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Alt 09.12.2018, 21:38   #427  
Peter L. Opmann
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Spinne (Williams) 93

Erscheinungstermin: 9/1977

Originalausgabe:
1) Amazing Spider-Man # 92
2) Mighty Thor # 128

Story-Titel:
1) Wenn Eismann angreift!
2) ohne Titel (Plutos Macht!)

Original-Storytitel:
1) When Iceman attacks!
2) The Power of Pluto!

Zeichnungen:
1) Gil Kane / John Romita
2) Jack Kirby / Vince Colletta

Text:
1) Stan Lee
2) Stan Lee



Spinne und Eismann sind ein recht gewöhnungsbedürftiges Gespann. In USA dürfte die Auswahl von Eismann verlagspolitische Gründe gehabt haben, denn etwa zeitgleich wurde die Serie „X-Men“ wegen mangelnden Erfolgs auf Reprints umgestellt; sein Gaststarauftritt sollte wohl der Serie etwas Rückenwind geben. Bei Williams hatte man vom „X-Team“ schon seit der Einstellung der Serie „Hulk“ kaum noch etwas gehört (einen Gastauftritt gab es noch bei den „Rächern“). Eventuell dachte Stan Lee, daß der Kampf gegen den zwielichtigen Politiker Bullit allein nicht genug Action für einen Zweiteiler liefert. Für mich gibt es in dieser Episode manches Enttäuschende – was wohl auch 1977 schon so war. Aber vielleicht hat dieses Heft die Macher von „Die Unglaublichen“ zur Zusammenarbeit von Mr. Incredible und Frozone inspiriert.

Bullit und Gwen hatten in Peters Apartment gewartet (ich glaube weniger, daß Gwen einen Schlüssel hatte, eher, daß Bullit Mittel zur Verfügung standen, dort einzubrechen) und die Spinne beim Hereinschwingen durchs Fenster überrascht. Die Reaktion der Spinne ist für mich nicht ganz stimmig. Sie greift sich Gwen und verschwindet mit ihr wieder durchs Fenster. Indem sie das Mädchen hart anpackt, will sie den Verdacht ablenken, sie sei Peter Parker. Aber, wie schon erwähnt, Stand der Dinge war ja, daß Peter sein Umfeld hatte glauben lassen, er arbeite mit der Spinne zusammen, um Fotos an den Daily Bugle liefern zu können. Bei dieser Version hätte er auch hier bleiben können.

Auch Gwen spielt die Spinne auf dem nächsten Hochhausdach etwas vor, was ich als Zwölfjähriger wirklich doof fand – die beiden hätten sich lieber mal richtig aussprechen sollen, dachte ich. Das war allerdings schlecht möglich, weil Peter nach dem Tod ihres Vaters zu der Überzeugung gelangt war, er könne ihr seine Geheimidentität niemals enthüllen. So redet die Spinne verächtlich über Peter („taube Nuß“), was Gwen empört (und Peter insgeheim freut). In Zeiten von „#metoo“ erscheint es freilich plausibel, daß Eismann sich nun einmischt, da in seinen Augen ein Supertyp eine hilflose Frau bedrängt. Werfen wir noch einen kurzen Blick auf Bullit: Eine amoklaufende Spinne kann ihm nur recht sein, weil die New Yorker darauf ihm, dem Law-and-Order-Mann, ihre Stimme geben werden.

