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Alt 03.08.2019, 09:58   #127  
Peter L. Opmann
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Bevor es weitergeht, will ich erstmal eine Zwischenbilanz von "Thor # 1 bis 33 ziehen.

Ehe ich meine „Spinne“-Hefte rauskrame, bietet es sich an, eine Zwischenbilanz der Serie zu ziehen. Was mich sehr überrascht hat, ist, wie wenig „Thor“ anfangs in Marvels Superhelden-Offensive paßt. Thor war zwar die Schlüsselfigur für die Serie „Avengers“ – Loki läßt den Hulk Amok laufen, und andere Superhelden kommen Thor zu Hilfe, um dieses Problem zu lösen, nachdem die Fantastischen Vier unabkömmlich sind -, aber in seiner eigenen Serie dauert es bis zum Auftritt der Kobra und anschließend von Mr. Hyde, bis die Serie einigermaßen im Superheldengenre angekommen ist. Vorher gehört „Thor“ in die Abteilung Mystery, das heißt, er muß gegen viele Magier, Monster und ähnliche skurrile Figuren antreten. Zwischendurch hat er es gelegentlich auch mal mit Gangstern zu tun.

Werfen wir einen Blick auf Thors Gestalt und Aussehen. Auffällige Merkmale sind sein langes blondes Haar (das war noch vor der Hippie-Zeit, und außer Thor fällt mir kein langhaariger Superheld dieser Zeit ein), sein geflügelter Helm (der eigentlich ein Merkur-Attribut ist und sich entsprechend in stilisierter Form bei DCs Flash findet), sein rotes Cape (Superman!) und sein Brustpanzer. Dieser gepunktete Panzer hebt Thors Dress auffällig heraus, wobei man sich fragt: Warum keine komplette Ritterrüstung? Seine Arme sind nackt, und untenherum trägt Thor eher ein konventionelles Superheldenkostüm (auch er trägt die Unterhose überm Beinkleid), allerdings nochmal akzentuiert durch seine weit hochgebundenen Stiefel mit Knieschutz. Das ist also ein Kostüm, das eigenwillig zusammengestellt ist, aber mehrere leicht wiedererkennbare Merkmale aufweist. Interessant auch: Anfangs ist Thor ziemlich schlank und trägt auch einen entsprechend langstieligen Hammer; später, wenn er zum echten Superhelden wird, wird sein Körper muskulöser und kompakter.

„Thor“ hat anfangs 13, später 16 (kurzzeitig 18) Seiten zur Verfügung. Das ist weniger Platz, als die anderen Superhelden haben. Als Marvel wegen seiner Vertriebsprobleme Double Features einführen muß, haben etliche Helden zwar nur noch zehn bis zwölf Seiten für ihre Abenteuer, aber „Thor“ nimmt doch eine Sonderstellung ein, weil er sich in keiner der bisher 33 Ausgaben mal auf 20 Seiten ausdehnen kann. „Journey into Mystery“ sollte wohl ein Magazin bleiben; selbst als das ganze Heft Thor gewidmet wurde, wurden die „Tales of Asgard“ eingeführt, damit das Heft nicht nur aus einer Story besteht.

Immer wieder kämpfen Lee und Kirby mit dem Problem der Unbesiegbarkeit Thors. Da bräuchte man gar nicht anzufangen, eine Story zu erzählen, denn Thor stände ja gleich zu Beginn als Sieger fest. Also wird ihm immer wieder mal von Odin ein Teil seiner Stärke genommen, oder Thor geht seines Hammers verlustig und wird nach einer Minute zu Don Blake. Manchmal ist das auch ein Ausweg für ihn, denn Fesseln, die Thor angelegt wurden, halten den schmächtigen Blake natürlich nicht. Aber die Logik muß immer wieder vergewaltigt werden, denn anfangs wurde ja festgelegt, daß sein Hammer stets zu Thor zurückkehrt.

Was sind wichtige Ausgaben der Frühzeit? Ich muß gestehen: Voll und ganz hat mir kaum ein Heft gefallen. Was ich nicht erwartet hatte. Manchmal sind die Episoden auffällig schematisch aufgebaut, zum Beispiel spielt sich Thors Kampf mit seinem Gegner immer auf den letzten vier Seiten ab. Und immer an derselben Stelle gibt es ein launiges kleines Gespräch zwischen Don Blake und Jane Foster. Wichtig ist, daß Loki als Thors Erzfeind früh eingeführt wird (# 3). Nicht so schlecht sind „Thor“ 11 und 12. Die Einführung der Kobra und von Mr. Hyde ist ein Entwicklungsschritt, ohne daß dabei aber gleich gute Storys herauskommen. Ungefähr ab „Thor“ # 19 kommt der Konflikt Thors mit seinem Vater Odin wegen seiner Liebe zu Jane Foster zum Tragen. Sein Verhältnis zu seiner Freundin weicht von dem anderer Marvel-Superhelden ab. Zwar hält auch er seine Doppelidentität vor Jane geheim, aber er ist früh bereit, sie zu lüften. Zudem bekommen seine Gegner früh spitz, daß eine Verbindung zwischen Thor und Don Blake besteht, und entführen mehrmals Jane, um Thor unter Druck zu setzen. Ihm wird aber nicht so richtig klar, daß er seine Geheimidentität besser hüten muß, um Jane vor solchen Gefahren zu bewahren. Man muß sagen: Thor ist letztlich ein Superheld ohne richtige menschliche Identität und paßt daher ins Marvel-Konzept gar nicht richtig hinein.

Hervorzuheben wäre „Thor“ # 21. Die Zauberin und der Henker sind interessante Figuren, die allerdings dem Umfeld von Loki zuzuordnen sind, und Thor beginnt hier, altertümlich zu sprechen. „Thor“ # 27 ist die erste Ausgabe, in der ein aus der Marvel-Welt bekannter Superschurke auftritt (Magneto). Vorher hatten nur die Rächer gelegentlich Cameo-Auftritte. Thors Duell mit dem Hulk in # 30 fällt aus dem Rahmen, weil hier die Story von „Rächer“ # 3 weitererzählt werden soll. Richtig gelungen ist die Episode aber nicht. Spannend wird es eigentlich erst in „Thor“ # 32 und 33, wo Thor es erstmals mit einem Gegner zu tun bekommt, der genauso stark ist wie er – dem Absorber. Gleichzeitig wird deutlich, daß das auch auf Loki zutrifft, mit dem Thor gleich ebenfalls seine Kräfte messen muß. Mit der Serie scheint es also endlich bergauf zu gehen. Außerdem beginnt hier eine längere Hintergrundgeschichte, in der Loki immer wieder Odin dazu bringt, Thor zu bestrafen und zu schwächen. Dabei verstrickt sich Thor in immer neue, wachsende Schwierigkeiten. Das ist es, was mich ursprünglich zum Wiederlesen der Serie animiert hat. Aber ob das nun endlich überzeugend rüberkommt? Wird sich erweisen.

Nachtrag: Bemerkenswert ist, daß Jack Kirby an dieser Serie ziemlich kontinuierlich arbeitet. Kurzzeitig wird er zwar von Joe Sinnott und Don Heck vertreten, aber alles in allem ist das mit seinem Run bei den "Fantastischen Vier" zu vergleichen.
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