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Alt 06.12.2020, 20:58   #876  
Peter L. Opmann
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An dieses Heft von 1978 habe ich ziemlich gute Erinnerungen. Es ist eine recht gut passende Abschluß-Ausgabe, da die Story abgeschlossen ist und man nicht – wie bei den „Fantastischen Vier“ rätseln muß, wie es weitergegangen wäre (es sei denn, man kannte die letzten HIT-Ausgaben). Mich hat aber damals vor allem der neue Zeichner Rich Buckler beschäftigt. Sein Artwork sieht hier auf Anhieb sehr gut aus (sicherlich auch unterstützt durch Inker Dan Adkins), aber da ich gleichsam darauf trainiert war, die Manierismen verschiedener Superheldenzeichner zu erkennen, bemerkte ich, daß Buckler immer wieder andere Zeichner wie John Buscema oder Neal Adams kopierte. Das war mir vorher noch bei keinem Marvel-Zeichner so deutlich aufgefallen. Mir mißfiel das, und man kann in der Lambiek-Comiclopedia lesen, daß er deswegen sogar Plagiatsprozesse am Hals hatte. Mir kam der Gedanke, daß Marvel vielleicht generell von der schöpferischen in eine reproduktive Phase überging.

Zur Story: Ähnlich wie bei „Rächer“ # 87 hat der renommierte SF-Autor Harlan Ellison sicher wieder nur das grobe Gerüst geliefert; vielleicht kamen die Rächer bei ihm noch gar nicht vor. Der Plot von den fünf Menschen, die sterben müssen, damit die Erde im Zeitablauf vor einer atomaren Katastrophe bewahrt wird, hat wohl mehr Melodramatik als eine Kurzgeschichte für zum Beispiel „Analog“, würde aber sonst dort gut hineinpassen. Die Figur Leonard Tippit (obwohl man so gut wie nichts über sie erfährt) oder auch der russische Schach-Großmeister sind für eine Superheldenstory ungewöhnlich, ebenso der Umstand, daß die Rächer quasi die Schirmherrschaft für ein Schachturnier übernehmen. Da sieht man wohl Ellison am Werk – oder Roy Thomas, der den Plot mit einem Rächer-Abenteuer zu verbinden versucht. Ich finde die Story ganz gut, wenn es auch wieder mal logische Fehler und Unwahrscheinlichkeiten gibt. Mir hat am besten die Aussage des Chirurgen gefallen: „Wir müssen sofort operieren, aber wir haben seine Krankheit noch nicht diagnostiziert.“ Na, wer braucht schon eine Diagnose vor der OP?

Da in „Rächer“ # 100 manches anders war als sonst, habe ich die Einstellung der Serie wohl ganz gut verkraftet. In „Spinne“ # 125 erfüllte die Redaktion immerhin noch die traurige Pflicht, die Leser über das Ende der beiden Titel „Rächer“ und „FV“ zu informieren. Interessanterweise wird verkündet, sie hätten zuletzt so schlecht verkauft, daß sie nicht mehr die Kosten deckten. Dagegen macht die Redaktion Hoffnung, daß die Lücken wieder gefüllt würden. Ich weiß nicht, ob das mit den Kino-Adaptionen „Unheimliche Begegnung der dritten Art“, „Der weiße Hai 2“ und „Krieg der Sterne“ in gewissem Sinn geschah oder ob diese Ausgaben da schon erschienen waren und tatsächlich (außer den Superbänden) nichts Neues mehr kam. Jedenfalls: Bei Condor kam nichts Besseres nach.

(Ich versuche in den kommenden Tagen noch, ein Gesamtfazit zu ziehen.)

Noch eine kleine Anmerkung: Crackajack, wie kommst Du auf Abrahams Opfer des Isaak als Parallele? Ich würde da noch einen Schritt weitergehen: Das Motiv erinnert an Jesus Christus, der sich für die ganze Menschheit aufgeopfert hat. Jetzt möchte ich nicht darüber spekulieren, ob Ellison (oder Thomas) wirklich darauf anspielen wollte, aber Tippit macht das ja freiwillig und sozusagen gern. Daß der theologische Kern fehlt, zeigt dagegen seine Aussage: "Laßt mich dieses eine Mal wichtig sein." Das paßt nicht zu Jesus - zu Isaak schon gar nicht.

Geändert von Peter L. Opmann (06.12.2020 um 21:08 Uhr)
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