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Alt 27.10.2018, 09:14   #390  
Peter L. Opmann
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Spinne (Williams) 76

Erscheinungstermin: 1/1977

Originalausgabe:
1) Amazing Spider-Man # 75
2) Journey into Mystery # 120

Story-Titel:
1) Tod ohne Warnung!
2) Mit dem Hammer in der Hand!

Original-Storytitel:
1) Death without Warning!
2) With my Hammer in Hand…!

Zeichnungen:
1) John Romita / Jim Mooney
2) Jack Kirby / Vince Colletta

Text:
1) Stan Lee
2) Stan Lee



Zur allgemeinen Überraschung zeigt sich nun, daß diese Geschichte eigentlich eine Horrorgeschichte ist. Sie würde auch ohne die Spinne funktionieren. Daß wir jetzt bei der US-Nummer # 75 angekommen sind, bringt mich noch auf einen anderen Gedanken: Die eingeschoben wirkenden Storys mit Quecksilber (Williams # 72) und dem Schocker (Williams # 73) bedeuten womöglich nicht, daß Stan Lee noch überlegte, wie die Geschichte ausgehen soll, sondern sollten vielleicht gewährleisten, daß sie mit der Quasi-Jubiläumsnummer 75 endet. Auf jeden Fall läßt sich feststellen, daß die Verschränkung von verschiedenen Handlungsfäden hier im Vergleich zu früheren Ausgaben einen guten Schritt vorangekommen ist. Zu bemängeln wäre nur, daß der Kingpin, mit dem das Epos startete, am Ende überhaupt keine Rolle mehr spielt.

Die Spinne sucht nach wie vor nach Silbermähne und seiner Bande. Recht unproblematisch bringt sie zwei kleine Ganoven zum Reden. Im gesuchten Mafia-Hauptquartier ist Silbermähne zu diesem Zeitpunkt schon am Ziel: Er ist mutmaßlich nur noch um die 50 und verfügt wieder über die Durchschlagskraft, die er als Boß braucht. Marko ist noch unsicher, wen er vor sich hat. Caesar Cicero wird von dem lauten Wortwechsel angelockt, erschrickt, schafft es aber, Marko gegen Silbermähne aufzuhetzen. Aber für den ist selbst ein Schrank wie Marko kein Gegner mehr. Und: Silbermähne wird immer noch jünger. In diesem Moment platzt die Spinne herein. Marko will sie nun endlich aufmischen, zieht aber zum zweiten Mal den Kürzeren. Die Spinne steht Silbermähne gegenüber, der fasziniert beobachtet, wie er sich nun dem Jünglingsalter nähert.

Dr. Curt Conners, der die antike Tafel entschlüsselt hat, nutzt sie allgemeine Verwirrung, um zu fliehen. Aber nun kann er die Transformation nicht mehr aufhalten: Er wird zur Echse. Während Caesar versucht, die Lage wieder unter Kontrolle zu bekommen, macht sich der etwa 25 Jahre alte Silbermähne daran, die Spinne abzukochen. Sie wehrt den Angriff aber ab, weil er gleich darauf nur noch ein Teenager ist. Darauf stürzt sie sich auf Caesar und seine Leute. Silbermähne beginnt derweil nachzudenken: „Mit jedem Herzschlag… werde ich jünger… aber…- wo wird das enden?“ Während die Spinne die letzten Mafia-Gangster fertigmacht, rennt ein kleines Kind vorbei. Sie folgt ihm und langt schließlich bei einem Kleiderbündel an, aus dem noch ein Wimmern zu vernehmen ist, aber immer leiser. Das ist zugleich das Covermotiv; ich habe es schon ein paarmal als Wandschmuck gesehen.

Es bleiben noch zwei Seiten für die endgültige Überleitung zur Echse: Die Spinne befreit Mrs. Conners und Sohn Billy. Die Echse ringt nicht weit entfernt noch kurz mit sich: Conners versucht, die Kontrolle über sich wiederzugewinnen – vergeblich.

Der große Schwachpunkt dieses Mehrteilers ist für mich das Verschwinden von Kingpin. Hier hat Lee wohl umgesteuert. Kingpin ist ein Bösewicht in vollem Saft; er hätte mit der Verjüngungsformel der Tafel wenig anfangen können. Und Lee wollte ihn gewiß nicht opfern. Silbermähne ist für diese Geschichte die ideale Figur: alt, verbraucht, dringend angewiesen auf einen Jungbrunnen. So clever, wie er präsentiert wird, überrascht es dennoch, daß er die ewige Jugend so vorbehaltlos ergreift, ohne eine Minute nachzudenken. Doch eigentlich ist es ein typisches Märchenmotiv, daß jemand rücksichtslos ein Ziel verfolgt und schließlich für seine maßlose Gier bestraft wird. Immerhin: ein starkes Motiv. Allerdings, wie schon angedeutet: Die Spinne spielt hier gar keine zentrale Rolle. Sie ist eher Beobachterin des Geschehens; die Tafel-Story hätte auch ohne sie in einem von Marvels Horror-Magazinen erscheinen können.

Bemerkenswert, daß es in dieser Ausgabe keine Spur der Peter-Parker-Soap-Welt mehr gibt: keine Gwen, kein Jameson, keine Tante May, kein Harry. Im Siebenteiler kommen sie aber insgesamt ausreichend zu ihrem Recht. Hier bauen sich fortlaufende Storys noch wenig auf; wir sehen einen sich anbahnenden Konflikt zwischen Peter Parker und Flash Thompson; Joe Robertson ist eine interessante Figur, vielleicht im Zusammenwirken mit Captain Stacy. Jedenfalls sind die Zeiten aber vorbei, als solche Figuren einfach nur vorkamen und die erzeugten Probleme beliebig wirkten. Alles in allem beginnt hier eine fortlaufende, in sich verwobene Serienentwicklung – etwas, was es bei DC so nicht gab.

Auf einer redaktionellen Seite beginnt Williams damit, neue und ungewöhnliche Marvel-Serien in USA vorzustellen. Ob man anfangs vorhatte, diesen Titeln in Deutschland den Boden zu bereiten? Die Titel sind sehr unterschiedlich und hätten sich auch sicher unterschiedlich gut für eine deutsche Ausgabe geeignet: „Howard the Duck“ wäre sicher eine sehr interessante Serie gewesen. Jack Kirbys „Eternals“ hätte vielleicht auch funktionieren können. Aber „The Invaders“ und „The Champions“ setzten Kenntnisse der schon weiter entfalteten Marvel-Welt voraus, „Omega the Unknown“ war eine exotische Serie, die auch in USA nicht gut lief.
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