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Alt 26.03.2020, 14:25   #213  
Peter L. Opmann
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Die Fantastischen Vier # 44




Marvel schließt hier abrupt den Vorhang der Nichtmenschen-Saga – genau in dem Moment, als sich der Kampf um den Thron zwischen Black Bolt und Maximus richtig entfaltet hat – und öffnet ihn für ein neues, vielleicht das ultimative Drama um Galak(c)tus, der die Erde verspeisen möchte. Schlechter Stil irgendwie. Jetzt hätte Stan Lee doch richtig loslegen können. Aber er wendet hier ein Stilmittel an, das er später, weiter perfektioniert, zur Fortsetzung von Endlosserien immer wieder einsetzt: Während die eine Geschichte noch läuft, bahnt sich, durch gelegentliches Hin- und Herblenden gezeigt, schon die nächste an. Und so weiter, und so weiter.

Durch die Aktivierung der Atmo-Kanone (zumindest im zweiten Versuch) erzeugt Maximus eine Negativ-Zone, die die Große Zuflucht für immer völlig von der Außenwelt abschirmt. Keiner kann mehr hinein, keiner raus. Den ersten, fehlgeschlagenen Versuch nutzt Lee für eine kleine humanistische Lektion: Durch die Kanone wurden Menschen ebensowenig verletzt wie Nichtmenschen – es gibt also keine Rassenunterschiede. Aber dann fällt wirklich der Vorhang: Über den Nichtmenschen schließt sich eine undurchdringliche Kuppel, und damit ist dieses Kapitel erstmal abgeschlossen. Schon etwas enttäuschend.

Die FV kehren mit ihrem Flugzeug nach New York zurück und sehen seltsame Phänomene: zwei Sonnen, von denen eine stetig näher kommt; dann eine Feuerwand, die den ganzen Himmel bedeckt. Die Menschen laufen Amok – sie wollen die FV lynchen, die sie als Urheber dieser Katastrophen-Zeichen ansehen. Aber das Quartett kann sich in Sicherheit bringen. Reed verzieht sich in seine Forschungskammer.

Als Sue als Ehefrau von ihm etwas mehr Aufmerksamkeit einfordert (wieder mal), entdeckt sie, daß auch der Beobachter in dem Labor steht. Erneut beschränkt er sich nicht aufs Beobachten, sondern arbeitet mit Reed an Wegen, die Erde vor Galactus zu verbergen. Zwischendurch sehen wir den Silver Surfer (hier Silberstürmer genannt) im All umherflitzen auf der Suche nach einem genießbaren Planeten. In gewissem Sinn ist er eine neue Variante des Suchers. Die FV kämpfen gegen den Silberstürmer, der just auf dem Dach des Baxter Building gelandet ist. Der beachtet sie aber kaum. Und es ist auch schon zu spät: Galactus erscheint auf der Erde, und er hat Riesenappetit.

Man darf hier nicht so sehr auf physikalische Fakten sehen. Galactus und Silver Surfer kommen von der Andromeda-Galaxie her, die 2,5 Millionen Lichtjahre von unserer Galaxie entfernt ist; offenkundig brauchen sie für diese Entfernung aber nur ein paar Stunden. Die Andromeda-Galaxie ist mindestens ebenso reich an Sternen wie die Milchstraße – warum hat Galactus nicht erstmal dort einen Imbiß eingenommen? Daß es so etwas wie die Erde nur einmal im Universum gibt, kann Lee nicht angenommen haben, denn offensichtlich braucht Galactus immer wieder mal so einen Planeten-Happen. Über die Atmo-Kanone und die Negativ-Zone vom Anfang der Geschichte wollen wir gar nicht erst reden. Lee stellt die Maschine hin, und die macht ohne Erklärungen einfach die tollsten Sachen.

Es lohnt sich dagegen, die Williams-Ausgabe mit der von Panini zu vergleichen, um die vorzügliche Übersetzung von Hartmut Huff richtig würdigen zu können. Schauen wir uns die kleine Szene an, in der es Ding mit einem Straßenschläger zu tun bekommt. Williams: „Es wird Zeit, daß mal jemand beweist, was für’n Betrüger du bist – und das tue ich!“ Panini: „Wird Zeit, daß dir mal einer zeigt, wo der Burton den Most trinkt… oder so ähnlich!“ Williams: „Schlaf dich aus, Mann! Du kannst einige Stunden ruhen! Und wenn du so viel Spaß daran hast, erzähl jedem, der’s hören will, was für ein Betrüger ich bin!“ Panini: „Bist ein echt harter Kerl, Süßer! Wenn du in ein paar Stunden aufwachst, kannst du ja erzählen, daß du beim Mostholen ein Rotbäckchen gekriegt hast!“ Die kleine sexuelle Anspielung („Süßer“) war zu Williams-Zeiten noch nicht drin, aber sie ist ebenso unnötig wie das alkoholische Wortspiel („Burton“, „Most“). Wenn Huff sich einen Extra-Scherz erlaubt, überdreht er nicht gleich.

Das plötzliche Ende der Nichtmenschen-Geschichte wird der Leser wohl verschmerzen. Sie wird ja in einer späteren Ausgabe fortgesetzt. Johnny leidet so sehr an der Trennung von Crystal, daß man das annehmen muß. Die Galactus-Saga wird, wie wir das nun von Stan Lee schon kennen, mit einem angemessen dramatischen Vorspiel eingeleitet. Und die wird diesmal, so viel kann vorweg verraten werden, nicht plötzlich abgebrochen.

Zur grafischen Seite: Williams hatte diesmal keine guten Druckvorlagen. So mancher Tuschestrich ist hier verwischt oder ganz verschwunden. Da ist die Panini-Ausgabe deutlich im Vorteil. Hier sieht man, wie sorgfältig Jack Kirby und Joe Sinnott gearbeitet haben. Nur selten ist mal etwas weniger gelungen. Sowohl der Beobachter als auch Galactus erhalten angemessen dramatische Auftritte – man wundert sich bloß, daß Kirby dafür nicht ganzseitige Panels verwendet. Aber er hat zu dieser Zeit noch mit relativ vielen Panels erzählt. Eine ganzseitige Darstellung – abgesehen vom Splash-Panel – gibt es doch: eine Fotocollage, die Galactus‘ Raumschiff im Anflug auf die Erde zeigt.
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