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Alt 21.10.2018, 23:03   #384  
Peter L. Opmann
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Spinne (Williams) 74

Erscheinungstermin: 12/1976

Originalausgabe:
1) Amazing Spider-Man # 73
2) Journey into Mystery # 119

Story-Titel:
1) Das Netz ist dicht!
2) Der Tag des Vernichters!

Original-Storytitel:
1) The Web closes!
2) The Day of the Destroyer!

Zeichnungen:
1) John Buscema / John Romita / Jim Mooney
2) Jack Kirby / Vince Colletta

Text:
1) Stan Lee
2) Stan Lee



Als ich dieses Heft am Kiosk kaufte, war die Welt der Spinne für mich noch relativ neu. Manches an dieser Story kam mir daher etwas seltsam vor. Jetzt verstehe ich die Dinge etwas besser – oder kann zumindest ein bißchen darüber spekulieren.

Der „neueste Supergegner der Spinne“, der in der letzten Ausgabe großspurig angekündigt wurde, ist „Menschenberg Marko“. Marko ist einfach ein Gangster; überraschenderweise gehört er nicht zur Bande des Kingpin, sondern steht auf der Gehaltsliste des Mafiabosses Silbermähne. Was hat das zu bedeuten?

Zunächst mal läßt Stan Lee den Kingpin in der Versenkung verschwinden – warum, erkläre ich später. Ich stelle mir vor, daß er ein wenig hin- und hergerissen war. Einerseits will er einen anständigen Gegner für die Spinne, einen namhaften wie Quecksilber oder einen starken Widersacher wie den Schocker. Andererseits will er aber zu der Geschichte mit der geheimnisvollen Tafel zurückkehren, denn ihm ist – möglicherweise – eine gute Story rund um den Steinbrocken eingefallen. Diese Story spielt aber im Gangstermilieu. Gangster gehen planvoller vor als Superschurken, und sie haben langfristigere Ziele. So kam wohl Marko ins Dasein. Er soll beides verbinden: den Gangster und die Statur eines Superschurken. Ich habe mir aber schon 1976/77 gedacht: Ein Typ ohne Superkräfte soll es mit der Spinne aufnehmen? Das wirkt tatsächlich nicht überzeugend.

Die Figur von Silbermähne fand ich beeindruckend, aber ich war auch verwirrt: Wo kommt denn dieser Typ nun her? Er hat hier seinen allerersten Auftritt. Und er hat mit der Tafel ganz bestimmte Pläne. Das spielt hier zunächst noch keine Rolle. Jedenfalls wird Marko losgeschickt, um sie ihm zu bringen. Was nämlich letztes Mal – für mich – etwas unterging: Der Schocker wurde zwar von der Spinne geschlagen und zurück ins Gefängnis geschickt. Aber die Tafel hat er sozusagen noch. Er hat sie jedenfalls vorher noch rechtzeitig verschwinden lassen.

Zu Beginn aber stattet die Spinne Captain Stacy einen Besuch ab. Auch sie will die Tafel wiederbeschaffen. Stacy rügt sie zwar fürs Eindringen in sein Schlafzimmer, gibt ihr aber doch einen heißen Tip: Der Schocker hat eine Freundin. Die Spinne findet sie, bemerkt jedoch, daß Marko von der Mafia sie schon vor ihr gefunden hat. Das Mädchen ist ziemlich tough. Obwohl Marko ihre Wohnung zerlegt, tut sie so, als wisse sie von nichts. Die Spinne greift ein, und nun beginnt ein ziemlich unglaubwürdiger Kampf – wenn man denn einen Superhelden a priori für glaubwürdig hält. Aber die Spinne ist nun mal superstark und müßte mit Marko spielend fertigwerden. Lee und Romita/Buscema wollen aber einen Fight bieten, der sich gewaschen hat. Marko erinnert auch ein wenig an einen Supertypen, denn er trägt einen schwarzen Ganzkörper-Lederanzug. Vielleicht ist er ein wenig ein Prototyp für Luke Cage.

Marko erringt sogar zumindest einen Punktsieg: Er schmettert die Spinne gegen eine Wand, wodurch ein Safe sichtbar wird. Marko greift zu und hat die Tafel. Die Spinne rappelt sich zwar wieder auf, aber Marko droht nun, das Mädchen aus ihrer Hochhauswohnung auf die Straße stürzen zu lassen. Spidey rettet die gefallene Dame, aber in der Zwischenzeit verschwindet Marko mit der Tafel.

Silbermähne hat inzwischen Wilson – Kingpins Experten für die Entzifferung der Tafel – mit halblegalen Mitteln aus dem Gefängnis geholt. Das hat für ihn Caesar erledigt, ein durchtriebener Gangster, der Ambitionen auf Silbermähnes Chefsessel hat. Dadurch werden wir auf Silbermähnes Problem aufmerksam: Er ist der unumschränkte Boss (auch wenn Kingpin das ebenfalls von sich behauptet), aber er ist schon sehr alt. Noch hat er alle Macht in seinen Händen, aber das Problem wird sich für Caesar bald biologisch lösen. Die Spinne schwingt indessen nach Hause. Peter Parker fällt ein, dass er ein Praktikum bei Dr. Curt Conners machen wollte, und ruft ihn an. Er erfährt aber von seiner Frau, daß ein paar seltsame Männer ihn abgeholt hätten. Conners wird zu Silbermähne gebracht. Der braucht ihn irgendwie im Zusammenhang mit der Tafel. Er ahnt nicht, daß Conners sich jederzeit unkontrolliert in die Echse verwandeln kann. Das heißt, Lee schafft es, die sich anbahnende Echsen-Story mit dem Tafel-Mehrteiler zu verzwirbeln. Nicht schlecht!

Ausgelassen habe ich die Rückkehr von Jonah Jameson ins Büro, wo er sich Joe Robertson vorknöpft. Der Angestellte zeigt sich aber unerschrocken: Sollte JJJ von ihm verlangen, Hetzartikel gegen die Spinne zu schreiben, wird er kündigen. Und Jameson steckt zurück. Robertson hält ihn, wie wir erfahren, nur für einen „lärmenden Aufschneider“, also eine Witzfigur. Damit wäre das auch mal geklärt.

Mir geht’s eigentlich immer noch so wie vor gut 40 Jahren: Alles von der Geschichte habe ich nicht gekauft. Marko ist kein richtiger Gegner für die Spinne (und er taucht auch längere Zeit nicht wieder auf). Silbermähne ist eine eigenartige Figur: quasi allmächtig und zugleich altersschwach. Aber immerhin werden jetzt ernsthafte Schritte unternommen, das Geheimnis der Tafel zu lüften. Silbermähne kennt es offenbar schon, obwohl auch er darauf angewiesen ist, dass sie entziffert wird. Aber wie auch immer, die Spannung steigt. Die grundlegende Mechanik der Story funktioniert. Fälschlich wird allerdings am Ende suggeriert, daß auch die Echse ins Spiel kommt – das dauert noch etwas.

Unter der Checkliste ist jetzt wieder die halbseitige Sea-Monkeys-Werbung. Dieser Karlsruher Versand bleibt den Williams-Marvels offenbar bis zum Ende treu.

Geändert von Peter L. Opmann (21.10.2018 um 23:09 Uhr)
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