Spinne und Eismann treffen also wieder mal aufgrund eines klassischen Mißverständnisses aufeinander. Bobby Drake beschäftigt die Spinne so lange, bis die Polizei am Schauplatz eintrifft und die Spinne lieber das Weite sucht. Bullit nutzt die Situation eiskalt aus, wanzt sich an Eismann heran und läßt es für die Öffentlichkeit so aussehen, als habe er ihn beauftragt, die Spinne auszuschalten. Sein Erfolg in der Presse ist jedoch nur von kurzer Dauer. Jonah Jameson verkündet, daß er Bullit nicht mehr unterstützen will. Joe Robertson hat sich nämlich inzwischen ins Archiv bemüht und dort zahlreiche anrüchige Informationen über den Möchtegern-Staatsanwalt gefunden. Bei einem Treffen in der Redaktion geraten Bullit, Jameson und Robertson aneinander. Bullit zieht sich zunächst zurück, will aber die Sache auf seine Weise regeln. Kurz darauf wird Peter Parker Zeuge, wie Joe Robertson zusammen mit zwei zwielichtigen Typen das Haus verläßt. Peter erspäht, daß einer von denen Robertson eine Pistole in den Rücken drückt.

Die Spinne folgt dem Trio und will eingreifen, als auch Eismann wieder erscheint und sie auf Eis legen will. Noch einmal kommt es kurz zum Kampf, aber dann kann die Spinne ihrem Gegner klarmachen, daß sie gerade hinter Gangstern her ist. In einem alten Lagerhaus wollen Bullits Leute – auf seinen ausdrücklichen Befehl hin – Joe Robertson das Lebenslicht auspusten. Doch Spinne und Eismann mischen die Bande in kürzester Zeit auf und bringen den Zeitungsmann in Sicherheit. Zum Schluß werden wir Zeuge einer glanzvollen Wahlkampfveranstaltung von Bullit, die allerdings von den beiden Superhelden gestört wird. Bullit verplappert sich prompt: „Joe Robertson ist tot! Er muß es sein! Meine Jungs versagen niemals!“ Worauf seine Zuhörer ihm ebenso prompt den Rücken kehren. Die Polizei führt Bullit ab.

Vielleicht habe ich als Zwölfjähriger gedacht, hier könne ich etwas über Politik lernen. Heute erscheint mir die Story sehr holzschnittartig und simpel. So simpel funktioniert Politik sicherlich nicht; nicht mal Nixons Watergate-Affäre (Nixon sieht Bullit vielleicht nicht von ungefähr recht ähnlich). Aber es war der erste Schritt in einen Themenbereich, der in den vergangenen etwa 30 Jahren für Comics nicht in Frage gekommen war. Sicher, Superman hat immer mal Aufträge des amerikanischen Präsidenten ausgeführt, aber das ist etwas anderes. Der letzte verbrecherische Politiker, mit dem Superhelden zu tun hatten, war Adolf Hitler. Recht gut finde ich, daß die beiden Helden nach Aufklärung ihres Mißverständnisses zusammenarbeiten und nicht bloß ihre Prügelei einstellen. Eismann ist jedoch eine ziemlich austauschbare Figur. Diese Geschichte hätte auch mit jedem anderen Helden funktioniert. Wäre hier der Dämon (Daredevil) aufgetreten, so hätte die rechtliche Seite der Sache sicher besser ausgearbeitet werden können. Minuspunkt: Als Eismann die Spinne erstmals stellt, verschwindet damit Gwen abrupt aus der Geschichte. Wer also erwartet hatte, daß sich in ihrer Beziehung zu Peter irgendetwas tut, wurde herb enttäuscht.

Die Rückseite des Hefts ist diesmal mit einer Lego-Anzeige belegt. Es war also eine (kurze) Phase eines recht erfolgreichen Anzeigengeschäfts. Interessanter für mich ist eine Leserbriefseite, auf der der „Marvel Touch“ diskutiert wird. Die meisten Briefschreiber verstehen darunter einen Zeichenstil, manche auch ein inhaltliches Konzept (zum Beispiel Superhelden in einer wirklichkeitsgetreuen Welt oder der einfließende Humor). Es geht auch um den Unterschied zwischen Marvel und DC. Noch unbekannt war offenbar, was der Begriff wirklich bedeutet, nämlich die spezielle Arbeitsteilung zwischen Autor und Zeichner, vor allem bei Stan Lee.

Geändert von Peter L. Opmann (25.04.2019 um 14:37 Uhr)
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