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Alt 25.03.2020, 16:33   #208  
Peter L. Opmann
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Die Fantastischen Vier # 42




Zuviel versprochen. Nachdem der Auftakt der Nichtmenschen-Saga – wenn auch eine Folge zu spät – wie ein Quantensprung in der Serie gewirkt hatte und ich annahm, daß Stan Lee die Fortsetzungsstory im Gegensatz zu den vorhergehenden Versuchen vorab ordentlich geplant hat, wirkt nun dieser Teil wieder ziemlich unüberlegt. Die Fantastischen Vier haben die Nichtmenschen entdeckt, und Stan Lee fällt nichts anderes ein, als sie sofort aufeinander eindreschen zu lassen – 14 Seiten lang. Wieder mal ein Mißverständnis wie meist, wenn Helden oder Heldenteams bei Marvel aufeinandertreffen. Man fühlt sich gegenseitig voneinander bedroht (Titel: „Sie könnten uns vernichten“) und merkt erst nach einiger Zeit, daß man auf derselben Seite kämpft. Kann sein, daß Lee dachte: Action, das ist das, was die Leser wollen. Aber er hatte das Garn zuvor ja schon recht raffiniert ausgesponnen.

Erst mit dem mysteriösen „Sucher“ wird wieder ein richtiger Handlungsfaden aufgenommen. Der ist nun wirklich eine Bedrohung, denn er will die Nichtmenschen einfangen. Nach und nach wird das im letzten Drittel der Story sogar erklärt, und uns wird eine Originstory geboten. Die Nichtmenschen sind demzufolge Ergebnis genetischer Experimente einer zweiten menschenähnlichen Rasse, die einst auf der Erde lebte. Diese hochentwickelten Humanoiden zogen sich, nachdem sie von den sich rasch vermehrenden Menschen der Art Homo sapiens sapiens immer härter bedrängt wurden, in die Große Zuflucht zurück. Die Nichtmenschen sind offenbar von dort geflohen, wie das Verhalten von Triton nahelegt. Sie wollen frei sein. Die erste, die bei den Menschen auftauchte, war Medusa, die zweite ihre Schwester Crystal. Aber ich denke, diese Storyline ändert Lee in den folgenden Ausgaben noch – dann wollen sie lieber in ihrer Isolation bleiben.

Zunächst nimmt der Sucher den Drachenmann gefangen, der bewußtlos im Hauptquartier der FV liegt. Er hielt ihn zunächst für ein genetisch verändertes Wesen wie die Nichtmenschen, stellte dann aber fest, daß es sich tatsächlich um einen Androiden handelt. Am Ende erwacht der Drachenmann und reißt sich los. In späteren Ausgaben kann er sicher noch wiederverwendet werden. Da ich schon mal ein paar Seiten vorgeblättert habe, weiß ich, daß die Jagd auf den Drachenmann in der kommenden Ausgabe allerdings nicht das wichtigste Thema sein wird. Stattdessen wird es eine größere Korrektur in der Geschichte der Nichtmenschen geben. Die humanoide Rasse, von der der Sammler sprach, wird dagegen in nächster Zeit keine größere Rolle mehr spielen. Auch der Sucher tritt bald wieder in den Hintergrund.

Offenbar legt sich Lee hier mehrere Handlungsoptionen zurecht – und nutzt dann keine so richtig. Für einen Leser, der wirklich die Geschichte verfolgt, ist das ärgerlich. Bietet Lee die Handlungsfäden den Lesern an und macht von deren Meinungsbild abhängig, welchen davon er primär weiterführt? Diese Möglichkeit scheidet sicherlich aus, denn die Produktionsbedingungen erlaubten damals wohl keine so schnelle Reaktion auf Leserwünsche. Also bleibt nur die Erklärung, daß er selbst nicht so genau weiß, wie die Story weiterlaufen soll. Es sind sogar Kehrtwenden möglich.

Ähnliches ist auch bei den Zeichnungen zu beobachten: Triton wirkte anfangs wie eine verwachsene Kreatur, vielleicht ein Monster. Nachdem diese Figur aus ihrem Umhang befreit ist, wird sie zunehmend zu einem normalen, muskulösen Superhelden. Gorgon wird sein gegenwärtig wildes Aussehen später noch verändern. (Man muß den Nichtmenschen dann ansehen, daß sie zu den Guten gehören.) Diese Änderungen kann man Zeichnern eher nachsehen, denn die Ikonografie der Figuren zu verfeinern, ist ein normaler Prozeß. Insgesamt liefern Kirby und Inker Joe Sinnott hier wieder eine mehr als solide Arbeit ab.

Kirby zeichnet hier zum ersten Mal (jedenfalls bei den FV) ein Cover, bei dem die Gesichter der Hauptakteure hineincollagiert sind. In FV # 7 gab es mal die Gesichter der FV auf einem Fahndungsplakat, und bei FV # 10 wurden ihre Gesichter auf einer Manschette verwendet. Hier sind sie nun zum ersten Mal integraler Bestandteil der Coverzeichnung. Außerdem: Auf vier Seiten (abgesehen von der Splashpage) benutzt Kirby größere Panels, allerdings nicht, um Seiten zu schinden, sondern um dort die Dramatik der Handlung und die Action zu unterstreichen. – Gegen Action habe ich nichts, insbesondere wenn sie von Kirby inszeniert ist, aber wenn sie nur dazu dient, mangelnde Ideen der Comicmacher zu kaschieren, ist das doch etwas enttäuschend.
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