei Jahre später)

Er sieht aus wie ein schüchterner Oberlehrer mit Nickelbrille, herrscht aber mit eiserner Hand, kaltblütigem Mord und wahrhaft grausamer Gewalt.

1918 werden seine Eltern von einem Fazendero getötet. Mit seinem Bruder flüchtet er in den Sertao und schließt sich einer marodierenden Bande an.

Zwei Jahre später befehligt er 45 zu allem entschlossene Cangaceiros und ist nur noch unter seinem nom de guerre bekannt: Lampiao! ( = Blitz)

Eine Anspielung auf das fast nie verlöschende Mündungsfeuer seines Mauser-Karabiners, der Tod und Verderben speit.




Von links nach rechts: Maria Bonita - Virgulino Ferreira da Silva = genannt Lampiao



Bandenchef Lampiao und seine Geliebte Maria Bonita



1929 nimmt er die junge Maria Bonita als kämpfendes Mitglied und als seine Geliebte in der Bande auf – die erste Frau unter Cangaceiros.

Mit ihr und den meisten seiner Kämpfer geht er 1938 in den Tod – ab 1940 dominiert das Militär endgültig über die Reste der Cangaceiros. Die zügellose, anarchistische Zeit der Cangacos ist zu Ende ...



Die abgeschlagenen Köpfe der Lampiao-Cangaco werden triumphierend zur Schau gestellt



– Tenente Bezerro läst sich nach dem Massaker feiern ...




***
Der berühmte Regisseur Lima Barreto stellt 1954 seinen Film Os Cangaceiros in Cannes einem internationalen Publikum vor. Er entwirft darin zwar eine etwas folkloristische Szenerie des historischen Geschehens, aber die wilde Ursprünglichkeit seiner Bilder schlägt das Publikum – bis heute – in den Bann.


Auch Regisseur Barreto lässt eine ‚Maria Bonita’ in den Reihen der Gesetzlosen reiten.
Einer der verhassten Militärs ist in Gefangenschaft geraten.



Fertig zum Angriff!


Mit einem Schlag ist der brasilianische ‚Western’ geboren und ein unbekannter, riesiger Landstrich des unbekannten Brasiliens in den Blickpunkt Europas gerückt.

Die Titelmelodie des Films trägt sehr viel dazu bei, das einzigartige Werk des Regisseurs Barreto immer wieder in Erinnerung zu rufen.

***

Soweit die lange Vorgeschichte des Stoffs, der mich seit 1955 – nach einer von vielen Filmrissen unterbrochenen Schulvorführung - für immer fesselt.

Wegen der Melodie lernte ich die ersten Gitarrengriffe und 1965 erschließt sich mir die brasilianische Literatur.

Eine ergraute Bibliothekarin drückt mir lächelnd Grande Sertao von Joao Guimaraes Rosa in die Hand – ins Deutsche gebracht vom genialen Übersetzer Curt Meyer-Clason aus dem brasilianischen Portugiesisch.

„Wird Ihnen gefallen!“, sagt sie mit bekräftigendem Nicken. Ich habe es bis heute bestimmt drei Mal gelesen und empfehle es als wirklich ultimatives Abenteuerbuch weiter.

(Antiquarisch ist es bei www.ZVAB.com garantiert zu finden)




Während meiner Grünwalder Schaffensperiode ergibt sich keine wirkliche Gelegenheit die Cangaceiros als Realistic-Comic umzusetzen. Rolf Kauka ist diese Welt des brasilianischen Abenteuers fremd.

Erst Mitte der 80er Jahre - also längst und lange in der Selbständigkeit und mit COMICON II in Spanien beheimatet –
nehme ich den Faden wieder auf und schwanke zwischen Jordi Bernet und Rafael Mendez als Zeichner für meine -
von der rauen, noch nicht in Klischees erstarrten - Handlung der Sertao-Saga.

Meine Entscheidungsschwierigkeit liegt angesichts dieser zwei Großmeister des Comics auf der Hand. Ich schiebe sie daher etwas auf die lange Bank und bitte beide um Muster, die jeweils auf der gleichen Manuskript Vorlage beruhen: Zwei Seiten und einige Milieustudien!
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