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Alt 19.12.2020, 23:11   #96  
Peter L. Opmann
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The Incredible Hulk # 6 (März 1963)
Marvel Klassik, Marvel Deutschland (Panini) 1999
Titel: Der unglaubliche Hulk gegen… Metal Master!
US: The Incredible Hulk vs. the Metal Master!
Autor: Stan Lee
Zeichner: Steve Ditko

Stan Lee und der neue Zeichner Steve Ditko schwingen sich noch einmal zu einer heftlangen („full-length“) Hulk-Story auf, in der einiges an Motiven und Ideen steckt. „Heftlang“ bedeutet hier 24 Seiten, doch das heißt letztlich nur, daß noch nicht so viele Anzeigenseiten verkauft werden konnten. Die Motive und Ideen sind leider nicht alle überzeugend, manche auch inzwischen nicht mehr zeitgemäß.
Schauen wir uns die Story näher an: Wie üblich ist General Ross auf der Jagd nach dem Hulk. Seine Truppen haben eine merkwürdig phallusförmige Kanone dabei. Der Hulk hält sich hier vor den Truppen lieber verborgen und gelangt ungesehen in seine geheime Höhle, wo er sich nicht ohne Mühen in Bruce Banner zurückverwandelt. Die Truppen waren jedoch auch abgelenkt, denn Metal Master erscheint und zerschmilzt zunächst die Kanone, die nun wie ein abgeschlaffter Phallus aussieht. Wie seiner eigenen Vorstellung zu entnehmen ist, kommt er vom Planeten Astra (klingt weltraummäßig) und hat die Kontrolle über die Atome jedes Metalls (eine gewisse Ähnlichkeit weist er mit Magneto auf, der auch alles Metall kontrolliert). Weil er despotische Anwandlungen hat, ist er auf die Erde verbannt worden; hier will er nun die Herrschaft übernehmen. Ross kann nichts machen. Rick, der an seiner Seite war, beschließt, den Hulk zu Hilfe zu holen.
Banner, der den Feind auf einem großen Bildschirm gesehen hat, hat sich inzwischen bereits wieder verwandelt, aber sein Kopf ist menschlich geblieben. Diese Kalamität kenne ich nur aus dieser Ausgabe. Damit seine Janus-Existenz nicht auffliegt, zieht Banner eine Hulk-Maske über. Dann tritt er dem Metal Master gegenüber. Durch Metall ist Hulk nicht in die Knie zu zwingen, aber Metal Master bietet ihm zum Schein an, mit ihm zusammenzuarbeiten. Hulk ist nicht abgeneigt, da die Menschen ihn ablehnen. Aber es war nur ein Ablenkungsmanöver; auf irgendeine Weise – man kann nicht genau erkennen, wie – schlägt Metal Master den grünen Goliath bewußtlos. Dann schwebt er davon, um sich Metall schmelzend und umherwerfend die Erde untertan zu machen. Soldaten finden den Hulk, erkennen die Maske und wollen sein wahres Gesicht sehen. Es stellt sich aber heraus, daß die Verwandlung inzwischen abgeschlossen ist – unter der Hulk-Maske erscheint die Hulk-Visage. Immerhin kann die Armee-Einheit ihn in ein offenbar ausbruchsicheres Gefängnis schaffen. Hulk, wieder erwacht, fühlt sich von Rick Jones verraten (obwohl der unschuldig ist) und kündigt ihm die Freundschaft. Rick beschließt enttäuscht, sich freiwillig zum Militär zu melden, aber General Ross lehnt ihn ab: zu jung. Dem Jungen kommt eine andere Idee: Er gründet die Teen Brigade, gewissermaßen eine frühe Facebook-Gruppe. Mit anderen Jugendlichen in ganz Amerika tritt er durch CB-Funk in Kontakt.
Hulk befreit sich aus seinem Gefängnis und verwandelt sich wieder in Banner. So trifft ihn Rick an. Banner versichert dem Jungen, er sei ihm eine wertvolle Hilfe. Gemeinsam wollen sie nun den Metal Master stoppen. Unterstützt von der Teen Brigade baut Hulk eine Art Bazooka und tritt so dem Metal Master gegenüber. Der ist siegesgewiß und will sofort Hulks Waffe zerschmelzen, aber es geht nicht (der naheliegende Grund: sie besteht nur aus Plastik und Pappmache). Er gerät in Panik. Hulk packt ihm am Schlafittchen und zwingt ihn, all seine Zerstörungen rückgängig zu machen. Dann steigt Metal Master in seine Rakete und verschwindet auf Nimmerwiedersehen. Ross muß zähneknirschend eingestehen, daß der Hulk und die Teen Brigade gesiegt haben. Wir treffen das grünhäutige Kraftpaket wieder in seiner Höhle. Es scheint, als würde nun die Rückverwandlung nicht mehr funktionieren. Hulk gerät darüber so in Aufregung, daß er dadurch zu Banner wird. Der Wissenschaftler taucht bei General Ross auf – nun, da die Gefahr vorbei ist. Er schwindelt ihm vor, er sei krank und zur Erholung auf Hawaii gewesen. Ross dreht durch, aber Betty ist überaus erfreut, ihn wiederzusehen. Bruce bleibt zurückhaltend; er weiß, daß der Hulk zwischen ihm und Betty steht. Rick blickt neuen Abenteuern entgegen – eine Vorschau gibt es allerdings nicht.

