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Alt 27.07.2016, 17:41   #91  
Servalan
Moderatorin Internationale Comics
 
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Standard Anatomisch korrekt

Zu den hinterhältigsten Patzern, die einer oder einem beim Schreiben unterlaufen können, gehört die Schilderung einer Szene, in der sich eine Figur verrenkt - und sich benimmt, als wäre nichts geschehen.
Sobald sich das Publikum in eine Geschichte versenkt hat, befindet es sich in einer imaginären Welt und die Spiegelneuronen reagieren schneller als der Blitz.
Solche Unstimmigkeiten spürt das Publikum meist unbewußt. Es bekommt mit, daß etwas nicht stimmt, und ist irritiert, ohne auf Anhieb den Grund erkennen zu können. Auf diese unsanfte Weise wird es aus der Story katapultiert ...

Die oder der Lesende auf der Bühne allerdings wundert sich, weil sie oder er nicht nachvollziehen kann, was nun falsch gelaufen ist. Je realistischer und je szenischer ein Werk verfaßt worden ist, desto höher ist das Risiko.
Gemeinerweise fällt dieser Schnitzer auch beim x-ten Korrektur lesen nicht auf. Falls ein Lektor das liest, wandert das Manuskript jedoch ohne viel Federlesens auf den Stapel der abgelehnten Einsendungen.

Das einzige Mittel dagegen: selber machen.
Es muß euch ja niemand über die Schulter schauen.
Versetzt euch während des Schreibens in eure Figuren und ahmt diese in Gedanken nach. Stellt euch die Bewegungen räumlich vor. Macht sie nach und achtet darauf, ob die Gesten so funktionieren, wie ihr euch das imaginiert hab. Ihr könnt so oft probieren, wie ihr wollt. Ihr dürft nur nicht zu früh aufgeben.
Entweder eure Figur bewegt sich im normalen Rahmen - oder sie verrenkt sich ihre Knochen, dann muß sie irgendwie reagieren.

Zeichner und Maler benutzen Modelle als anatomisch korrekte Vorlage. Fachgeschäfte für Künstlerbedarf haben für gewöhnlich Gliederpuppen und Gliederhände im Sortiment.

Diese Ebene des Erzählens sollte auch bei anderen Lebewesen beachtet werden, die unter Umständen häufiger in eurer Geschichte vorkommen: also vor allem Pferde und Esel, Hunde und Katzen.
Es klingt abwegig, aber manchmal erweist sich ein Besuch auf dem Pferdehof als unerläßliche Fortbildung, wenn jemand eine historische Geschichte erzählen will.

Geändert von Servalan (04.11.2016 um 15:53 Uhr)
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