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Alt 04.12.2015, 13:11   #18  
Detlef Lorenz
Operator 50er Jahre
 
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Nummer 2: Die Verschwörer von Cartagena, Rächer der Unterdrückten.






„Rächer der Unterdrückten“, das liest sich doch dramatisch! Aber der Reihe nach: nach den 16ten Jahrhundert ist jetzt das 1. Jahrhundert der Schauplatz einer Erzählung. „Die Verschwörer von Cartagena“, womit Nova Carthago in Hispanien gemeint ist, eine Gründung der Karthager, planen den Sturz Neros, des „Gauklers und grausamen Despoten auf dem Kaiserthron.“ Als Nachfolger ist Galba, der Stadthalter einer spanischen Provinz ausersehen. Nach der gelungenen Machtübernahme wird dieser „ein würdiger Kaiser auf dem Thron der Caesaren.“ Zur Unterstützung der Rebellion eilt Vindex, der Statthalter einer gallischen Provinz hinzu. Zum Glück, denn: „Der große Sieg seiner Truppen entscheidet in letzter Minute das Schicksal Roms.“ Zu Beginn der Erzählung sehen wir zwei Kommandanten auf einem römischen Kriegsschiff, die beschließen, einer der unter Deck sich abschindenden Rudersklaven, Licinius, zu befreien. Er soll als Zeuge vor Galba auftreten, um diesen von der Machtgier Neros zu überzeugen.

Das oben geschilderte liest man auf der 2. Umschlagseite und der ersten Comicseite … und hier steht nichts als Unsinn! Nero: sein Ruf wurde von den Reichen und Mächtigen nach seinem Tode in den Schmutz gezogen. Nach dem Brand Roms, Nero in die Sandalen geschoben und „mit der Leier vom Balkon seines Palastes begleitet“, wofür es nicht die geringsten Beweise gibt, lies er die zerstörten Stattteile neu errichten, mit dem Geld der Aristokraten, die für diese Maßnahmen nicht das geringste Verständnis aufbrachten.(1) Auch die Unterbringung und Verpflegung der obdachlosen Bevölkerung auf dem ansonsten für das gemeine Volk gesperrte Marsfeld, erzeugte in der römischen konservativen Klasse Unwillen und Abscheu. Kurz und gut: Nero war bei der Bevölkerung beliebt, bei den Reichen und Mächtigen verhasst, er hatte schon zu Lebzeiten und erst recht danach, ein schlechte Presse. Galba dann als seinen Nachfolger und als einen würdigen Kaiser vorzustellen, ist natürlich ein Witz, denn er hat nur vom Juni 68 bis Januar 69 n.u.Z. regiert, also ein gutes halbes Jahr. Sein Nachfolger Otho, ebenfalls durch einen Staatsstreich an die Macht gekommen, war bis zum April des Jahres Herrscher und Vitellius danach bis zum Dezember. Erst Vespasian gelang es, das wankende Staatsschiff in den Griff zu bekommen. Er regierte bis zum Jahr 79, also gut 10 Jahre.

Aber zurück zu den Verschwörern von Cartagena: Vindex´ großer Sieg in letzter Minute, siehe oben, war tatsächlich eine Niederlage, erlitten bei Lugdunum, dem heutigen Lyon, die mit seinem Selbstmord endete! Ein weiteres großes Thema in der Literatur und, vor allem, der Filmgeschichte, sind die antiken Rudersklaven. Um es auch hier kurz zu machen, es hat sie nie gegeben! Der Ruderer war ein Beruf, für den man eine Ausbildung brauchte, gut behandelt und verpflegt wurde. Erst im christlichen Spätmittelalter kam die Sitte der angeketteten Sklaven auf. Verurteilte Verbrecher wurden in der Antike meist in Bergwerke geschickt, aber nicht auf die Galeeren. Filme wie „Ben Hur“ sind mit Schuld an dieser entstellenden Darstellung. Klar gab es den trommelnden Taktgeber, wie sollten die Ruderer auch sonst im Gleichklang ihre Tätigkeit ausführen.





Erst auf der sechzehnten Comicseite, im Mittelteil, erscheint Nero das erste Mal im Bild. Er sitzt in seiner Loge im „Collosseum und entscheidet mit einem Daumenwink über Leben und Tod der Gladiatoren.“ Hier ist ebenfalls alles falsch! Das Kolosseum wurde erst in den Jahren 72 – 80 n. d. Z. von Vespasian, der dem Geschlecht der Flavier entstammte, errichtet. Daher heißt es eigentlich Flavisches Theater. Seinen gebräuchlichen Namen erhielt es vermutlich von der riesigen Statue, die sich Nero errichten ließ und nach seinem Tode dem Sonnengott Sol geweiht wurde. Die durch die modernen Medien ausgeübte Geste des Daumen nach oben oder nach unten, für Leben oder Tod, ist so nicht überliefert und auch nie gebräuchlich gewesen. Selbst unterlegene Kämpfer konnten auf Gnade hoffen, wenn sie zuvor tapfer gekämpft hatten. Auch der Kaiser griff selten in die Urteilsverkündung ein, er überließ es meist den Zuschauern – die Gunst des Volkes ist jedem Herrscher wichtig, bis in die heutige, von Umfragen bestimmte, Gegenwart.

Auf einem einzigen Bild im ganzen Heft wird auf derselben Seite Nero als Leierspieler gezeigt und erwähnt, dass er „nicht zurückschreckte, ganz Rom in Brand zu setzen.“ Dazu kann ich später, viel später, im Heft 40 etwas zu sagen, denn Nero wurde innerhalb der Reihe ein zweites Heft gewidmet. Derlei historische Kuriositäten gibt es weiterhin zu Hauf in dieser Nummer 2. Allein damit könnte ich ein ganzes Buch füllen, aber mit diesen wenigen exemplarischen Beispielen soll es genug sein.




Das letzte Comicbild zeigt die jubelnde Bevölkerung, wie sie Galba feiert. Diesem erscheint es wie die Erfüllung seines Lebens, er ist Kaiser, so der Text. Allerdings soll er tatsächlich bereits nach der Ermordung Caligulas, 41 n. d. Z., gedrängt worden sein, sich die Macht als Kaiser anzueignen. Er hat abgelehnt, wohl wissend, dass dieser Posten so erstrebenswert nicht sein kann (siehe oben). Hans-Jürgen Linden war für den Text zuständig und Eugen Blumentritt für die Zeichnungen, und dessen Anlehnungen an Prinz Eisenherz sind erneut vielfältig.

Die letzte Umschlagseite zeigt eine Rückschau auf Heft 1 und eine Vorankündigung auf die Nummern 3 und 4. Diese zeigen noch immer den Titel „Ein Herzog rettet Europa“ (Nr.4) und „Geiserich zieht nach Afrika“. Welche nun tatsächlich erschienen sind, werden wir demnächst hier sehen.

(1)Siehe dazu auch die Albenreihe „Murena“.

Falls sich der Leser schon nach diesen zwei Heften fragen sollte, was fasziniert mich denn an dieser Reihe, wo sie doch von Nachahmern und Geschichtsfälschern wimmelt: es wird inhaltlich besser, deutlich besser und auch die Zeichnungen gefälliger. Blumentritt bleibt allerdings konsequent bei seiner Praxis, Foster als Vorbild zu nehmen. Mit haben die „Abenteuer der Weltgeschichte“ damals viel Spaß gemacht, wenn ich auch viele Fakten in späteren Jahren neu lernen musste.
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