Man sieht, die Handlung ist recht verwickelt und bietet neue Aspekte. Die Verwandlung des Hulk zu Banner wird erstmals durch Aufregung ausgelöst – künftig wird freilich Banner zum Hulk werden, wenn er sich aufregt. Die Teen Brigade, die auch bei den Rächern eine Zeitlang gute Dienste leistete, tritt erstmals auf. Hulk ist hier ambivalent: Er will zwar die Menschheit retten, ist aber auch schnell bereit, mit dem Bösewicht gemeinsame Sache zu machen. Dahinter steckt das alte Monster-Motiv: Es schlägt zurück, weil es von den Menschen verstoßen wurde. Sowohl Bruce Banner als auch Rick Jones tragen hier in meinen Augen Züge von Peter Parker: Seine zweite Identität steht zwischen Bruce und seiner Geliebten. Auch daß Banner erst erscheint, wenn die Gefahr schon gebannt ist, kommt uns bekannt vor. Daß Betty Angst vor dem Hulk hat, ist eher nachvollziehbar als Gwen Stacys Horror vor Spider-Man, denn der ist jedenfalls kein Monster. Rick wird nicht ernst genommen und ähnelt Peter in dieser Hinsicht. Ein junger Mann, der von Erwachsenen abschätzig behandelt wird, ist heute nicht mehr nachvollziehbar. Kurz nach Erscheinen dieses Hefts setzte sich die Revolution der Jugend durch Rock- und Beatmusik und Jugendkultur durch. Peter Parker unterscheidet sich von Rick zumindest durch seine exzellenten Schulleistungen und seine wissenschaftliche Begabung. Daß General Ross Züge von Jonah Jameson trägt, habe ich schon erwähnt. Bruce wird von Betty ebenso bemuttert wie Peter von seinen Freundinnen. Die nichtssagendste Figur ist der Metal Master, der nur dazu dient, den Hulk in Bewegung zu bringen. Mehr ist an ihm nicht dran.
Steve Ditko arbeitet mit vielen kleinen Panels, und obwohl er auch einen ökonomischen Stil verwendet, um sein Pensum zu schaffen, gelingt ihm fast jedes Bild ausdrucksstark und actiongeladen. Ich hatte schon erwähnt, daß der Hulk bei ihm abstoßender und wilder wirkt als bei Kirby, obwohl der sich damit auch bereits große Mühe gegeben hat. Später sieht Hulk, soweit ich mich erinnere, nur noch dann so aus, wenn er wirklich wütend ist. Entwicklungen (die Verwandlung oder die Befreiung des Hulk aus dem Gefängnis) zeigt Ditko gern in vier oder fünf Panels in einer Reihe; auch das gelingt ihm meiner Ansicht nach sehr gut. Betty erscheint mir zu schablonenhaft; sie ist eine Frau alter Schule, die sich nur emotional ausdrücken kann. Aber so war wohl die Zeit. Der Metal Master sieht für damals angemessen futuristisch und auch grausam aus. Heute beeindruckt diese Figur natürlich niemanden mehr. Alles in allem eine interessante Ausgabe, die die Serie ein Stück weiterbringt, über die die Zeit allerdings hinweggegangen ist. Wie sagt man doch: „nur noch von historischem Wert“.

Geändert von Peter L. Opmann (20.12.2020 um 17:28 Uhr)
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