Thema: Filmklassiker
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Alt 27.10.2022, 19:27   #105  
Nante
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Gut, nachdem Billy Wilder nun schon eingeführt wurde, muß ich wohl doch schon meinen „Wilder-Klassiker“ vorstellen. Eigentlich sind es zwei, aber „Some like it hot“ vorzustellen, hieße ja Eulen nach Athen zu tragen.

Den anderen, nämlich „1-2-3“ habe ich dagegen erst Anfang des Jahrtausends zum ersten mal gesehen. Und wie immer auch da natürlich zufällig und erst mal nur die zweite Hälfte.
Andererseits war das vielleicht auch nicht schlecht, denn auf der DVD, die ich mir dann deswegen zugelegt habe, war dann auch die Original-Fassung. Und die OE-Fassung sollte man sich in diesem Fall auch gönnen. Nur hier kommen viele Gags, die sich aus dem Zusammenspiel der amerikanischen und deutschen Schauspieler in ihrer jeweiligen Muttersprache bzw. dem Germano-Englisch der Deutschen ergeben, erst richtig zum Tragen.

Zum Inhalt: J. Cagney spielt den Leiter der örtlichen Coca-Cola-Niederlassung in (West)-Berlin kurz vor dem Mauerbau. Und im Gegensatz zu seiner Frau genießt er seine Vizekönig-Position in vollen Zügen incl. sehr attraktiver Sekretärin (Lilo Pulver). Sein ganzes Denken kreist um seinen Meister-Coup: Coca-Cola in den Ostblock auszuweiten. Seine Gespräche mit einem russischen Trio (u.a. mit „Sam Hawkins“ Ralf Wolter) , bei dem nie ganz klar ist, wer hier wen überwacht, sind schon recht fortgeschritten.
Sein oberster Boss in Atlanta lehnt den Deal aber ab und verdonnert ihn stattdessen dazu, auf seine Tochter aufzupassen, die gleich in Berlin landen wird. Er macht gute Miene zum bösen Spiel und ist froh, daß sich die junge (und offenbar nicht sehr intelligente) Dame offenbar ganz gut allein amüsiert.

Nach ein paar Wochen allerdings platzt die Bombe. Sie stellt ihm erstens ihren frisch angetrauten „Otto“ (Horst Buchholz) vor, der zweitens knallharter Ostdeutscher Kommunist ist und mit dem sie drittens noch am gleichen Tag nach Moskau abreisen will.
Mit einer improvisierten Intrige und seines Assistenten Schlemmer schafft es Cagney zwar, den unwillkommenen Bräutigam als „Klassenfeind“ von der ostdeutschen Polizei verhaften zu lassen. Aber der nächste Schock folgt: Die Dame ist schwanger und ihre Eltern landen in weniger als einem Tag in Berlin!
Wie Cagney nun den Bräutigam mit Hilfe seiner russischen Kontakte erst aus dem Gefängnis und über die Sektorengrenze lotst und dann den kommunistischen Proleten Otto gegen dessen Willen in einen Dandy mit adligerm Stammbaum verwandelt, kann man nicht beschreiben. Das muss man gesehen haben.
Nur das unvermeidliche Ende, an dem Cagney zugunsten der Familie in der Karriere zurück steckt, mindert für mich den Film etwas. Aber wirklich nur etwas.
Ansonsten lebt der Fim neben dem irrwitzigen Tempo, daß Cagney vorgibt vor allem von dem Zusammenprall von ihm und den als unheilbar kriecherisch dargestellten Deutschen, wobei auch mehr als einmal auf deren nicht ganz rühmliche Vergangenheit angespielt wird. („Was waren Sie im dritten Reich, Schlemmer?“ – „Ich war im Untergrund“ – „Im Widerstand?“ – „Nein, Schaffner bei der U-Bahn.“)

Das der Film im Osten nicht gezeigt wurde, war klar. Aber auch im Westen floppte er eher, was wohl auch aber sicher nicht nur am Mauerbau lag. Der jüdische Emigrant Wilder nahm nun mal keine Rücksicht auf Empfindlichkeiten der Deutschen Wirtschaftswundergesellschaft.
Was mich selbst angeht, ist das in der Chronologie der letzte Wilder-Film, den ich als Klassiker bezeichen würde. Die danach kamen sind auch noch gut bis sehr gut, aber total begeistert hat mich von denen keiner mehr.
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